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Beyond Good & Evil HD

Der Segen der späten Geburt

Im Grunde könnte ich euch an dieser Stelle auf meine Vorschau zu Beyond Good & Evil von vor zwei Wochen verweisen, in der ich bereits eine vorauseilende Kaufempfehlung für den Titel ausgesprochen habe. Damit wäre meine Arbeit aber nur halb erledigt. Bei so einem Spiel wollen wir – und wer nicht will, ist herzlich eingeladen, wegzuklicken – noch ein wenig ins Detail gehen. Es soll ja immerhin auch Leute geben, die das erste Mal mit dem Kauf dieser Perle liebäugeln.

Das liegt zum einen daran, dass Michel Ancels progressives Action-Adventure seinerzeit im hart umkämpfen Weihnachtsgeschäft mit Pauken und Trompeten untergegangen ist – wofür sich Ubisoft mittlerweile selbst schuldig fühlt. Zum anderen aber, und da muss man der mit ersten grauen Haaren gespickten Realität ins Gesicht blicken, sieht das Spiel jetzt einer komplett neuen, jüngeren Generation von Gamern entgegen. Acht Jahre sind eine lange Zeit und viele der heutigen potentiellen Käufer prügelten sich 2003 noch mit Plastikschippchen und Schnabeltassen um Bobby Car und Co. Nichts für ungut.

Hier also die gebotene und gebührende Zusammenfassung des HD-Remakes von Beyond Good & Evil: Der Titel stammt aus der Feder des Rayman-Erfinders Michel Ancel und erschien damals zunächst für GameCube, PS2, Xbox und PC. Im Kern handelt es sich um ein relativ traditionelles Action-Adventure Zelda'scher Prägung, obendrein eines, dessen zentrale Mechaniken nicht allzu knifflig oder tiefgründig sind.

Charakter- und Figurendesign haben großen Wiedererkennungswert. In einer gerechteren Welt wäre Jade zum Star geworden.

Allerdings hat Ubisoft ohne es zu ahnen einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Videospiele geschaffen. BG&E verwob schon damals Story und Spiel in einem Maße, wie es noch heute Vorbild für viele Triple-A-Produktionen ist. Der Vergleich zu Enslaved klang ja im letzten Bericht bereits an, aber auch Titel wie Uncharted erkennt man in diesem Spiel stellenweise wieder.

Es ist das Bild von einem großen, temporeichen Abenteuer und starken, liebenswürdigen Figuren, das BG&E mit seinen modernen Artgenossen eint. Die Schöpfer schicken euch durch eine Welt, in der ihr nur selten einen Schritt zurück tut, und werfen euch damit immer wieder in neue Situationen. Hier ist nichts stärker als der Ruf des nächsten Raumes, der nächsten Etage und der nächsten Enthüllung. Welt und Charaktere spielen hier die Hauptrolle – und sie spielen sie ausnehmend gut.

Die Welt, das ist der wässrige Planet Hyllis mit seinen fliegenden Fischen und den damals wie heute so fabelhaft aussehenden Ozeanen. Hier wohnt die Reporterin Jade, die in der Obhut des liebenswerten Schweinewesens Pey'j aufgewachsen ist. Sie hat in ihrem Leuchtturm mittlerweile selbst ein Rudel Waisenkinder um sich versammelt und eigentlich ist das Leben auf ihrem Eiland nicht zu verachten. Wenn da die Domz nicht wären, knöchrig-ekelige Außerirdische, die mal hier, mal dort aus dem All in die Welt einfallen. Die Truppen der dubiosen Alpha-Division scheinen jedenfalls keine dauerhafte Lösung gegen die Invasoren zu finden.

Ancel und Team waren ganz vorne dabei, wenn es darum ging, mit sparsamen Mitteln eine Geschichte zu erzählen. Oft reicht eine Ingame-Einstellung, wo andere Designer minutenlange Zwischensequenzen brauchen.

Viel mehr als fünf Minuten braucht das Spiel nicht für eine der wirkungsvollsten Expositionen in der Spielegeschichte: Eine Jade, die verzweifelt versucht, ihre Schutzbefohlenen vor Monstern zu retten. Ein Energieschild, der ausfällt, weil sie die überteuerte Rechnung nicht bezahlen konnte. Und ein Schwein auf zwei Beinen, das im rechten Moment zur Hilfe kommt. Man mag diese Leute auf den ersten Blick, ist sofort drin im Spiel und will wissen, wie es weitergeht.

Ganz einfach: Spannend und mit einem tollen Rhythmus geht es weiter, denn Jade deckt, meist in Begleitung von Pey'j oder einem Agenten des Iris-Netzwerks, eine weltumspannende Verschwörung auf, in deren Zentrum die Domz die Fäden ziehen. Trotz aller Weite der offen angelegten Oberwelt, auf der man mit einem alten Hovercraft über die Wellen von Insel zu Insel prescht, bewegt man sich relativ zielstrebig durch die Geschichte. Eine nicht allzu rigide, aber doch wirkungsvolle Struktur erhält das Spiel durch das Perlen-System. Diese funkelnde Währung erhaltet ihr für das Erledigen von Endgegnern und anderen großen Domz. Nebenher fahrt ihr aber größtenteils optionale zusätzliche Klunker für Siege in Hovercraft-Rennen oder für das Entdecken und Fotografieren der breit gefächerten Fauna von Hyllis ein.