Beyerdynamic Amiron home HiFi-Kopfhörer - Test
Perfektion.
Es ist mal wieder so weit. Ich brauche das gelegentlich. Ich bin halt ein Sound-Snob. Was heute der OLED-TV als Wunschobjekt für die aktuelle Generation von Tech-begeisterten Kids ist, war für das 80s-Kid HiFi. Daher freut es mich ungemein, wenn immer mal wieder ein Testmuster reinflattert, das mich nicht mit Gaming-Gebrüll langweilt, sondern sagt: Komm, lass uns mal Sound erleben. Wirklich erleben. So wie der Beyerdynamic Amiron home das verspricht. Also ja, ihr müsst mal wieder durch einen 600-Euro-Kopfhörer-Test durch. Außerdem höre ich jetzt schon fast drei Monate mit diesem Hörer, irgendwann muss ich mal den Test abliefern. Auf geht's.
Außen!
Die Packung selbst ist ein Statement der Ewigkeit. Ihr habt einen der wichtigsten Werkstoffe, den die Menschheit je entdeckte: Papier! Hier in der stabileren Form Pappe schützt er euren wertvollen Kopfhörer auf dem harten, schwierigen Weg vom Werk bis in eure Hände und kann danach benutzt werden, um Feuer besser anbrennen zu lassen. Ja, ja ich weiß, es ist unnötiger Schwachsinn, was manche Firmen wie ASUS zum Beispiel bei ihren teuren Headsets treiben, bei denen die Umverpackung schon fast als Kunstwerk durchgeht, bei dem auch noch jede Menge Rohstoffe vergeudet werden. Insoweit ein ökologisches Lob an Beyerdynamic, dass sie einfach ein bisschen Pappe um ihre Luxus-Kopfhörer wickeln und gut ist. Geschützt sind die Amiron sowieso, da gleich eine sehr stabile Box mitgeliefert wird. Diese macht sich nicht klein und ist weniger für Reisen gedacht - nicht, dass der Amiron ein Reisekopfhörer wäre - sondern, um ihn irgendwo sicher verstauen zu können.
Der 6,25-mm-Adapter in Gold und zum verschrauben ist normal, was den Amiron schon hier von seinem T90-Vorgänger absetzt, ist das nun gesteckte Kabel. Ihr habt ein drei Meter langes, sehr flexibles und trotzdem stabiles Kabel, das auch ohne schicke Ummantelung einen hochwertigen Eindruck macht, mit einem üblichen 3,5-mm-Klinkenanschluss auf der einen Seite - natürlich in Gold und nach 2,6 Metern oder so splittet sich das Kabel und führt zu zwei 3,5-mm-Enden. Diese werden dann jeweils links und rechts eingesteckt - eine Stereo-Umkehr ist also denkbar einfach. Aber: Findet mal ein Ersatzkabel. Nicht, dass ich befürchten würde, dass dieses so schnell kaputtgehen würde, aber es gibt keine echte Drittanbieter-Alternative. Wer danach sucht, wird feststellen, dass ihr praktisch jedes Teil am Amiron austauschen könnt, indem ihr selbst Ersatzteile kauft. Die Begeisterung endet schon dabei, dass ein direktes Ersatzkabel etwas heftige - vorsichtig gesagt - 65 Euro kostet. Aber das ist nur der Anfang. Es gibt ein Alternativkabel, wie ich es für meinen Sony Walkman gerne hätte, 1,4 Meter lang. Leider kostet es sage und schreibe 99 Euro. Die beiden Treiber links und rechts auszutauschen liegt bei nicht mal 150 Euro! Und ja, es gibt sehr teure Kabel, bei Audioquest könnt ihr auch schon mal vierstellig für ein Klinkenkabel werden, wenn ihr möchtet. Auch ist das angebotene Kabel ausgesprochen hochwertig gefertigt, wobei man schon den Sinn hinterfragen darf, auf ausgerechnet ein so kurzes Kabel das beste Kupfer - OCC 7N - zu verwenden, das der Menschheit zur Verfügung steht, noch dazu bei einem "lower-high-end"-Kopfhörer. Aber das ist HiFi, das gehört dazu. Was mich wirklich ärgert, ist dass es keine Alternative gibt, die der nun auch nicht zu unterschätzenden Qualität des mitgelieferten Kabels entspricht, einfach halb so lang ist und vielleicht dann 50 Euro kostet.
