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Blood Bowl 2 - Test

Weil Games Workshops Bestes es verdient hat.

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Weniger Bugs, mehr Modi: Akkurate Umsetzung, die zu endlosen Liga-Runden einlädt. Leider wurde die Zahl der Rassen drastisch zurückgefahren.

Es ist einer dieser harten Fakten, an die man als Nerd denken muss. Etwas, das man so leicht vergisst, weil man sich damit auskannte, seit man 14 oder so war, etwas, das immer da war. Wie kann jemand sich damit nicht auskennen? Aber es soll wohl Leute geben, die nicht wissen, was Blood Bowl ist. Ich meine, für mich ist das fast nicht vorstellbar, jeder weiß, was Blood Bowl ist. Oder? Zumindest die Hälfte der Menschheit? Nein? Zehn Prozent wenigstens? Auch nicht. Hm. Ein Prozent der westlichen Welt wenigstens? Nah genug dran, wenigstens etwas, bei dem ich nicht Teil der 99 Prozent bin.

Also, Blood Bowl ist American Football mit Fantasy-Figuren des Warhammer-Universums. Orks, Elfen, Skaven, Zwergen, Chaos-Wesen und sogar Menschen prügeln sich um ein Stück Leder. Alles ist erlaubt, um es in die Endzone zu bringen, oder wenigstens alles, was der Schiedsrichter nicht sieht. So einfach ist das. In den 80er-Jahren bereits hatte Games Workshop diese so simple wie brillante Idee, setzte es als rundenbasiertes Taktikspiel mit relativ komplexen Regeln um und erschuf einen zeitlosen Klassiker, der bis heute lebendig gepflegt wird. Nicht immer von Games Workshop, aber die Fans wichen der unorthodoxen Ballschlacht nie von der Seite. Gut so, denn sonst hätten sich wohl Cyanide und Focus nie die Mühe gemacht, sogar ein zweites Spiel zu entwickeln.

Diesmal mit Kampagne und damit auch zumindest einer Art Tutorial, durch die euch dieses Kommentatoren-Duo führt. Nicht ganz Statler und Waldorf aber ein paar gute Sprüche haben sie immer parat.

Nicht dass das erste schlecht gewesen wäre. In der letzten Chaos-Edition war es sogar sehr gut und vor allem satt mit Content - sprich: Rassen und Spielern - gefüllt. In diesem Punkt muss BB2 derzeit noch definitiv zurückstecken. Ihr habt gerade mal acht spielbare Rassen, zwei weitere werden in Kürze nachgereicht, andere dürften sicher als DLCs in irgendeiner Form folgen. Für den Moment jedoch müsst ihr mit Menschen, Orks, Zwergen, Skaven, Chaos, Bretonen - erstmalig dabei - und Hoch- wie Dunkelelfen leben. Mein Liebling ist dabei (Zwerge), eurer hoffentlich auch, und dann geht es auch schon in die Kampagne. Diese könnt ihr ruhig als eine Art gestrecktes Tutorial betrachten, das Spiel tut das auch, und selbst wenn es bessere da draußen gibt - immerhin lässt man Neulinge diesmal nicht ganz im Regen stehen. Mit ein wenig Willen und Geduld solltet ihr nach einer Stunde im Spiel sein, selbst wenn ihr heute zum ersten Mal was von Blood Bowl hört.

Die wichtigste Regel, die ihr dabei schnell lernt, ist, dass am Ende alles an einem Würfelwurf hängen kann. Cyanide hält sich weitestgehend an die Details der aktuellen BB-Regeln mit allem, was dazugehört. Der Echtzeitmodus flog endgültig raus. Ihr zieht jetzt Figur für Figur, platziert euch möglichst elegant gemäß der Taktiken, von denen ihr denkt, dass sie zu euren Spielern passen, und hofft, dass die Würfel gnädig sind. Sobald es einen Spielzug zu machen gilt, der über simples Laufen innerhalb der Bewegungsreichweite eines Spielers hinausgeht, kann alles schiefgehen. Sprintet und ihr könnt fallen. Fallt und ihr könnt den Ball verlieren. Passiert einen Gegner und er kann euch stoppen. Oder aber ihr würfelt gut - oder vielmehr der Computer für euch - und es kann euch ein außergewöhnlicher Zug gelingen.

Die minimale Zoom-Stufe sorgt für Übersicht...

