BioShock 2
Vaterfreuden
So richtig wehrhaft fühlt man sich erst, wenn man sein Erbgut mit dem dritten oder vierten Plasmid veredelt hat und den monströsen Drill (der dem Nahkampf einige nette Facetten verleiht, wenn sein Tank nicht gerade leer ist), Nietengewehr, Speerkanone und einige der anderen nun zwei Schuhgrößen mächtiger ausgefallenen Waffen sein Eigen nennt. Das passiert bereits binnen der ersten vier Stunden. Hat man dieses Arsenal beisammen, leuchten die Gefechte in Sachen Intensität auf einmal auf wie ein Christbaum. Man experimentiert, improvisiert und wird dem durchgeknallten Fußvolk trotz der allgegenwärtigen Munitionsknappheit immer besser Herr.
Doch auch die Gegner rüsten auf. Das beginnt bei den bekannten Spider Splicern, die sich von der Decke fallen lassen, setzt sich in den Brute Splicern, die an den Tank aus Left 4 Dead angelehnt zu sein scheinen, fort und endet noch lange nicht bei den anderen Big Daddys, die immer noch eine gewaltige Bedrohung darstellen. Letzteren setzen die Big Sisters noch einen drauf, die Kristian in seiner letzten Vorschau schon sehr treffend beschrieben hat. Eine Begegnung mit einer dieser kreischenden Turbo-Ausgabe der wandelnden väterlichen Panzer gipfelt immer in einer knallharten Materialschlacht am Rande der Niederlage. Schwitzige Finger inklusive.
Noch interessanter werden die Kämpfe, wenn man kurz zuvor die neue Filmkamera anwirft und unter deren flimmriger, flackernder Linse verschiedene Waffen an den Feinden ausprobiert. Dadurch erspielt ihr euch Waffenboni dieser Feindesgattung gegenüber. Ihr riskiert aber im Gegenzug auch, ordentlich auf den Helm zu bekommen, wenn ihr erst das Gerät anwerft und dann wieder zur Waffe eurer Wahl wechselt.
Die später immer offeneren Leveldesigns, die nun glücklicherweise nicht mehr durch die Knobel-Hackerei unterbrochen werden - hier gilt es, ein flottes Reaktionsspiel zu lösen, bei dem ihr einen schnell über grüne und rote Bereiche schweifenden Instrumentenzeiger an den richtigen Stellen stoppen müsst -, setzt 2K Marin außerdem gekonnt einige gestalterische Glanzpunkte, die auch dem Vorgänger zur Ehre gereichen würden.
Zudem ist sich das Spiel nicht zu schade, einige dieser wunderbar kaputten Abschnitte bis unter die Decke zu fluten, was immer in sehr spannungsgeladenen Situationen gipfelt. Und zur gleichen Zeit eine schlüssige Erklärung liefert, warum es in BioShock 2 kein Backtracking gibt. Das Einzige, was mich vom Ablauf her noch ein bisschen skeptisch stimmt, ist die Art und Weise, wie ihr mit den Little Sisters umgeht. Diese „adoptiert“ ihr gewaltsam von anderen Big Daddys, begebt euch dann auf die Suche nach Leichen, die randvoll mit dem kostbaren ADAM sind, der Substanz, mit der ihr euch eure Upgrades verdient. Dann setzt ihr die Sister ab und lasst sie ihre Arbeit machen.
Natürlich spawnen daraufhin jedesmal Splicer in der Umgebung, die ebenfalls an das ADAM wollen. Im Prinzip haben wir hier das BioShock-Equivalent einer „halte-xx-den-Rücken-frei-während-er-yy-macht“-Mission, die einem in weniger guten Spielen so maßlos auf den Senkel gehen können. Das gilt es, für jede der zwei bis drei Little Sisters pro Areal (jedenfalls in den Bereichen, die ich spielen konnte) zwei Mal zu absolvieren, bevor ihr sie an einem der typischen Ausgangsröhren entweder befreien oder „ernten“ könnt.
Natürlich bleibt es euch überlassen, wie vielen der Mädels ihr bei der ADAM-Beschaffung helft, aber ihr seid nun mal auch zu einem nicht unerheblichen Grad darauf angewiesen. Immerhin sind entsprechende ADAM-Leichen immer an strategisch interessanten Stellen platziert, sodass ihr das Gebiet mit eurer Fallenmunition und entsprechenden Plasmiden stets absichern könnt, bevor ihr das mutierte Kind seine Arbeit machen lasst. Trotzdem könnte sich dieser Aspekt des Spieles abnutzen und in Fleißarbeit ausarten. Wir werden in der Vollversion prüfen, wie sich das weiter verhält.
In dem gefühlten ersten Drittel von BioShock 2, das ich gestern zu Ende gebracht habe, stellte sich dieses Gefühl jedenfalls (noch) nicht wirklich ein. Stattdessen überwog Neugierde darauf, wen ich hier eigentlich verkörpere, wer mir wohl dieses Mal am Ende der Story in den Rücken fallen wird und welchen Plan Lamb da eigentlich verfolgt. Die religiösen Untertöne, die in der Geschichte schon jetzt durchklingen, stellen außerdem einen interessanten Twist zu den Idealen des Unternehmers Andrew Ryan dar.
Es gibt sie eben doch, die tollen, erinnerungswürdigen Spiele, die euch nicht unbedingt mit einem großen Knall ins Spiel werfen müssen, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Manche beginnen sogar mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze.
BioShock 2 erscheint am 9. Februar.