Was auch auffällt, sowohl wenn der Blick über die Ersatzteilliste wie auch über den Amiron selbst schweift: Die Polsterung oben ist fest und nicht ohne weiteres austauschbar. Sie ist samtig, weich, sitzt so perfekt, dass man beim Tragen fast vergisst, dass da was ist und sie sieht in ihrem schwarz-grau-Mix auch noch ganz nett aus. Aber wenn sie durch ist, ist sie durch. Ich habe den Amiron jetzt drei Monate, ihn praktisch dauernd benutzt und es zeigt sich aber auch nicht die geringste Abnutzung. Das ist gut, aber so einen Kopfhörer kauft man ja auch für zehn oder mehr Jahre und da gebe ich keine Garantien ab. Macht aber nicht so viel: Sollte sie irgendwann mal durch sein, kostet es gerade mal 35 Euro, um für Ersatz zu sorgen: In diesem Falle schraubt ihr die beiden Muscheln ab und tauscht gleich die Polsterung samt dem kompletten Metallbügel aus. Da Beyerdynamic auch für ein paar sehr alte und obskure Modelle bis heute Ersatzteile anbietet, denke ich nicht, dass es ein Problem mit dem Bügel-Polster-Ersatz in ein paar Jahren geben dürfte, womit eigentlich nur eine Erkenntnis am Ende dann direkt übrig bleibt: Meine Güte, sitzen die Amiron bequem!
Der bewährte Federstahl-Bügel sorgt für einen absolut perfekten Sitz, was bei immerhin gar nicht so leichten 340 Gramm erstaunlich ist. Ihr merkt diesen Kopfhörer kaum auf dem Kopf. Dank des Stahls könnt ihr den Andruck auch ein wenig - vorsichtig bitte - herausbiegen oder erhöhen, sodass die Kopfform keine so große Rolle spielt. Das neue Mikrovelourspolster der Muscheln sitzt genau richtig, atmungsaktiv und mit genug Abschluss, um - für offene Kopfhörer wichtig - die Bässe drin zu halten und wirken zu lassen, ohne euch dabei auf die Ohren zu gehen. Auch wenn es kaum vorstellbar schien, dieser Kopfhörer ist noch tragefreundlicher als der T90. Ich hatte zehnstündige Sessions mit dem Amiron und nie, auch nur ein einziges Mal, habe ich diese Kopfhörer als unangenehm oder überhaupt nur auffällig empfunden. Außer ich stolperte mit dem Walkman in der Hand über das zu lange Kabel, aber das ist ja eine andere Baustelle, die wir gerade hatten.
Die Muscheln selbst sind ein Materialmix: Ihr habt außen herum dunkles, mattes Plastik, das edel genug wirkt. Dann kommt der innere Rahmen mit dem Schriftzug durch die Mitte, der aus Aluminium ist - zumindest der Rahmen, beim Schriftzug bin ich mir nicht ganz sicher - und darunter liegt ein grobes Kunststoff-Textil-Mesh, das genug nach Außen lässt, um aus dem Amiron einen offenen Kopfhörer zu machen. Die Aufhängung des Bügels wirkt etwas weniger grobschlächtig als noch beim T90, der Look insgesamt ist etwas moderner, aber ehrlich gesagt mochte ich den Vorgänger des Amirons lieber. Das rostbraune Mesh vom T90 hatte einfach den Ticken Charme, der dem sehr glatten Amiron ein wenig abgeht. Trotzdem sehr schick, vielleicht ein wenig zu unauffällig. Aber wie immer, das müsst ihr selbst wissen, guckt euch die Bilder an.
