BioShock Infinite: Seebestattung, Episode 1 - Test
Eine Beerdigung, der man gerne beiwohnt.
Diese Sorte DLC ist immer schwierig zu bewerten, denn sagen wir es gleich vorweg: Mehr als drei Stunden wird man hiermit vermutlich nicht beschäftigt sein. Und das gilt dann auch eher für Leute, die auch das letzte Audio-Log und den letzten Ausrüstungsgegenstand noch finden wollen. Dann wiederum, der Season Pass kostet 20 Euro. Wenn man davon ausgeht, dass Seebestattung Episode 2 weitere zwei bis drei Stunden dranhängt und man noch die eine oder andere Runde in der passablen, aber sicher nicht weltbewegenden Horde-Schießerei Clash in the Clouds verbrachte, relativiert sich das recht hoch gehängte Preisschild wieder ein wenig.
Dennoch, man muss schon etwas übrig haben für die schlückchenweise Verlängerung des Basisspiels, daran führt in Seebestattung, Teil eins kein Weg vorbei. Und noch eine andere Voraussetzung sollte man erfüllen: Man sollte noch nicht allzu sehr die Nase voll haben vom schonungslosen, aber mittlerweile etwas stumpfen Kampfsystem der BioShocks. Auf eurem Weg, als Booker DeWitt im Auftrag von Elizabeth in einem Rapture vor dem Fall ein verschwundenes Mädchen zu finden, erlebt ihr die Stadt für 20 bis 30 Minuten von ihrer lebendigen Seite, auch wenn ihr stellenweise nicht wisst, ob ihr nun das auf Hochglanz polierte und wertbefreite Eliten-Ringelreihen grusliger finden sollt oder das, was mal daraus werden soll.
Allzu lange denkt ihr allerdings nicht über die durchaus faszinierende neue Perspektive auf diese Spielwelt nach, die dieser vergangenen Generation so sehr ihren Stempel aufdrückte. Denn schon bald landet ihr in der Splicer-Hölle des von Andrew Ryan versunkenen Einkaufszentrums Frank Fontaines. Hier ist dann auch ganz schnell 'business as usual' angesagt, wenn ihr wie manisch jede herumliegende Handtasche, geplünderte Kasse und jeden randvollen Mülleimer nach Münzen, Essbarem oder Eve durchwühlt. Ich mag das spielerische Korsett immer noch genug, um mich für drei weitere Stunden dem exzellenten Art-Design hinzugeben und ab und an meine rustikalen Schießeisen oder bekannte Plasmide wie Shock Jockey, Teufelskuss und Konsorten sprechen zu lassen. In Rapture läuft eben alles über diese eigenartige Stimmung, obwohl man sich durch die scheinbar wahllos verstreuten Ressourcen einmal mehr zum Sonderling erziehen lässt. Im nächsten 'großen' BioShock muss sich in dieser Hinsicht so langsam etwas tun.
Im Hier und Jetzt verlagert sich die Balance der Kämpfe auf jeden Fall wieder etwas mehr ins kühle Nass des ersten BioShock, in dem Fallen und das Lesen der Situation eine größere Rolle spielten. Stealth ist zu einem gewissen Teil möglich, aber bei der Menge an Gegnern selten über die ersten ein bis zwei Attacken hinaus effektiv. Es lohnt sich trotzdem, um die Chancen ein wenig zu euren Gunsten zu verschieben. Hier und da wurden sogar einige Skylines integriert, mit denen man das Tempo der Kämpfe bei Bedarf deutlich anziehen kann. Der Sprung-Angriff von diesem hängenden Schienensystem herab ist einmal mehr vielleicht eine Idee zu mächtig, aber es hilft gerade in dem Fall, dass man sich dieses Abenteuer ohnehin eher wegen der Geschichte gibt.
Und die liefert tatsächlich Grund genug, sich auf Irrationals erstes Experiment in Sachen episodisches Erzählen einzulassen. Wo der spielbare Anteil von Seebestattung im Grunde einfach nur "Mehr" in neuer Verpackung ist, da imponiert durchaus, wie ausdrucksstark Elizabeths Antlitz animiert, wie toll die Dialoge gesprochen und wie packend erneut die Geschichte geschrieben ist. Irrational bekommt es mal wieder hin, einem mit dem Finale unerwartet, wenn auch vielleicht etwas früh den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Im Grunde rechtfertigt das Ende im Alleingang die Existenz von Seebestattung. Fast hat man das Gefühl, dass der Sticker 'DLC' für so eine elaborierte Wendung ein bisschen wie eine Beleidigung klingt.
Trotzdem steht die Note hier unter Vorbehalt. Denn wenn Episode 2 nicht noch ein paar dringende Fragen beantwortet, die diese hier aufwirft, fällt die neue BioShock-Narrative vielleicht doch noch in sich zusammen, wie ein Haus aus nass gewordenen Karten. Ich freue mich darauf, es herauszufinden, denn schon jetzt ertappe ich mich regelmäßig dabei, wie darüber nachdenke, was hier gerade passiert ist.