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Bloodborne: The Old Hunters - Test

Was für ein Trip.

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Eine Lektion in gestalterischer Widerlichkeit, gepaart mit sehr guten Bossen auf Bloodborne-Endgame-Niveau.

Zu sagen, wir waren am Wochenende nicht auf eine solche Naturgewalt vorbereitet, wäre eine massive Untertreibung. Falls irgendwo in Bloodborne noch ein Rest Hausmütterlichkeit steckte, hat sie spätestens der erste Boss aus The Old Hunters herausgeprügelt, zumindest im NG+, Level 130 etwa (im New Game scheint er einigen frühen Youtube-Eindrücken zufolge einfacher machbar, logisch...). Mein Kumpel und ich, wir saßen da und dachten nach Dutzenden gescheiterten Versuchen an einen Fehler seitens From Software - "Bei denen ist irgendwas schiefgegangen..." -, dann daran, das hier wäre vielleicht eine abgefeimte Nummer wie das Götzenbild in Demon's Souls oder die Medusa in Dark Souls 2.

Die Bosse - vier normale und ein versteckter - sind allesamt von hoher Qualität, aber wenn ihr an dieser Stelle seid, habt ihr das Schlimmste schon hinter euch.

Hatten wir irgendwas Elementares übersehen, was diesen Kampf in angenehmere Regionen rückt? Nope. Nicht nur ist der mutierte Kerl in schwer greifbarer körperlicher Schräglage und so gut animiert, dass man seinen unvermittelt geradeaus walzenden Trampelangriff kaum kommen sieht. Nach der Kampfhälfte gerät er in ein komplett konträres Bewegungsmuster, schnappt sich ein im From-Software-Kosmos bestens bekanntes Item und krempelt eure bis dahin erlangten Gewohnheiten von innen nach außen. Der Rauchritter im zweiten Dark-Souls-2-DLC wäre der nächstliegende Vergleich, aber selbst der ist dagegen eine Lusche.

Die nachfolgenden Bosse in The Old Hunters versprühen nur einen Bruchteil dieser bösartigen Giftigkeit aus einigen Fasern ihrer Körper. Toll aussehen tun sie alle und fügen sich damit wunderbar in ein bereits davor sehr diversifiziertes Ensemble skurriler Plattmacher ein. Trotzdem, sie lagen meist nach ein paar Versuchen. Diesen frühen Aussortierer dagegen, diese rottende Übertreibung, ich werde sie meinen Lebtag nicht vergessen (und jetzt sagt mir bitte, es ging euch ähnlich).

Im ersten DLC-Gebiet kämpfen Jäger gegen Bestien. Es ist eine sehr nette Erweiterung, dass man nicht immer das einzige Ziel der Gegner ist, sondern sich auch mal zurückhalten und schauen kann, wann es sich lohnt einzugreifen.

Was als Albtraum des Jägers mit einer verdrehten Version Yharnams startet, geht schnell über in etwas, das als Mischung aus Demon's Souls' Turm von Latria und Iosefkas Klinik nicht übel beschrieben wäre. Es gibt scheinbar endlose Wendeltreppen und Leitern, sich vor Schmerzen windende Patienten mit aufgedunsenen Köpfen, Bärte aus Gewürm und kleine Dinge, die aus größeren Dingen kriechen. Könnte ein Delphin oder ein Rochen gewesen sein. So genau habe ich da nicht hingesehen.

Von all den Albtraumabschnitten des Hauptspiels ist das hier der widerlichste, verstörendste und gefährlichste. Von Blutdurst berauschte und in ihren Ängsten gefangene Jäger können euch in wenigen Sekunden der Länge nach aufschlitzen und regulieren euren Fortschritt mit grausamen Trickwaffen wie eine kleine Kostbarkeit. Es ist wirklich eine Lektion in Demut, zumal aufrecht gehende Wale mit Ankern bewaffnet auf euch einprügeln und ein gleichermaßen witziges wie anwiderndes Gluckergeräusch ausstoßen. Wenn nicht gerade die Dunkelmagie verschießende Skelettmaid schneller war. Also ja, der ganz normale Wahnsinn und ein Stück gepfefferter End-Content, wie er im Hauptspiel ganz hinten prima aufgehoben wäre.