Innen!
Der wichtigste Wert ist erstmal die Impedanz von 250 Ohm, was der Widerstand ist, den ein Verstärker überwinden muss, um die gewünschten Signale an die Treiber zu bringen. Wie immer die Philosophie wie auch Technik ist, dass ein hoher Wiederstand mehr Störsignale filtert, aber natürlich die Quelle stärker sein muss, um überhaupt einen Ton durchzubringen. 250 Ohm erfordern für höhere Lautstärken mindestens ein Tablet oder mobilen Player mit ein bisschen mehr Wucht, sind aber für Soundkarten aller Art kein Problem. Selbst direkt an einem normalen Laptop kommt noch genug durch, wenn ihr nicht gerade voll Pantera gehen wollt. Schwächere Handys oder gar Controller bleiben aber außen vor, da kommt nicht mehr viel an. Wie auch beim T90 ein guter Kompromiss aus HiFi-Puristendenke und universeller Nutzbarkeit, zumal moderne digitale Quellen eh nicht mehr ganz so viele Störgeräusche mitbringen, die gefiltert werden müssten.
Der Kennschalldruckpegel ist 102 dB, der maximale 125 dB, was übersetzt bedeutet, dass ich den Amiron nie so laut aufdrehen konnte, dass Übersteuern ein Problem oder überhaupt der Fall gewesen wäre, jedenfalls nicht, ohne dass ich meinen Ohren sehr direkt und dauerhaft geschädigt hätte. Listen responsibly.
Der Amiron ist auch die Einstiegsklasse, in der Beyerdynamic seine Tesla-Technologie verbaut. Benannt nach Nikolai Tesla und nicht nach der Rockband Tesla, bezeichnet es eine Technik, die den magnetischen Antrieb der Schwingspule drastisch verstärkt, was eine flexiblere Bauweise erlaubt. Statt den Neodym-Magneten in die Mitte zu setzen - wie bei praktisch allen Kopfhörern sonst - liegt der Magnet hier als Ring um die Spule, was die Wege zur eigentlichen Membran verkürzt und den Wirkungsgrad erhöht. Dazu kommt, dass wenig bis keine Energie an den Rest des Systems abgegeben wird, sodass keine anderen Bauteile mitschwingen, die das nicht sollen, und es ist auch weniger empfindlich gegenüber Störfeldern von außen. Was ihr sonst noch davon habt, kommt später im Klangtest, aber kurz gesagt ist das Ziel von Tesla, die klangliche Detailauflösung drastisch zu erhöhen und eine druckvollere Wiedergabe zu ermöglichen. Das, ohne dabei den gewaltigen Aufriss zu betreiben, den einige sehr viel teurere Kopfhörer wählen müssen, um einen vergleichbaren Effekt zu erzielen.
Ich hätte gerne einen Blick direkt auf den Aufbau der Tesla-Treiber geworfen, aber leider habe ich es nicht geschafft, so weit vorzudringen. Den Bügel abzunehmen ist denkbar einfach - womit auch ein eventueller Austausch für niemanden ein Problem ist, der in der Lage ist, einen Torx-Dreher richtig herum zu halten. Auch die Cups lassen sich mit einem etwas beherzten Griff entfernen und irgendwann in ein paar Jahren austauschen. Aber dahinter war dann Schluss. Tesla krallte sich in die Schale und als ich nach ein paar Minuten mit diversen Werkzeugen den Eindruck hatte, dass das nicht gut enden würde, strich ich die Segel. (Falls jemand nach mir mein Testmuster bekommt: Die Kratzer innen auf der linken Seite müssen sein, die machen, dass es besser klingt).
