Bionic Commando Rearmed 2
Die absolute Härte sind Oberlippenbärte
Manchmal kommt es so ganz anders, als man sich das vorgestellt hat – und Capcom kann davon ein Liedchen singen. Das neue Bionic Commando für die HD-Konsolen sollte groß rauskommen: Das wilde 3D-Actionspiel mit seinem in Fokusgruppen getesteten Dreadlock-Helden sollte die alte 8Bit-Reihe im großen Stil modernisieren und wiederbeleben. Doch am Ende interessierten sich nur wenige Spieler für den Reboot, das scheinbare Nebenprodukt, ein Download-Only-Remake des famosen NES-Bionic-Commando, war dagegen auf einmal in aller Munde...
Neben dem großen HD-Abenteuer arbeitete ein kleines Team ganz in Ruhe und ohne Druck von Marketing- und PR-Abteilung an diesem bis heute vorbildlichen Klassiker-Remake. Trotz Polygon-Grafiken und Widescreen-Optik konnte Bionic Commando Rearmed den Flair des 8Bit-Vorbilds perfekt einfangen, ging beim Schwierigkeitsgrad keine Kompromisse ein und bestach mit einer herrlich überdreht-albernen Story, wie sie vor gut 20 Jahren in Videospielen noch Gang und Gäbe war: Ein Sleeper-Hit war geboren. Kein Wunder also, dass uns nun dessen Fortsetzung ins Haus steht. Dieses Mal ist Entwickler Fatshark, der sich teilweise aus ehemaligen Mitgliedern des mittlerweile aufgelösten Studio GRIN zusammensetzt, aber auf sich allein gestellt: Bionic Commando Rearmed 2 kann sich nicht auf ein 8Bit-Vorbild berufen.
Nicht nur deswegen hat sich Nathan „Rad" Spencer für seinen neuen Auftritt so richtig fit gemacht. Er ließ sich nicht nur einen prächtigen Oliba wachsen (schließlich hat der alte Snake kein Patent auf den kernigen Burt-Reynolds-Look!), auch einen komplett neuen Trick hat er sich zurechtgebogen: Euer Held kann seit neuestem springen! Klar, für Burschen wie Mario oder Sonic ist die Hüpferei normaler Alltag, für Nathan aber schon eine ganz schöne Leistung, bestritt der doch immerhin sein erstes Spiel auch komplett ohne irgendwelche Hüpfereien.
Was die Sache so witzig macht: Streng genommen ist das neue Sprung-Element für das Spiel fast vollkommen unerheblich. Und trotzdem möchte man den kleinen Hopser schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen. Das ohnehin schon hervorragende Spielgefühl wird dadurch einfach noch ein Quäntchen besser und flüssiger als im Vorgänger. Genau wie dort ist auch hier der Spielrhythmus einfach vorbildlich. Laufen, Deckung suchen, schießen, schwingen – all diese Aktionen gehen herrlich mühelos von der Hand und fühlen sich einfach gut an. Natürlich dauert es einen Moment, bis ihr euch an die Physik eures Greifarms gewöhnt habt, aber nach zwei bis drei Levels geht euch das spielentscheidende Element direkt ins Blut über.
Das ist auch gut so, denn wäre das nicht der Fall, würde der hohe Schwierigkeitsgrad so manchen Spieler gnadenlos in die Knie zwingen – genau wie der Vorgänger auch ist das neue Bionic Commando so richtig schön schwer, aber gleichzeitig stets fair. Geht ihr drauf, dann ist das eure Schuld. Erledigt euch ein Boss, dann wart ihr zu ungestüm oder unvorsichtig. Im Vergleich zum Erstling ist Bionic Commando Rearmed 2 zwar etwas entgegenkommender, erwartet aber dennoch keine Gnade: Ohne die richtige Taktik und das nötige Fingerspitzengefühl wischen insbesondere die kniffligen Endgegner den Boden mit euch auf.
Und noch eines muss man dem neuen Bionic Commando konstatieren: Es sieht einfach verdammt gut aus. Der gut 1,5 Gigabyte große Download strotzt nur so vor schicken Effekten und detaillierten Hintergründen. Auch als Disc-Titel würde das neue Bionic Commando eine Top-Figur machen. Eine Extra-Erwähung verdient dabei auch der Soundtrack: Der mischt gekonnt moderne Sounds mit klassischen Chiptunes und bietet den perfekten Klangteppich für ein Abenteuer, das aufs Herrlichste moderne Technik mit bewährten Spieldesign-Tugenden verknüpft. Gut, das Gameplay-Rad wird dabei nicht neu erfunden, aber das muss ja auch nicht immer sein.
Genauso männlich-markant wie die neue Gesichtsbehaarung des Helden gibt sich auch der Rest des Spiels. Spielbarkeit, Sound, Grafik, Levelaufbau: Hier stimmt alles. Die Stages sind herrlich verzweigt aufgebaut und laden zum Erforschen ein, die Gegner sind tückisch platziert, der Sprung ist eine unaufdringliche, willkommene Neuerung und die Schwing-Physik fühlt sich sogar ein Stück besser an als beim Vorgänger. Mochtet ihr den, dann wird euch auch Teil 2 in höchstem Maße beglücken, gerade weil er seinen Wurzeln so treu bleibt. Habt ihr dagegen keinen Sinn für harte 2D-Spiele der alten Schule, dann wird da wohl auch dieses Bionic Commando nichts dran ändern.
Bionic Commando Rearmed 2 ist ab sofort für Xbox Live Arcade und im PlayStation Network erhältlich. Die MS-Variante ist für 1.200 Microsoft-Punkte (ca. 15 Euro) zu haben, die PSN-Fassung kostet ebenfalls 14,99 Euro.