Benötigen Let's Player wirklich eine Rundfunklizenz?
Eine fachliche Analyse von jemandem, der sich mit so etwas auskennt.
Es ist nicht das erste Mal, dass unsere alte bundesdeutsche Gesetzgebung nicht so recht weiß, wie man es nun anpacken soll, "dieses Internet". Einschlägige Streaming-Persönlichkeiten bekommen das dieser Tage mit, weil sich die Behörden mit der Auflage bei ihnen meldeten, sich eine Rundfunklizenz zuzulegen - und das, obwohl sich keiner von ihnen als klassisches TV- oder Radioformat versteht. Angesichts eines nicht übertriebenen, aber auch nicht ganz unerheblichen Kostenfaktors dürfte sie die tatsächliche Rechtslage aktuell doch ziemlich umtreiben. Was hier eigentlich Sache ist und wie es in hiermit weitergehen könnte, das schildert Thorsten Hemme von der Anwaltskanzlei CMS Hasche-Sigle in einem Gastbeitrag für Eurogamer.de
Nachdem die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen (NRW) mehrere Let's-Player aufgefordert hatte, eine Rundfunklizenz zu beantragen, war die Welle der Entrüstung groß. Schnell bestand Einigkeit darüber, dass Streaming-Angebote von der Lizenzpflicht ausgenommen werden sollten. Selbst die Landesmedienanstalt NRW ist dieser Auffassung, weist aber darauf hin, dass sie geltendes Recht umsetzen muss.
Es ist somit absehbar, dass sich der Rechtsrahmen für Streaming-Angebote in - wahrscheinlich nicht allzu naher - Zukunft ändern wird. Aktuell stellt sich vor allem die Frage, wie mit der aktuellen Rechtslage umzugehen ist und ob nicht doch Möglichkeiten bestehen, die Beantragung einer Rundfunklizenz zu vermeiden.
Was gilt aktuell?
Nach den maßgeblichen Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags sind Streaming-Angebote dann lizenzpflichtig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Angebot wird linear verbreitet. Die Zuschauer können das Ange-bot also nicht nach ihrer Wahl ("on demand") abrufen. Betroffen hiervon sind vor allem Live-Streams, wie sie etwa bei Twitch angeboten werden.
- Das Angebot kann von mehr als 500 Zuschauern gleichzeitig gesehen werden.
- Das Angebot ist redaktionell gestaltet.
- Das Angebot muss regelmäßig verbreitet werden. Gelegentliches Streaming ist damit von der Lizenzpflicht ausgenommen.
Für das Erteilungsverfahren wird von der zuständigen Landesmedienanstalt eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.000,- bis 10.000,- Euro erhoben. Die konkrete Höhe bemisst sich dabei vor allem am wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Angebotes. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beantragung einer Rundfunklizenz eine recht individuelle und komplexe Angelegenheit ist. Formulare existieren nicht. Es ist vielmehr Aufgabe des jeweiligen Antragstellers, darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Lizenz vorliegen. Ein komplizierter Vorgang, der im Einzelfall ohne erfahrene rechtliche Unterstützung kaum machbar ist.
Abgesehen davon spricht vergleichsweise wenig dagegen, eine Rundfunklizenz zu beantragen. Die zum Teil aufgestellte Behauptung, dass Streaming-Angebote mit der Erteilung einer Rundfunklizenz weitreichenden zusätzlichen Restriktionen unterworfen werden, ist jedenfalls nicht korrekt. Tatsächlich bestehen die rechtlichen Anforderungen an Streaming-Anbieter unabhängig davon, ob das Angebot als Rundfunk oder als klassisches Telemedium behandelt wird. Die Regelungen zum Jugendschutz und die Kennzeichnung von Werbung gelten in jedem Fall. Zwar können im Einzelfall - etwa durch abweichende Entscheidungspraxen der zuständigen Behörden beziehungsweise Gerichte - Unterschiede im Detail bestehen. Die pauschale Behauptung, dass mit der Erteilung der Lizenz weitreichende - zusätzliche - Einschränkungen verbunden sind, ist aber nicht richtig.
Wie schätzt die Politik die Lage ein?
Sowohl in der Praxis als auch in der Politik herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Lizenzpflicht für Streaming-Angebote zukünftig entfallen soll. So wird in dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Regeln für Streaming-Dienste an das digitale und konvergente Zeitalter angepasst werden sollen. Mit der Folge, dass die Lizenzpflicht entfällt. Entsprechend äußern sich auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber in einem Blogbeitrag und der medienpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Martin Dörmann, auf einer Konferenz im Rahmen der Gamescom.
Selbst die Landesmedienanstalt NRW (die den Stein erst ins Rollen gebracht hatte) teilt diese Auffassung: So ließ deren Direktor Tobias Schmid im Kölner Stadtanzeiger durchblicken, dass er die aktuelle Gesetzeslage nicht mehr für zeitgemäß hält. Die Info-Website der Landesmedienanstalt NRW, die speziell für die Verfahren gegen die Streaming-Anbieter eingerichtet wurde, schreibt ebenfalls, dass die Zulassungspflicht durch eine qualifizierte Anzeigepflicht ersetzt werden sollte. In die gleiche Richtung geht auch eine Pressemitteilung der Kommission für Zulassung und Aufsicht, in der der Vorsitzende mit den Worten zitiert wird, dass es zu einer (nicht näher spezifizierten) Anpassung der Gesetze kommen sollte.
