BioShock Infinite
Wo geht's hier zur Unendlichkeit?
Anstatt durch Tunnel von einem Bereich zum nächsten zu gelangen, hängt sich der Spieler mit einem Haken am Ärmel seines Nadelstreifens in ein kilometerlanges Schienensystemen ein – Szenen, in denen das absolut atemberaubende Design der Stadt durch eine gigantische Sichtweite noch an Glaubwürdigkeit gewinnt. Wie schon Rapture akzeptiert man auch diesen – vergleichsweise noch gewagteren – Ort schon nach wenigen Schritten voll und ganz und stellt sich die Frage, wie ein solches Bauprojekt überhaupt möglich sein kann, gar nicht mehr.
Doch Infinite legt noch eine Schippe drauf. Im Laufe des Demo-Abschnittes passiert nämlich Unheimliches und Unerklärliches, das man problemlos auch verpassen kann, wenn man nicht genau hinsieht: Einige textile Banner verändern wie von Geisterhand ihr Aussehen, das Motiv eines Gemäldes ist auf einmal ein anderes und selbst das Gesicht eines der Bewohner von Columbia wabert einen Moment verstörend, kurz bevor er seinen vorher noch stoisch die Krähen fütternden Bekannten „Charles" gebietet, Booker anzugreifen. Es spricht voll und ganz für Irrationals sichere Hand und das stimmige Design Columbias, dass ein so unwirkliches Szenario selbst durch weitere, übergeordnete Unwirklichkeiten nichts von seiner Faszination oder Überzeugungskraft verliert. Zumindest für die Dauer dieses Abenteuers ist dies hier ein echter Ort. Daran mag der Spieler, wie schon damals in Rapture, nicht zu einer Sekunde rütteln.
Auch daran, dass wir es hier mit einem BioShock zu tun haben, besteht in Look, Art Direction und nicht zuletzt Gameplay keinerlei Zweifel. Timothy Gerritsen, Director of Development bei Irrational Games, bestätigt auf unsere Anfrage im Anschluss an die Präsentation, dass die Idee von BioShock für den Entwickler weit über nur eine Location hinausgeht. „Wir fanden schon immer, dass BioShock viele, viele Themen hatte, die wir erkunden wollten und die sich ein gutes Stück jenseits von Rapture erstrecken", so der Entwickler. Ob Columbia und die Unterwasserstadt im selben Universum existieren, wollte er zwar nicht verraten, vom Spielablauf sieht allerdings alles danach aus, als würde Irrational das ursprüngliche Konzept schlicht auf die nächste Stufe heben.
Mit konventionellen, der Ära entsprechenden Schusswaffen hantiert ihr genauso wie mit nahezu magischen Kräften. Booker beherrscht Telekinese, zieht Objekte zu sich heran, stößt sie kräftig von sich weg oder entreißt Angreifern ihre Waffen, um sie anschließend in der Luft gegen sie zu richten. Als dies das erste Mal passiert, wird auch gleich klar, dass sich an der Physik des Titels einiges getan hat. DeWitt stolpert in eine von Verrückten frequentierten Bar und wehrt den Angriff des Pianisten des Hauses ab, indem er ihn mit seiner eigenen Schrotflinte brutal in sein Instrument schießt. Das vordere rechte Bein des Klaviers wird dabei fortgerissen, wodurch es in sich zusammenstürzt.
Auch abgehobenere Skills macht sich der Spieler im Verlauf des Abenteuers zu eigen. Nach dem ersten Kampf mit dem Krähen-Fütterer findet er ein seltsames Flakon mit der Aufschrift „Murder of Crows". Dessen Inhalt nimmt er prompt zu sich und schießt fortan einen Schwarm wild um sich pickender schwarzer Vögel in die Gegnermengen. Auch Blitze zucken wieder aus den Fingerspitzen des Protagonisten hervor. Der Clou an der Sache ist, dass die vollkommen autonom agierende Elizabeth (auch einen Koop-Modus wird es nicht geben) über ihre ganz eigenen Fähigkeiten verfügt, die ihr häufig miteinander kombinieren müsst. In einer Szene beschwört sie einen Wolkenbruch herauf, der eine riesige Gruppe Gegner vollkommen durchnässt, woraufhin ihr dem Pulk mit einer Entladung aus euren Händen den Rest gebt.
Andernorts bündelt Liz herumliegenden Schrott, Pfannen und Töpfe zu einer Kugel geschmolzenen Stahls, die ihr dann per Telekinese wie einen glühenden Meteor zwischen den Bewohnern Columbias einschlagen lasst. Auch ein Gegenstück zum Big Daddy hat Infinite zu bieten: Ein riesiger Metallfrankenstein jagt Booker und Elizabeth nach, wirft inmitten eines wild aufkochenden Sturms auf einer Hängebrücke ein lebendiges Pferd und anderen Unrat nach euch – eine Szene, die einen wirklich den Atem anhalten lässt. Erst als man im Verbund mit Elizabeth die gesamte Brücke einstürzen lässt, entlässt der Zuschauer langsam die Luft aus seinen Lungen. Nur um im nächsten Augenblick unter der angsterfüllten Warnung Elizabeths riesige schwarze Schwingen auf sich herabstürzen zu sehen.
Und dann klatscht er. Unweigerlich. Entgegen meiner anfänglichen, uninformierten Ernüchterung, als ich hörte, Ken Levine würde ein weiteres BioShock machen, bin ich nach der Präsentation des kurzen, offensichtlich verdichteten Gameplay-Abschnittes vollauf von dem Titel überzeugt. Das hier ist der echte Nachfolger des besten Spiels von 2007. Das einzige Problem, das jetzt noch zwischen ihm und uns steht, ist der vorläufige Veröffentlichungstermin von Infinite: 2012 –der kommt mir seit gestern schon wie eine halbe „Unendlichkeit" vor...
BioShock Infinite wird 2012 für PC, Xbox 360 und PlayStation 3 erscheinen.