Bleibt noch die Frequenzbandbreite: 5 Hz bis 40.000 Hz sind die Norm in dieser Preisklasse. Wer mehr haben will - und glaubt, das hören zu können - muss selbst für 50.000 Hz schon ein paar Hunderter mehr hinlegen und Exoten wie Pioneers SE Master 1 mit 85.000 Hz liegen über dem Vier- und Fünffachen dessen, was der Amiron kostet. Die 5 Hz Niederfrequenz dagegen ist das allgemein anerkannte Minimum, was übrigens nicht bedeutet, das ein Kopfhörer automatisch Monsterbässe hat, sondern einfach "nur" in der Lage ist, überhaupt so tiefe Frequenzen darzustellen. Wie der Amiron das genau tut, dazu kommen wir jetzt, denn Zahlen sind graue Theorie.
Sound!
Eines muss man klarstellen und wir hatten die Diskussion hier: Ich habe es auch nicht immer eindeutig beschrieben, wenn ich einen Kopfhörer als eher "neutral" bezeichnete, das war im HiFi-Sinne nicht akkurat. "Neutral" oder auch "Studio" sind etwas anderes als "HiFi". HiFi bedeutet in diesem Zusammenhang ein die ganze Entwicklung umfassendes Klang-Tuning, das mitunter und auch absolut gewollt deutlich in der Aussteuerung von Höhen, Mitten und Tiefen des Sounds von der 0-dB-Linie dieser Werte abweichen kann. Das gibt den Geräten einen bestimmten Sound, ganze Marken definieren sich teilweise über diese Art von Sound-Engineering und die Kunst besteht darin, den Sound zu finden, den man selbst mag. HiFi an sich ist hier erst mal kein Qualitätsmerkmal. Auch ein 1-Euro-Billigkopfhörer hat eine eigene Aussteuerung, tendenziell zufällig die, die sich ergab, als der Hersteller die billigsten verfügbaren Teile zusammenwarf. Beats-Geräte zum Beispiel hasse ich persönlich, weil sie ihre Bässe bis zum Anschlag drehen, bei den Membranen darauf achten, dass sie nicht platzen, wenn diese Bässe kommen, aber sie legen nicht den geringsten Wert auf Basspräzision, Soundstage und Klang-Auflösung. Wer seine Pop-Tunes auf diese Weise hören möchte und das mag: Gut für euch. Das ist euer Geschmack, schön, dass es einen Hersteller gibt, der das bedient. Ich glaube, dass ihr viel zu viel Geld für eine technisch sehr simple Leistung bezahlt, aber wie vieles, wenn es letztlich um den eigentlichen Klang geht, den IHR haben möchtet: Eure Sache, nicht meine.
Der Punkt hier ist, dass nichts davon eine exakte Wissenschaft ist. Und gleichzeitig ist es nichts anders. HiFi ist so sehr Glaube wie Forschung und High-Tech und das ist es, was es so faszinierend macht. Was uns zum Amiron zurückbringt und den Eigenschaften, die ihr euch damit ins Haus holt. Er ist nicht neutral, aber er ist neutraler als sein indirekter Vorgänger T90. Beyerdynamic schickte sich an, diese manchmal etwas spitzen Höhen einzufangen und relativ nahe an die 0 dB zurückzubringen. Ihr habt damit weichere, klanglich (noch) weniger aufdringliche Höhen, ohne dass diese ihre Schärfe und Klarheit einbüßen würden. Die Basskurve dagegen ist nach wie vor vorhanden, bleibt nach wie vor sehr sanft und ehrlich gesagt höre ich wenig Veränderungen zum T90. Was definitiv keine schlechte Sache ist: Ihr habt damit unglaublich präzise Bässe, die ihr dann spürt, wenn die Musik das auch wirklich will, und nicht die Übersteuerung, die aus jedem kleinen Tiefton-Hauch verzweifelt probiert einen Donnerschlag zu produzieren. Wiederum, sollte genau das euer Ding sein, dann sind auch die Amiron wie auch die T90 nicht eure Kopfhörer, schiere Bass-Wucht ist ihnen bei aller Kraft dann doch fremd. Die Mitten kommen in der neuen Aussteuerung noch etwas besser zur Geltung als bei den Vorgängern, da eben diese vielleicht etwas zu spitze Spitze bei den Höhen fehlt und das Ergebnis nun noch homogener abgeliefert wird. Ich will nicht lügen: Für mich ist das Sound, bei dem es schwer vorstellbar ist, dass es besser werden kann. Wahrscheinlich geht es, Technik entwickelt sich immer weiter, aber Quantensprünge halte ich hier für mich und meine Hörvorlieben, die Annäherung an eine Studioaussteuerung bevorzugen, die mit ganz viel Gespür für große Stage und Detail protzen geht, kaum denkbar.