Was soll sich ändern?
Aller Voraussicht nach wird die Rundfunklizenz für Streaming-Angebote entfallen. Stattdessen wird es wohl auf eine - qualifizierte (das heißt mit erhöhten Anforderungen an die bereit-zustellenden Informationen verbundene) - Anzeigepflicht hinauslaufen.
Die Aufnahme des Streamings wäre damit nicht mehr abhängig von der (vorherigen) Einholung einer Rundfunklizenz. Ob die stattdessen erforderliche Anzeige für die Streamer mit einem geringeren Aufwand verbunden ist, muss sich noch zeigen. Das wird von den Anforderungen abhängen, die im Rahmen der Anzeige abgefragt werden: Beließe es der Gesetzgeber hier bei einfachen Informationen zu Veranstalter und Inhalt des Streaming-Angebotes (Namen und Anschrift des Veranstalters, Art des Contents und dessen Verbreitung), könnte die Anzeige mit relativ geringem Aufwand selbst durchgeführt werden. Wenn aber nach der neuen Rechtslage ebenfalls Angaben über Beteiligungsverhältnisse oder sonstige aus medienkonzentrationsrechtlichen Gründen relevante Informationen (zum Beispiel Verflechtungen mit anderen Medienunternehmen) bereitgestellt werden müssten, könnte auch die qualifizierte Anzeige erheblichen Aufwand und spezifische Sachkenntnis erfordern.
Denkbar ist auch, dass auch noch die Zahl der Zuschauer pro Stream (derzeit: potenziell 500) erheblich erhöht wird, bis ein Streamer sein Angebot melden muss. Ein weiterer Aspekt, der wahrscheinlich angepasst wird, ist die Umstellung von der potenziellen auf die tatsächliche Reichweite des Streamers. Bisher wird die pozentielle Reichweite als Kriterium herangezogen. Aus dieser Änderung könnten sich vor allem für kleinere Streamer deutliche Erleichterungen ergeben.
Und bis dahin?
Da bis zu einer Änderung des Rundfunkstaatsvertrags aller Voraussicht noch einige Zeit ins Land gehen wird (auszugehen ist hier eher von Jahren als Monaten), stellt sich die Frage, wie in der Zwischenzeit verfahren werden soll.
Neben der Beantragung einer Rundfunklizenz könnten Streamer versuchen, sich gegen die Einstufung ihres Streaming-Angebots als Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags zur Wehr zu setzen. Je nach Ausgestaltung des Angebots könnten Streamer zum Beispiel argumentieren, dass sie ihre Angebote weder redaktionell aufbereiten noch regelmäßig (monatlich, wöchentlich) veröffentlichen. In diesem Fall wären zwei der wichtigsten Kriterien für die Rundfunklizenz nicht erfüllt. Ob und inwieweit eine solche Argumentation durchgreifen würde, hängt dabei natürlich vom jeweiligen Einzelfall ab.
Zudem könnten Streaming-Anbieter auch Maßnahmen in Betracht ziehen, die dazu führen, dass sie aus dem Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags und der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten herausfallen. Dann allerdings dürfte eine Verlagerung der Redaktion des Streaming-Angebots in das (nicht-europäische) Ausland erforderlich sein, was wiederum mit einem nicht unerheblichen Aufwand einhergehen dürfte.
Schließlich können Streamer auch jederzeit versuchen, im Dialog mit der zuständigen Behörde Rechtsicherheit zu schaffen. Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Äußerungen der Landesmedienanstalt NRW (Kölner Stadtanzeiger und Info-Website) kann man davon ausgehen, dass sich die zuständigen Behörden der Defizite des rechtlichen Rahmens bewusst sind und sich rechtlich zulässigen Lösungsvorschlägen eher nicht verweigern würden. Dazu gehört auch die oben ausgeführte Argumentation über die redaktionelle Aufbereitung und regelmäßige Verbreitung der Inhalte. Ausgangspunkt hierfür könnte etwa die einschränkende Auslegung der Tatbestandsmerkmale "redaktionell" und "regelmäßig" sein. Denkbar wäre auch, dass die Behörde Verwaltungsverfahren ruhen lässt oder erklärt, dass sie nur eingeschränkte Maßnahmen ergreifen wird (Selbstbindung des Ermessens).
Fazit
Es bleibt spannend. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die zukünftige Rechtslage, sondern vor allem auch auf den Umgang der Behörden mit der derzeitigen - nahezu einhellig abgelehnten - Rechtslage. Welche Lösung für den jeweiligen Anbieter letztlich die Beste ist, hängt natürlich vor allem auch von dessen individueller Situation und dessen individuellen Streaming-Angebot ab.