Die generellen Taktiken sind schnell zu erfassen. Orks und Zwerge rempeln ganz gern, zartfühlende Elfen setzen besser auf Tempo. Sachen in der Richtung haben auch Neulinge schnell verinnerlicht. Die Kunst besteht darin, jetzt zu wissen, wann ihr auf sicher spielt und keine Würfelpatzer riskiert und wann sich ein schnelles oder hartes - oder beides - Powerplay lohnen kann. Spielt ihr richtig, ist es am Ende weit weniger Glück, als Einsteiger zunächst vermuten. Profis wissen wie gute Pokerspieler, wann ihre Position gut genug ist, um eine fast sichere Chance zu haben. Das ist der Kern eines Sieges in Blood Bowl und das Ziel der Optimierung eurer Taktiken.

Und glaubt mir, wenn ich euch sage, dass das Jahre dauern kann. Das Spiel ist komplex, die Möglichkeiten sind schon aufgrund der sehr unterschiedlichen Teams vielfältig. Dazu kommen dann noch Star-Player, hier wieder für jede der Rassen in großer Zahl verfügbar und extrem schick den Zinnvorbildern nachmodelliert, dreckige Tricks und mehr. Während ihr auf dem echten Spielbrett alle Chancen im Kopf kalkulieren müsst, greift euch Blood Bowl 2 gut unter die Arme, indem es Chancen in Prozenten anzeigt, was die Planung des Zugs deutlich erleichtert. Für Übersicht sorgt auch das weite Herauszoomen mit einer Brettsicht, die zwar nicht schön, aber extrem hilfreich ist.

...die maximale setzt die netten Animationen gut in Szene (spielbar ist das aber nicht, das Ideale liegt in der stufenlos einstellbaren Mitte).

Überhaupt wurde mehr auf Benutzerfreundlichkeit geachtet, indem man das alte Interface mehr oder weniger entsorgte und durch eines ersetzt, das man wirklich gut benutzen kann. Einige Züge wie vor allem Blocken erfordern gefühlt ein Dutzend Klicks inklusive Warten auf - sehr hübsche - Animationen und real nicht viel weniger. Das kann mit der Zeit auf die Nerven gehen, schließlich sind das die Standardzüge. Das Problem liegt offen gesagt in der akkuraten Umsetzung, da die Regeln nun einmal all diesen Aufwand festlegen. Videospiele sind in der Regel optimierter als das, aber in diesem Fall wollen wir es ihnen nicht ankreiden. Es wäre einfach nicht 100 Prozent Blood Bowl, wäre es anders, daher will ich es als leicht nervigen Pluspunkt rechnen.

Was ebenfalls besser wurde im Vergleich zum Vorgänger, das ist die KI, aber das heißt leider nicht viel. Fast egal, auf welchem Schwierigkeitsgrad man spielt, ihre Tendenz heißt, dass sie sich die meiste Zeit gut schlägt und sinnvoll zieht, durchaus entsprechend der gewählten Stufe. Aber dann sind da in praktisch jedem Match immer wieder ein, zwei oder auch mal mehr Züge, die so selten dämlich sind, dass sie die Balance des Matches zu euren Gunsten über den Haufen werfen. Es ist so, als würde man eine Runde Schach ordentlich bestreiten und dann im Endspiel die Dame einfach direkt auf ein so dermaßen offensichtlich gedecktes Feld setzen, dass es schon beim Zugucken wehtut. Ganz so schlimm ist es hier nicht immer, aber auch das Äquivalent solcher Züge kommt vor, vor allem, wenn sich schon angeschlagene oder schwache Spieler direkt vor starken aus meinen Reihen aufbauen und anscheinend denken, dass ich den Gratis-Tackle nicht mitnehme. Falsch gedacht. Also ja, die KI ist besser, der Spielspaß im Solobetrieb geht nicht den Bach runter, sie kann auch durchaus etwas, aber da ist noch Optimierungsbedarf.

Nur acht Rassen sind es, zwei weitere (Echsen und Waldelfen) bekommen Vorbestellter und Day-1-Editions-Käufer dazu. Das genügt fürs erste, mehr wären schön gewesen. So können wir uns jetzt schon auf Chaos-Legend-Sonstwas-Editions freuen.

Ein Match dauert nicht lange, 20 Minuten bis zu einer halben Stunde höchstens, was am - großzügigen - Timer in jeder Runde liegt, aber auch am 16-Runden-pro-Halbzeit-Limit. Durch diese Regel wird der Score am Ende nie sonderlich hoch sein und ein guter Exploit gegen die KI wäre: wenn man in Führung ist und den Ball hat, mit diesem einfach nichts machen, sondern auf das Timer-Ende warten. Hey, es ist nicht gegen die Regeln, nur gegen den Spirit des Spiels.