Die Setups sind recht einfach: Ich habe für die Tests über Monate hinweg entweder am PC eine ASUS Essence One zusammen mit Tracks verschiedenster Quelle und Qualitäten genutzt. An der HiFi-Anlage sorgen ein Technics SU-3500 als etwas unterforderter Phono-Preamp und der Beyerdynamic A-20 Kopfhörerverstärker für die Leistung, um analoge Spiele-Soundtracks und ein paar andere Schätze auf einem Sony PS-HX500 - für den ich mich schäme, aber ich war alt und hatte das Geld - angemessen erklingen zu lassen.
Als ich sagte, dass ich alle Qualitätsstufen des Sounds ergründete, habe ich nicht gelogen, aber versucht mal Air Pavilions Kaizoku überhaupt zu finden, einen Anime-Soundtrack, der so obskur ist, dass es nicht mal ein Anime-Soundtrack ist und die Scheibe trotz einiger bekannter Bandmitglieder nicht mal auf Discogs gelistet wird. Da nimmt man dann, was man kriegen kann, und in dem Falle ist es rauschig, kratzig und glorreich, ungefähr so wie mein VHS-Tape von Galactic Pirates selbst. Mein Punkt dabei? Der Amiron kann Klangschrott nicht in Gold verwandeln, aber wenn es goldener Schrott ist, dann macht er hier noch mal mehr Spaß. So wie alles andere auch.
Um etwas sinnvoller und hochwertiger zu werden: Nymans Piano Concerto ist eines der schönsten Stücke moderner Klassik und eine Art Soundtrack ist es auch noch, also hier in der Doppelrolle für diesen Test. Diese Musik - 94er-Argo-Aufnahme - ist eine außerweltliche Erfahrung, bei der es eine Schande ist, dass es keine technisch vernünftige Hi-Res-Version gibt. Aber: Mit dem richtigen Setup und dem Amiron, das genau all die Stärken mitbringt, die es hier braucht, kann man fast glauben, dass das eben doch der Fall ist. Ihr habt den überbordenden Einsatz der Streicher, das nie seine Mission vergessende Klavier und den richtigen Einsatz aller Dramatik eines großen Orchesters und jetzt auch endlich so etwas wie eine räumliche Tiefe und Auflösung, die zwar hier und da an die Grenzen der Aufnahmequalität stößt, aber im Vergleich? Es ist so, als würde euch ein üblicher Kopfhörer wie ein Teufel Real Z zum Beispiel von einem atemberaubenden Bild erzählen und das auch eindrucksvoll. Ein guter Studio-Kopfhörer sagt euch "erlebt es selbst" und zeigt euch exakt was da ist. Doch das ist hier eben nicht das idealisierte Ideal und der Amiron sagt stattdessen "ich lasse dich das Bild erleben wie in deiner idealen Vorstellung aussieht". Hierbei fällt auf, dass gerade bei der etwas schwächeren, fast schon dumpfen Aufnahme die Reduktion der Hoch-Peaks des Amiron klar gegen den T90 gewinnt. Spitzen, die dort fast schon aus dem restlichen Sound zu sehr hervorstachen, bleiben nun eingefügt in das passende Gesamtbild und an ihrem Platz, an dem sie deutlich besser wirken können.
