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Bionic Commando Rearmed

Griffig

Dafür sorgt allein schon die liebevolle Aufarbeitung der Optik. Bunt und trotzdem geschmackvoll, eine Verneigung vor dem Original, ohne sich sklavisch daran zu halten. Genauso das freche Neuarrangement der Musik. Ich habe noch nie eine so perfekte Symbiose von 8-Bit Elementen gemischt in einen Mix der alten Melodien in moderner Komposition gehört. Ihr könnt es über den iTunes-Store kaufen. Ihr solltet es tun. Enigmatisch, zeitgemäß, ein kleiner Genuss für sich, eine eigene Art von Retro-Avantgarde.

Weniger inspiriert war man bei Capcom, wenn es um die Minispiele zwischen den eigentlichen Levels geht. Schlicht dämlich ist das Spiel zum Hacken der feindlichen Computer, über die Ihr regelmäßig stolpert. Ihr seht einen durchsichtigen Würfel, den Ihr so drehen müsst, dass ein kleines Elektron von Hindernissen abprallt, um schließlich den grünen Block zu treffen und endlich eine Tür zu öffnen oder ein Infohäppchen zu präsentieren. Es ist ein langweiliges, belanglosen und rundherum nerviges Puzzlespielchen, das nichts in einem Action-Fest verloren hat.

Das kann von den Top-Down-Sequenzen nicht gesagt werden. Beim Wechsel zwischen den Abschnitten landet Euer Hubschrauber von Zeit zu Zeit auf einem Laster, der eine kleine Commando-artige Shootersequenz startet. Der erste Anlauf bringt Laune, beim dritten Mal fällt deutlich auf, wie einfach diese Abschnitte gerieten, beim fünften Durchgang macht sich gepflegte Langeweile breit. Zumindest könnt Ihr hier recht leicht ein paar Extraleben abstauben, so dass es wenigstens einen Grund gibt, die milde Drögheit nicht gänzlich zu verfluchen.

Bionic Commando Rearmed-Gameplay

Sicher, diese Abschnitte gab es auch im Original, aber bei den Endgegnern gibt es doch auch einen Wandel zum frischen Design. Ein Schwachpunkt des NES-Spiels waren die eher einfallslosen Oberfieslinge, die man für Rearmed kurzerhand kickte. Statt ihrer erwartet Euch eine Horde ausgetüftelter Bastarde, die echte Kniffe im Umgang mit dem Greifer verlangen. Und mit zu den besten Bossen der letzten Jahre gehören. Fair, aber herausfordernd, Euch Niederlagen bescherend, bevor Ihr dann einen Sieg erringt, der es wert ist, kurz genossen zu werden. Und der finale Boss verwandelte sich von einem einfachen Raumschiffchen zu etwas, das praktisch ein eigener, überwältigender Level ist.

Einer, den Ihr sicher gern im CoOp bestreiten werdet. Zu zweit hangelt und ballert es sich kompromisslos gut. Bionic Commando scheint für einen solchen Modus geschaffen und zwei geübte Spieler werden sich schnell und sicher um die üblen Schergen kümmern. Nur schade, dass sich dieser Modus, genau wie das knackige Deathmatch-Vergnügen für vier Spieler, lediglich offline betreiben lässt. Sehen wir es als Reminiszenz an die Zeit, in der wir uns glücklich mit zwei Pads im Licht des Röhrenfernsehers versammelten.

Einer der neuen Bosse. Das NES wäre mit ihm vielleicht überfordert gewesen.

Und Hitlers Kopf zum krönenden Finish mit einem Raketenwerfer explodieren ließen. Bionic Commando war ein echtes Kind der 80er Rambo-Reagan-Ära, in der Männer noch Männer, Muskeln noch Muskeln und Vin Diesels Kindermachismo noch weit entfernt war. Diese Art expliziter, politisch korrekter Gewalt findet Ihr nicht mehr ganz so zelebriert im neuen Jahrtausend und auch nicht in Rearmed. Statt echter Nazis gibt es jetzt ideologisch androgyne Protoschurken neutralen Aussehens mit nordkoreanischem Militarismusappeal. Gut, dass sie immer noch die Welt versklaven wollen, sonst hätte ich sie für Marines halten können. Aber keine Sorge, auch das neue Ende enttäuscht nicht. Selbst wenn es nicht ganz so drastisch ausfiel.

Habt Ihr dann alles durch, wird Euer Blick vielleicht noch auf einen kleinen, unscheinbaren Menüpunkt fallen: Der Puzzelmodus. 56 fiesliche Räume, jeder mit seinen eigenen Tücken und einem knackigem Zeitlimit bieten schon fast ein eigenes Spiel im Spiel. Bockeschwer, aber sehr reizvoll. Eine geringere Softwareschmiede hätte das glatt als eigenes Spiel verkauft. Und das nicht einmal ganz ungerechtfertigt.

Mit Bionic Commando Rearmed gelang Capcom ein Remake, wie es sein muss: Sinnvolle Verbesserungen, wo sie spielerisch nötig waren und dabei den alten Charme komplett erhalten, ohne das Erlebnis wie einen Besuch im Museum der Helden von Vorgestern wirken zu lassen. Sicher, Ihr müsst mehr leiden als bei den meisten neueren Action-Titeln, aber es ist ein gutes Leiden. Schwer, fair und auf eine aktuelle Weise Retro. Und damit nicht nur für Fans von früher, sondern für alle von Euch, die eine knackige Kampfansage zu schätzen wissen.

Bionic Commando ist für PC, Xbox 360 und PS3 als Download zu haben. 800 Punkte auf der Box, ca. 10 Euro für die PS3-Version (derzeit im US-Shop) und 15 Dollar im Capcom US-Store für PC-Spieler.

8 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Bionic Commando Rearmed

PS3, Xbox 360, PC

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