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Black Sigil

Zeitfresser

Vielleicht ist es eine der Seuchen des Spieletester-Daseins, dass man weniger Geduld mit Spielen hat, die unnötig die eigene Zeit vertändeln. Es gibt so viele Games, die man noch vor sich hat, Sachen, die man eigentlich noch privat spielen wollte, und schließlich gibt es ja auch noch jede Menge Dinge jenseits von unser aller Lieblingshobby. Black Sigil ist leider eines der Spiele, die stellenweise ohne Not das eigene sowieso knappe Zeitkontingent aufknabbern.

Active Time Battle wurde vor ungefähr einer Million Jahren von Square Enix erfunden und seitdem in ungefähr genauso vielen J-RPGs genutzt. Es sollte also genug Erfahrung vorhanden sein, um abschätzen zu können, was ein gutes Tempo für das Aufladen des Aktionsbalkens sein müsste. Schneckenspeed, wie hier in Black Sigil, ist es jedenfalls nicht. Selbst nachdem ihr das Kampftempo auf das Maximum erhöht, dauert es immer noch eine Ewigkeit, bis ihr dran seid. Das wäre nicht ganz so schlimm, wenn wenigstens in dieser Zeit irgendetwas passieren würde. Aber die Monster sind auch nicht schneller. Und so verbringt ihr nach jeder Attacke relativ ereignislose 20 Sekunden. Das summiert sich bei der hier gebotenen Masse an Zufallskämpfen relativ schnell zu einer erklecklichen Zeitspanne an Untätigkeit.

Als weiterer und noch weit unnötigerer Timeburner entpuppt sich die Unfähigkeit des Helden, auf der Weltkarte zu rennen. In Dungeons und Städten legt ihr auf Tastendruck einen schnellen Schritt an den Tag, nur auf der ebenfalls monsterdurchtränkten großen Karte verweigert sich die kleine Figur diesem. Ein kurzer Ausflug von einer Stadt zur nächsten gerät so mitunter wirklich zu einer epischen Reise.

Kein J-RPG ohne Luftschiff.

Warum sollte man also hier seine Zeit mit der selbst gewählten Langsamkeit des Spiels vertun, noch dazu jede Menge davon? Weil euch jenseits der Bremse ein veritabler und anspruchsvoller Klon des vielleicht besten Japanrollis ever erwartet: Chrono Trigger. Sehr viele Parallelen lassen sich ziehen. Ihr seid mit bis zu drei Figuren unterwegs, die im Kampf ihre Fertigkeiten kombinieren und so Superattacken landen. Die Helden stranden schon mal an unbekannten Orten. Und der grafische Look kann keine Sekunde leugnen, woher die Inspiration kam. Das weibliche Lachen hinter vorgehaltener Hand wurde direkt geklaut.

Leider wählte man kein auch nur annähernd so brillantes Steuerungsschema wie im Re-Release von Chrono Trigger. Dort spielt sich alles oben ab, der Touchscreen ist für schnelle Stifteingaben reserviert. In Black Sigil löste man es genau anders herum. Auf dem in punkto Leuchtstärke besseren oberen Teil des DS seht ihr mal mehr, mal weniger sinnvolle Statusinformationen und eine in Dungeons komplett nutzlose Karte.

Auf diese Weise soll es zwar möglich sein, besser mittels des Stylus zu navigieren, aber dafür gerieten die Icons ein wenig zu klein. Außerdem fühlt es sich einfach nicht natürlich an. Haltet euch an D-Pad und Knöpfe und alles ist gut in dieser Richtung. Während ihr euch an die Steuerung gewöhnt und den wirklich schmerzhaft langsamen und langwierigen Start hinter euch bringt, bessern sich die Kämpfe mit jedem Charakter, den ihr einsammelt. Das Tempo erhöht sich mit den Fertigkeiten der Charaktere langsam und Black Sigil beginnt zu offenbaren, wo seine wirkliche Stärke liegt. Handlung, Dialog und Figuren sind nicht nur gut, sie sind sogar gut genug, um dem Übervater Chrono Trigger zumindest ein klein wenig abzuhängen.

Keine der Figuren scheint sinnloser Ballast, alle entwickeln echte Persönlichkeit und ihr werdet die Dialoge nicht mehr schnell wegdrücken, sondern sie genießen. Ergreifende Momente sprengen gekonnt das Winzformat des DS und es entfaltet sich große Fantasy vor euch. Der Stil des Designs passt sich dem perfekt und gekonnt an, und hätte Black Sigil 1992 auf dem SNES das Licht der Welt erblickt, dann würden Fans heute noch andächtig davon berichten.

Dummerweise für die fantastische Geschichte von Black Sigil hatte der rosa Schleier der Vergangenheitsverklärung aber noch keine Zeit, sich gnädig über seine Verfehlungen zu legen. Das zu Beginn aberwitzig träge Tempo bessert sich zwar im Laufe der Spielzeit ein wenig, zu viel eurer wertvollen Spiel- und Lebenszeit geht beim lahmen Spazieren und Kämpfen trotzdem verloren. Auch könnte das Interface deutlich geschliffener sein. Black Sigil ist halt ein echter Rohdiamant: voller Ecken und Kanten, aber von unzweifelhaftem Wert.

Einen offiziellen Termin für einen Deutschland-Release gibt es bei Black Sigil leider nicht. In den USA ist das Spiel erhältlich.

7 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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Black Sigil

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