Bioshock Infinite: Seebestattung, Episode 1 will das Hufenscharren der Fans beenden
Ein Plädoyer für und gegen Season Passes zugleich.
BioShock Infinite war bisher ein leuchtendes Beispiel dafür, warum Saison-Pässe vielleicht nicht unbedingt eine komplett miserable Idee, aber zumindest nicht für jede Sorte Spiel geeignet sind. Das Spiel mit der phänomenalen Geschichte ist seit Frühjahr draußen, aber lange hörte man nichts über die geplanten Zusatzinhalte. Man bekam das Gefühl, dass Irrational selbst nicht so genau wusste, wie und in welcher Form sie die Unterstützung nach dem Launch angehen sollten. Möglich, dass spätestens mit der Veröffentlichung des ein bisschen egalen Horde-Geballers von Clash in the Clouds einige Abonnenten ihre Lektion gelernt haben, nicht mehr die Katze im Sack zu kaufen. Aber vermutlich bleibt das ein frommer Wunsch.
Letzten Endes könnte es ohnehin gut sein, dass die Käufer durch Irrational ihre Investition im Nachhinein noch gerechtfertigt sehen. Denn Seebestattung - im Englischen als 'Burial a Sea' tituliert - nimmt sich doch bisher ziemlich faszinierend aus, wie ich letzte Woche beim Lokaltermin in einem Berliner Hotel feststellen konnte. Und wenn die vorgestreckten Erlöse der Grund dafür sind, dass das Team so frei und unbesorgt vor sich hin entwickeln kann, dann hat das sicher auch etwas für sich. Ich habe das Gefühl, dass diese Diskussion wohl nicht mit diesem Spiel schlüssig entschieden wird.
Der Titel selbst geht unterdessen in mehrfacher Hinsicht zurück nach Rapture. Eine in bester Noir Femme-Fatale-Manier aufgebrezelte Elizabeth kommt in Bookers Büro in der Unterwassermetropole am Abend vor dem Massaker, das die Stadt einst zu einer Splicer-Hölle machte. Er soll jemanden für sie finden. Ein Mädchen. Viele Detektivgeschichten fangen so an und enden meist in Tränen.Die Unmittelbarkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der Irrational die beiden Figuren einfach aus ihrem bekannten Umfeld reißt und sie in ein anderes steckt, fesselt vom ersten Moment an. Man hängt Booker und Elizabeth förmlich an den Lippen, hat man doch noch lebhafte Erinnerungen daran, wie feinfühlig Levine und sein Autorenteam im Basisspiel doch schon früh Hinweise auf den späteren Verlauf der Handlung einstreute. Man rätselt, sucht und grübelt, wie sie einen wohl diesmal überraschen, spielt auf einmal selbst Detektiv.
Alles umweht das Gefühl, dass hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Booker kennt das gesuchte Mädchen offenbar - oder auch nicht? Und warum kommt Elizabeth damit zu ihm? Durch die Brücke, die der DLC gleich zu Beginn in Richtung des Vorgängers schlägt (auf einer Skala von 1 bis 10, wie umschwimme ich die Spoiler bisher?), passt der unwirkliche Auftakt bestens ins Bild des so exquisit konstruierten Infinite-Universums. Man will um jeden Preis wissen, wie es weitergeht: Um mehr Zeit mit den Figuren zu verbringen, um mehr von Rapture zu sehen.
Was man sieht, überrascht durchaus, denn dieses Rapture hat mit dem aus dem ersten und zweiten Teil augenscheinlich nur wenig zu tun. Es ist ein lebhafter, grenzenlos überkandidelter, selbstgerechter Zirkus, der zugleich fasziniert und anekelt. Der Ort sprüht vor Leben, den Leuten geht es gut, auch wenn man schon eine ganze Schulklasse von Little Sisters schaurigen, aber harmlosen Übungen nachgehen sieht. Booker und Elizabeth wollen zum Künstler Sander Cohen vordringen, der etwas über die verschwundenen Mädchen wissen könnte. Allerdings braucht man eine Einladung, um Zutritt zum Zirkel des gefährlichen Paradiesvogels zu erhalten.
Dumm nur, dass man die nur in Form von Masken erhält und Booker hat natürlich keine bekommen. Zum Glück sind unter den Adressaten aber drei Läden auf der Flaniermeile in der Nähe von Bookers Büro. die an verschiedene Läden auf der Flaniermeile geliefert wurden. Das Bühnenbild, das einem Irrational hinstellt, überzeugt einmal mehr, auch wenn diese Schnitzeljagd im Ergebnis zu einer etwas langweiligen, wenngleich mit guten Dialogen gesegneten Quest durch drei Geschäfte führte. Jedes Mal spielte Elizabeth den Lockvogel, damit sich Booker ungestört im Hinterzimmer umsehen konnte. Rein zufällig fand ich die gesuchte Maske natürlich erst im letzten der drei besuchten Läden. Wie das so ist, mit 'Konstanten und Variablen' in Videospielen ...
Danach geht das Spiel aber ganz schnell in den typischen Bioshock-Modus aus Erkunden und Kämpfen über, der ihm besser zu Gesicht steht, als Such- und Sammelquests. Interessanterweise kennt nämlich selbst das noch blühende Rapture schon eine Splicer-verseuchte Unterwelt: Ein Teil der Stadt ist nach einem Anschlag zerstört und vom Rest des maroden Utopias abgekapselt. Vom Tempo her ist dieser Zusatzinhalt dabei genau so eine Art Heimkehr wie er es thematisch ist. Von den frenetischen und oft unübersichtlichen Massenschießereien eines Infinite war in der halben Stunde, die ich spielte, nichts zu sehen. Stattdessen gibt es endlich wieder früh einsehbare Arenen, in denen ihr mit Fallen und durch Ausnutzung der Umgebung euer Vorgehen planen könnt. Mir persönlich gefiel deutlich besser, was ich an Kämpfen spielte, als das zermürbende Dauerbombardement durch immer bunter durchgemischte Gegnerpulks. Und da Rapture sogar durch ein Skyline-artiges Schienensystem aufgewertet wurde, hat man hier das Beste beider Welten zwischen den Fingern.
Letzten Endes ist aber ohnehin nicht der Spielanteil der Grund, warum es tatsächlich Leute gibt, die ungesehen 20 Euro für DLC hinlegen. Vielmehr sind ihnen dieses Universum und die Geschichten, die darin erzählt werden, ans Herz gewachsen. Burial at Sea, dessen zweite Hälfte demnächst aus Sicht von Elizabeth erlebt wird, steht und fällt letzten Endes mit der Qualität seiner Handlung. Bekommen wir hier einen unterhaltsamen, aber singulären Twilight-Zone-artigen Nachschlag im bekannten Anstrich, oder nutzt Irrational den DLC, um diese Welt um maßgebliche Facetten zu bereichern? Es sieht nicht danach aus, als ginge beides, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren - auch wenn ich mich mit Saison-Pässen in handlungsgetriebenen Spielen wohl nie anfreunden werde.