Bizarre Creations - Ein Nachruf
Ein paar letzte Kudos für ein großes Studio
MSR bot im Jahr 2000 alles, was man bei einem Rennspiel braucht und was damals ganz sicher noch nicht selbstverständlich war. Das Konzept bestand darin, nicht einzelne Strecken zu bauen, sondern London, Tokio und San Francisco nachzubauen. Oder zumindest die touristisch wertvollen Teile. Innerhalb davon werden die Kurse abgesteckt und so kam das Spiel auf die damals absurde Zahl von über 250 davon. Jede Stadt erhielt ihren eigenen Radiosender, Autos im Überfluss und dann waren da natürlich noch die Kudos.
Das Wort hat Bizarre nicht erfunden, Englischsprachige benutzen es schon lange als Anerkennung einer großen Leistung: „Kudos for you!" Und genau das musste man mit seinem Auto auch hinlegen, wenn man in MSR wenigstens ein paar Kudos-Punkte haben wollte. Das Spiel war teilweise höllisch schwer, aber großartig. Nur erschien es auf dem Dreamcast und den hatten ja nicht so viele Leute. Also blieb es beim Nischendasein.
Das nächste Projekt war seltsam. Es war richtig gut, keine Frage, aber es war auch extrem seltsam. War das der Grund, warum einem durchdesignten, gut spielbaren, mit allen Features der Zeit – wiederum 2000 – ausgestatteten Third-Person-Shooter der ganz große Erfolg verwehrt blieb? Könnte sein. Nicht jeder will mit einem bewaffneten Panda spielen, der Tierbabys rettet. Dabei war die Idee von einem ganzen Team tierischer Kämpfer, jeder mit Spezialfertigkeiten ausgestattet, nicht nur gut, sondern vor allem gut umgesetzt.
Fur Fighters war ein weiterer Erfolg bei den Kritikern und ein weiteres Mittelmaß am Box Office. Das dürfte mit der Grund gewesen sein, warum man es mit der Fortsetzung – eigentlich kaum mehr als ein optisches Update mit ein paar Anpassungen – 2001 auf der erfolgreicheren PS2 versuchte. Und wieder im Verkaufsmittelmaß hängen blieb.
Eine neue Heimat fand Bizarre dann auch 2001. Microsoft hatte seine schicke neue und mit Gelegenheits-Bluescreens in der Startphase ausgestattete neue Konsole draußen und dafür muss es doch Kudos geben. Also übernahm man kurzerhand das, was man bei MSR lernte und übertrug es auf Project Gotham Racing. Eigentlich war alles recht ähnlich, sogar die drei Städte blieben erhalten und nur New York kam dazu. Jedoch setzte man noch mehr auf die Kudos-Punkte und zahlreiche Events ließen sich nur mit diesen Punkten gewinnen. Im Rahmen der nicht überbordenden Verkaufszahlen der Xbox zu diesem Zeitpunkt kann man von einem vollen Erfolg sprechen und Bill Gates, damals der inoffizielle Chef-PRler für sein neues Lieblingsspielzeug, nannte Project Gotham Racing sein Lieblingsprojekt. Nicht traurig sein, Bungie.
Über die Auftragsarbeit Treasure Planet in 2002 reden wir mal nicht, weil es da nicht viel zu erzählen gibt. Kindgerechte Versoftung eines Disney-Flops. Es kann nicht jeden Tag die Sonne scheinen. 2003 schließlich war es Zeit für das beste Rennspiel aller Zeiten. Zumindest in meiner leicht verklärten Erinnerung. Die Rede ist natürlich von Project Gotham Racing 2. Und diesmal passte alles. Der Aufbau der immer härter werdenden Rennen und Fahrzeugklassen, die Möglichkeit, eigene Musik in Radiokanäle einzubinden, die fantastische Optik mit der bekannten Detailfreude, der gewaltige Umfang, die Kudos, der Multiplayer, alles.
Für mich war dies DAS Rennspiel. Ich weiß, ich Fanboy ich. Darf auch mal. Aber jetzt, auf die Historie von Bizarre Creations zurückblickend, muss ich doch sagen, dass dies der Scheitelpunkt der Welle war. Danach begann sie ganz langsam zu brechen, bevor sie dann heute vor ihrer Zeit vollständig kollabiert.
Das soll nicht heißen, dass ich 2005 oder 2007 von Teil 3 und 4 enttäuscht gewesen war, aber diese Spiele boten jenseits der dank 360-Power verbesserten Optik nicht mehr so viel Neues. Die Serie stagnierte ein wenig und PGR4 war kein schlechter Zeitpunkt, um eine Pause zu machen. Nur mit dieser Serie natürlich. Zwischendurch hatte man durchaus auch Lust auf andere Geschichten, schließlich war man mit der Zeit auf ein Groß-Studio mit mehr als 100 Mitarbeitern gewachsen. Einige von denen legten mit Geometry Wars: Retro Evolved auf Xbox Live Arcade einen veritablen Überraschungs-Hit hin. Portierungen auf Steam und Semi-Nachfolger für Nintendos Konsolen sicherten hier eine sicher nicht ganz schwache Nebeneinnahmequelle in den Jahren 2005 bis 2008. Das Studio durfte sich also glücklich schätzen, einen Designer wie Stephen „Cakey" Cakebread in der Hinterhand zu haben, während das Hauptteam am nächsten PGR schraubte.