Das gilt auch für praktisch jede andere Art von Musik. Ein schöner Test, was fiese Spitzen angeht, ist das Streets of Rage 2 Vinyl-Remaster von Data Discs. Die Original-Chiptunes aus einem japanischen Mega Drive können einem, gerade lauter gehört, auch schon mal an den Nerven zupfen, so brillant Master Yuzo den Chip auch nutzte. Mit dem Amiron habt ihr einen sehr viel homogeneren Sound, der euch die Basslinien und andere Aspekte deutlich entspannter erleben lässt. Davon abgesehen: Wer hätte jemals gedacht, dass ein Streets of Rage mal so klingen würde. Retro ist manchmal super. Nehmt ihr dagegen eine andere Art von High-End, nämlich die 48/24-Dateien von Iced Earth Incorruptible, zeigen die Amiron, dass sie bei Tracks wie Clear the Way - fantastischer Song, auf jeden Fall anhören - auch durchaus Druck auf der ganzen Front aufbauen können. Ihr habt einen sehr sauberen Verlauf von unten bis oben mit allen Mitten, ohne dass sich etwas ungebührlich in den Vordergrund schieben würde. Die Bässe harmonieren in exzellenter Abstimmung mit der routinierten E-Solo-Power und die leisen Passagen geraten auch bei moderaten Lautstärken nicht ins Abseits. So muss Metal klingen. Wenn man es denn laut und technisch höchstwertig haben will. Als Abschluss, vor allem weil ich diese Tracks schon immer mal über so ein System hören wollte, gönnte ich mir die 96/24 von Muse The Resistance und ja, ihr habt Exogenesis 1 bis 3 nicht gehört, wenn ihr es nicht so gehört habt. Der Amiron hat eine unglaubliche Soundstage, die des T90 nun vielleicht nicht in den Schatten stellt, aber noch einen Schritt weiter geht, wenn die Tracks es hergeben. Gleichzeitig könnt ihr jeden einzelnen Ton exakt durch diesen weiten Raum mitverfolgen, sie ins Feinste aufdröseln und euch einzeln an ihnen erfreuen. Oder ihr hört einfach und habt Spaß. Denn das ist vor allem die Stärke der Amirons: Ein wenig den Zwang aus dem HiFi nehmen und euch einfach und direkt Sound erleben lassen.
Das beschränkt sich natürlich nicht auf Musik. Blade Runner - Blu-ray-TrueHD-5.1-Spur über ASUS Essence One DAC per Toslink auf 2.0 gewandelt - erschien der Lage angemessen, auch wenn der Film nun ein paar Jährchen auf dem Buckel hat. Und meine Güte, manche Dinge mögen gealtert sein, der Ton ganz sicher nicht. Die Geräusche der Stadt überfluten euch geradezu, von den seltsamen Sing-Sang-Tönen der Werbewände bis zum Brutzeln der Nudeln im Wok erlebt ihr diese Welt bis ins kleinste Detail. Ihr habt eine gewaltige Räumlichkeit, die in keiner Weise künstlich wirkt. Nahe Geräusche sind nah, ferne sind fern, ein guter offener Kopfhörer mag jetzt für jemanden, der mit im Raum sitzt und den Film nicht erleben will, nervig sein, aber euch ist das egal: Ihr seid im Sound-Elysium. Apropos Elysium, bleiben wir bei Scott und Gladiator habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Der erste Eindruck verfestigt sich und ich möchte Filme mit Kopfhörern nie wieder anders erleben. Ich saß in vielen Kinos, die trotz großer Boxenanlagen nicht diesen präzisen Eindruck von Weite hatten. Dazu kommt, dass sich der Amiron auch beim lauten Hören einfach nicht anstrengt. Die sauber rausgenommenen Spitzen lassen klanglich nichts vermissen, nur dass eben das Klirren der Schwerter auch nach Minuten nicht auf den Keks geht, selbst wenn ihr eine Lautstärke gewählt habt, die cineastisch richtig und otologisch bedenklich bis katastrophal scheint. Zum Schluss noch, um 30 plus Jahre an Scott abzurunden: Der Marsianer. Was soll ich sagen, Matt Damon hat beim Einpflanzen von Kartoffeln noch nie so dermaßen gut geklungen. Ein idealer Kopfhörer, um auch zu später Stunde noch einen Film so zu genießen, wie es sein sollte.