Wer dachte hier gerade an das Gebälk in Anor Londo?

Nicht nur in den späten Gebieten zeigt From Software, wie befriedigend die Beschränkung auf einen Checkpoint sein kann, wenn das Drumherum ein durchdachtes, sich immer wieder kreuzendes Geflecht aus Gängen ist. The Old Hunters ist gestalterisch auf Augenhöhe mit dem Spiel, das es erweitert, irgendwo zwischen alten morschen Brücken und zermalmendem Abstieg in einen Abgrund voller Fischmonster.

Von den Anfängen der Blutheilung erzählt es, davon, was in den Trümmern Byrgenwerths passierte, üblicherweise durch das Hinterlassen von Spuren und Andeutungen in Item-Texten. Jede verschlossene Tür ein kleines Geheimnis, das sich nach einigen Stunden zu lüften anfühlt, wie einen Schatz zu heben. Angetrieben von derlei Motivation geht es locker zehn und mehr Stunden vor-, mal auf-, danach wieder abwärts, vorbei an sich regenden Leichenbergen und Riesenspinnen mit Haaren vor dem Gesicht wie Mädchen in japanischen Horrorfilmen.

Wie immer erzählen die Entwickler weniger direkt, sie hinterlassen. Nur wer sich in die Umwelt einarbeitet, Item-Beschreibungen liest und auch mal Dinge im Netz nachschlägt, kann sich einen Reim auf die Geschehnisse machen.

Wenn man den Entwicklern etwas vorwerfen möchte, dann dass sie sich ihren altbekannten Schuh vielleicht zu bequem anziehen. Hinter einem neuen Gegnertyp erkennt man das Modell der Hemwick-Hexen, Hunde dürfen natürlich ebenso wenig fehlen wie die Dicken mit den Äxten, und generell hat man das Gefühl, auf die Liste kommt nur, was Tentakel, schmelzende Haut oder zusätzliche Körperöffnungen hat, am besten alles zusammen.

In der Form ist The Old Hunters eine Rutschpartie durch Ekel, Freude, die Gewissheit, dass Bloodborne nun ein Ende findet, und den Wunsch, man könnte es weiter hinauszögern. Dabei helfen etwa ein Dutzend neuer Waffen, von denen euch der Levelverlauf die Hälfte vor die Füße legt und die noch schräger sind als der Grundstock im Hauptspiel. Ich liebe den Pizzaschneider, der eigentlich Wirbelsäge heißt und mit einem zutiefst befriedigenden Sägegeräusch seinen Dienst verrichtet. Zusammen mit dem neuen Eid namens "The League" - einer Koop-Angelegenheit zum Beistehen anderer Spieler mitsamt Online-Ranglisten - darf man die knapp 20 Euro als sinnvolle Investition für jeden begreifen, der von Bloodborne und seiner Welt nicht genug bekommen kann.

Die Gestaltung der Höhlen? Wie immer: ein Raum, drei Wege, die man nacheinander auf Sackgassen abklopft, um herauszufinden, wo es weitergeht.

Bis es dann irgendwann vorbei und auch die hinterste Pfütze aus Blut und Gewürm überwunden ist. Vorher erlebt ihr wilde Abende voller kryptischer Umgebungen, Abkürzungen, böser Überraschungen, strukturell ähnlich verknäuelt und thematisch verstörend wie das Hauptspiel. Gönnt euch ein letztes Luftholen. Seid ihr erst mal in der vertraut wirkenden Knochenquetsche namens The Old Hunters, ist Atemlosigkeit nur einer von vielen Zuständen, durch die euch eine überaus lohnende Erweiterung jagen wird. Ganz so, wie man es von From Software erwarten darf.

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Sebastian Thor Avatar
Sebastian Thor: Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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