Bei den Spielmodi verausgabt sich Blood Bowl 2 geradezu. Ihr habt eine witzige Kampagne, durch die euch zwei passende Kommentatoren begleiten - Vampir und Oger - und in der ihr neben simplen Gewinnen auch immer wieder durchaus spannende Aufgaben bekommt. Tacklet bestimmte Gegner, punktet mit bestimmten Spielern, Dinge in der Richtung, die es durch die nicht zu lange Story frisch halten. Es ist nett, ein guter Einstieg und der einzige echte Nachteil der Kampagnen ist, dass ihr nur die Menschen als Team spielen könnt. Auch die Cheerleader sind alle menschlich. Und die Zuschauer auch... sind die Entwickler bei Cyanide etwa Fantasy-xenophob?

Der Liag-Modus funktioniert entweder als Solo-Spiel gegen die KI oder - weit unterhaltsamer - Online.

Weit wichtiger als die menschenfreundliche Kampagne ist allerdings das Ligasystem, das drastisch überarbeitet wurde. Diese lässt sich auch gegen die KI bestreiten und es hat seinen Reiz. Da alles auch mit Online-Ligen von bis zu 128 Teams möglich ist, gibt es wenig Grund, sich auch hier noch mit der schwächelnden KI herumzuschlagen. In den Ligen sind Verletzungen unter Umständen permanent, tote Spieler bleiben tot. Lebende jedoch sammeln Erfahrungspunkte, werden besser und erlernen neue Talente. Es dauert nicht lange, bis ihr eine tiefe Verbundenheit zu eurem Team spürt. Und echte Animosität gegenüber allen, die eure wertvollen Lieblinge auf dem Platz dezimieren. Neu dazu kam das Altern der Spieler, sodass selbst die besten Star-Player nicht ewig für Touchdowns sorgen. All das zusammen in Verbindung mit der authentischen Umsetzung des Spiels auf dem Platz ergibt eine fantastische Tummelwiese für Blood-Bowler, die vielleicht nicht immer ein Brett aufbauen wollen oder nicht genug andere Spieler in der Umgebung haben. Das ist der Modus, der Blood Bowl 2 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lange laufen lassen wird, zumal er bisher weitestgehend stabil und problemlos lief.

Überhaupt lief das Spiel erfreulich Bug-befreit und rund - zumindest nach einem weiteren 3 bis 4 Gigabyte großen Patch, der letzte Woche nachgereicht wurde. Bugs, die die Kamera einfrieren ließen, scheinen behoben. Der Netcode wirkt stark optimiert - es lief in dem Dutzend Matches, die ich spielte, tadellos -, und das gilt sogar alles für die PS4- und Xbox-One-Fassungen. War die 360-Version des Vorgängers noch eine Art Fehler, der nicht weiterverfolgt wurde, sind es nun ebenbürtige Fassungen mit allen Stärken und Schwächen. Okay, es gab deutlich weniger Spieler online, aber das kann man dem Spiel an sich nicht ankreiden. Mehr der Tatsache, dass diese Art von Spiel auf diesen Plattformen nicht direkt zu Hause ist. Ein paar Grafik-Glitches hier und da ließen sich angesichts der detailverliebten Stadienpracht und Spieler leicht verzeihen. Es gibt viel für Auge und Ohr, für ein Weilchen wird sogar ein unbeteiligter Zuschauer Spaß an dem bunten und gleichzeitig wohlgeordneten Chaos haben.

Zwergenbier und Zwergen-Death-Roller machen alles besser. Vor allem im Verbund.

Blood Bowl 2 ist ein deutlicher Sprung nach dem Vorgänger und genau das, was auf der Packung steht: Blood Bowl. Rundenbasiert, taktisch, in seinen besten Momenten elegant und mitreißend, in seinen schlimmsten sperrig und willkürlich. Es fängt alles ein, was das Brettspiel zu bieten hat, staffiert es mit seinen Stadien ganz nett aus, verpackt es etwas einsteigerfreundlicher - Lernwille wird immer noch vorausgesetzt -, und insoweit können eigentlich nur die nörgeln, die entweder mit der DLC-Politik Cyanides nichts anfangen können oder was gegen Würfel haben. Ersteren kann ich nur sagen, dass es wirklich unschön ist, wie die Zahl der Rassen im Vergleich zur letzten Chaos-Edition so zurückgeschraubt wurde. Aber denkt man einfach mal in Games-Workshop-Dimensionen, sind DLCs die billigere Lösung. Ein neues Team, was wird das als DLC kosten? Fünf Euro? Zehn? Dafür gibt es beim Brettspiel nicht mal einen einzelnen Starplayer. Und was das Würfeln angeht... Sorry, ihr kauft Blood Bowl, wundert euch nicht, dass dann auch Blood Bowl gespielt wird. Genau das bekommt ihr hier. Und deshalb liebe ich es.

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