Und zum Schluss natürlich noch die Gaming-Tauglichkeit, aber da habe ich keine Zweifel. Was auch völlig berechtigt ist. Wieder einmal zeigt sich, wie atemberaubend das Sounddesign von Prey ist. Schaltet am besten die Musik gleich ganz ab und gebt euch in einem dunklen Zimmer im Schein des Monitors ganz den unterschiedlichsten Geräuschen der sterbenden Raumstation hin. Egal, ob es das entfernte Klappern einer verdächtigen Kaffeetasse ist oder das fauchende Zischen eines brennenden Gaslecks, das ist die ultimative akustische Immersion. Danach schloss ich die PS4 an den ASUS an und tauchte in den Cyberspace ab. REZ Infinite lebt von seinem Sound und gibt dank eines aberwitzigen Soundtracks alles. Es ist ein spannender Test der Bassleistung des Amiron und hier zeigt sich die Kraft der Bässe, die point blank zielen und wirklich tief gehen. Die 5 Hz sind wohl ernst gemeint. Aber es ist nicht das hirnlose Loshämmern eines Beats, es ist eine fast chirurgische Präzision, bei der nichts, aber auch gar nichts daneben schwingt oder gar verzerrt. Gaming-Ohrgasm pur und bis heute ein faszinierendes Spiel. Wenn ich jetzt noch wüsste, wo meine Child-of-Eden-Disc liegt...
Das nächste ist Space-Dauerfeuer und damit wieder die ganze Bandbreite aus Tiefen Explosions-Hämmern und vielen hochfrequenten Querschlägern, wenn die Space Marines in CoD: Infinite Warfare aufeinander losgehen. Tadellos, keine Schwächen, das Spiel ist erstaunlich gut ausgesteuert und die Amiron belohnen das prompt, alles zu eurem Vergnügen. Bleibt noch Pflicht und Kür mit Witcher 3 und wenn es um Soundstage geht, zeigt der Amiron noch einmal, was mit ein paar hundert Gramm Materialmix auf dem Kopf möglich ist. Eine akustische Welt breitet sich um euch herum aus, die viel weiter geht als diese Hörer, eure Zimmerwände und die sich dank diese fantastischen Treiber bis an den virtuellen Horizont erstreckt.
Was gibt es sonst noch?
Wie immer: Wenn ihr ein paar Hundert Euro für so ein Gerät ausgebt, dann... wisst erst mal, was ihr sonst nutzt. Ein guter Kopfhörer lebt von einer guten Quelle und eine vernünftige Soundkarte ist als Minimum Pflicht - siehe ZxR oder aufwärts. Und dann geht ihr los und hört euch den Amiron irgendwo an, bevor ihr kauft. Und dann hört ihr euch noch ein paar andere Geräte an, bevor ihr so viel Geld investiert. Zum Beispiel diese hier.
Beyerdynamic T90: Der Vorgänger wird zwar nicht mehr direkt vom Hersteller angeboten, aber das heißt nicht, dass es ihn nicht mehr gäbe. Und er sieht nicht nur besser aus als der Amiron, er kostet mit 400 Euro für neue Exemplare auch deutlich weniger. Der Sound ist fantastisch, aber der Amiron ist den Ticken in der Stage besser und verzichtet auf die etwas zu spitzen Peaks in den Höhen. Außerdem sitzt er noch bequemer als der T90, auch wenn das kaum möglich schien. Trotzdem auch ein toller Kopfhörer.
Sennheiser HD 700: Der wohl direkteste Konkurrent des Amiron mit sehr ähnlichen Klangeigenschaften. Ebenfalls ausgesprochen komfortabel, wenn auch haptisch etwas billig im Gefühl - jedenfalls nicht 500 Euro. In der Stage und Präzision der Mitten und Höhen steht er dem Amiron in nichts nach, aber er schwächelt ein klein wenig im Bass-Bereich. Hier fehlt schlicht der präzise Bass, den der Amiron bei den richtigen Tracks mitbringt.
Grado RS-2: Für 580 Euro bekommt ihr fantastisches Holz-Design, sehr leicht und elegant. Sehr überzeugender Sound, wobei er fast etwas zu scharf in den Höhen angreift, fast wie der T90. In der Stage nicht so ausgeprägt wie der Amiron, aber auf jeden Fall einen Versuch wert, allein schon, weil es der bequemste dieser Kopfhörer sein könnte. Und der schickste.
Beyerdynamik DT 990 Pro: Wenn ihr nicht so tief in die Tasche greifen wollt und nichts gegen den sehr neutralen Studio-Sound der Beyerdynamic-Klassiker habt, dann bekommt ihr hier für 150 Euro so viel und noch mehr Kopfhörer, wie es für dieses Geld wird. Hochwertige Verarbeitung und auch wenn sie nicht mit den filigranen Soundfeinheiten, der Stage oder Auflösung der anderen Hörer oben mithalten können, klingen sie doch besser als es für das kleine Geld möglich sein sollte.
My precious!
Der Amiron nimmt alles, was ich am T90 liebte, schleift es auf Perfektion und beseitigt ein paar der Kleinigkeiten, die man ihm als schlechter Mensch ankreiden konnte. Lediglich das Design ist ein Schritt zurück und wenn dieses hier "mit der Zeit gehen" heißt, dann bleibe ich gerne mal stehen. Nicht dass die Amiron hässlich wären, in keiner Weise. Aber die T90 sahen außergewöhnlich gut aus. Was soll es, ich sehe sie ja nicht, wenn die Amiron auf dem Kopf sitzen, und spüren tue ich sie auch kam, denn die Bequemlichkeit wurde noch einmal gesteigert. Der Sound selbst... Ich habe teurer versucht, es gibt mir nicht, was ich hier bekomme. Wie schon beim T90 sind die Stage und die Detailauflösung der Fokus und der Amiron schafft es, seinen fast schon legendären Vorgänger leicht zu überbieten.
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Der generelle Sound ist schlicht das, was ich freundlich auf dem höchsten Niveau nennen würde. Er fordert euch nicht heraus, euch in die Feinheiten einzuarbeiten, ihr setzt die Amiron auf und taucht in Klangwelten ab, ohne dass eine Leistung von euch über das Zuhören hinaus gefordert wird. Die sanfteren Hoch-Spitzen umschiffen anstrengendere Passagen, ohne dabei etwas an Klangqualität einzubüßen, ihr treibt auf den Mitten wie ein glücklicher Poolnutzer auf seinem Gummiring mit einem Mojito in der Hand und die Bässe wissen von dem, was sie tun, mehr als ihr je erahnen könntet. Das leisten sie dann über praktisch das gesamte Genrespektrum der drei Medien Musik, Film und Spiel hinweg und eignen sich so als Allrounder der Extraklasse. Wenn ich an etwas kritteln würde, dann reduziert sich das wirklich auf das eher langweilige Design und den absurden Preis für ein alternatives Anschlusskabel. Die Amiron selbst? Perfektion.