Blue Dragon Plus
An den Brücken von C&C
Mistwalkers Blue Dragon auf der Xbox 360 war ein seltsames Spiel. Es bot alles, was man an einem Japano-Rolli schätzt, und das in rauen Mengen. Hochleveln, coole Magie-Effekte, Nebenquesten und ein gute, alte Weltrettung. Leider waren es die Charaktere, die mir persönlich einen großen Teil des eigentlich garantierten Spaßes verdarben. Neben dem sowieso schon kindlichen Cast, verdarb die gelbe Pestilenz Marumaro endgültig alles und permanent wünschte ich mir, dass ich ihn endlich bekämpfen, besiegen und zu einem feinen, gelben Pulver zermahlen könnte. Blue Dragon Plus auf dem DS bietet ungefähr das Gleiche. Nur andersherum.
Da die Figuren diesmal nicht sprechen und mit ihren nöligen, quietschigen Stimmen sich nicht mehr in das Gehirn des Spielers bohren, fällt es weit leichter, dem Plot um eine erneute Weltrettung ein Jahr nach dem Hauptspiel zu folgen. Da alles zu verraten, hieße, hier zwei Spiele zu spoilern. Belassen wir es dabei, dass Ihr Euch in einem grundsoliden Plot zur Sicherung der Existenz der Guten durch einen gewaltigen Dungeon arbeiten müsst. Und das nun plötzlich alle einen Schatten-Dämon beschwören können, um Magie zu wirken. Und Blue Dragon Plus nicht Eure Rollenspielader erfreut, sondern die Herzen der Echtzeittaktiker.
Für Entwickler Brownie Brown ist dies nicht der erste Anlauf in dem Genre, nur ließ sich aus dieser Erfahrung nicht so viel Gewinn ziehen. Stellt Euch Blue Dragon Plus als einen Crossover aus Heroes of Mana und FF: Revenant Wings vor. Unter Wasser. Alle grundsätzlichen Spielmechaniken sind vorhanden, aber bevor Ihr Euch mit ihnen auseinandersetzt, wird Euch das endlos zähe Tempo des Spiels auffallen. Es ist schon ein Weilchen her, dass Euch ein Mini-Rolli seine Dialoge nicht beschleunigen ließ. Tapfer geduldet Ihr Euch durch die Intro-Palaver, aber auf dem Schlachtfeld nimmt Blue Dragon Plus den Fuß immer noch nicht von der Bremse.
Normalerweise rennen Japano-Helden auf das Feld, diese hier haben dagegen alle Zeit der Welt. Im Kriechschritt flanieren sie gemütlich zur nächsten Gegnergruppe und selbst die schnellste Läuferin kommt kaum auf das Tempo lahmer Revenant Wings-Streiter. Neben dieser Trägheit gesellt sich ein eigenwilliges Verständnis von „alle bitte dorthin“ dazu. Eigentlich sollte nach so einem Befehl nun eine geschlossene Gruppe zielstrebig los ziehen.
Hier aber braucht jede Figur scheinbar ihre Privatsphäre und wie sich verteilende Taucher driften alle langsam voneinander weg, bevor sie schließlich doch die richtige Richtung einschlagen. Die Ankunft am Zielpunkt verläuft daher auch mit der Pünktlichkeit von Partygästen. Wenn Du da bist, bist Du halt da. Und die Trägheit des Geschehens lässt zudem sehr unvorteilhafte Studien der KI zu, die komplett damit überfordert zu sein scheint, dass Figuren sich nicht überlappen dürfen. Vier Streiter, die versuchen um einen Ecke zu biegen, erinnern an gute, alte Command & Conquer-Brückenszenen.
Blue Dragon Plus möchte Euch ja eigentlich auch weg von der Gruppenverwaltung und hin zum Mikromanagement bringen, nur fahrt Ihr während eines mittelgroßen Massakers wesentlich besser dabei alle zusammenzuhalten, so gut es geht, und dann darauf zu achten, welcher Lebensbalken sich dem Ende entgegen neigt. Mit ein wenig Glück trefft Ihr beim Klicken den Angeschlagenen und heilt ihn mittels stattlich vorhandener Kräuter und Tränke. Mit dieser eher schlichten Taktik lassen viel zu viele der immerhin zahlreichen Schlachten bequem und zu oft ohne Verluste gewinnen.
Daran nicht ganz unschuldig ist ein ansehnliches Repertoire an Schattenzaubern, die teilweise ziemlich mächtig ausfielen. Sofern Ihr beachtet, wer gegen welches Element anfällig ist, räumt Ihr mit Wind, Feuer und ein paar Statusboosts kleinere Gruppen in Sekunden weg und die mitunter hartnäckigeren Bosse verlieren viel von ihrem Schrecken.
Zu Beginn fallen Euch dann noch die neuen Level praktisch nach jedem kleineren Kampf in den Schoss und das, plus die ausdrückliche Erlaubnis zum beliebigen Levelgrinding und wenig intelligente Monster, machen Blue Dragon Plus definitiv zu einem Einsteigerspiel. Das Mikromanagement sollte ebenfalls niemanden überfordern und bleibt für ein Spiel dieses Genres erstaunlich rudimentär. Ein wenig Ausrüstungsverwaltung, ein paar Fertigkeiten, dazu noch ein wenig Shopping. Viel mehr ist hier nicht zu holen und auch einen Multiplayerteil sucht Ihr vergeblich. Zumindest weicht an ein paar Stellen das Spiel von seinem schlichten Siegbedingungsmantra „Töte alle, sterbe nicht“ ab und wirft Euch, wenn auch viel zu selten, ein paar interessantere Aufgaben vor, deren Lösung sogar mitunter ein wenig Nachdenken erfordert.
Gucke ich mir die beiden Blue Dragon in Retrospektive an, kann ich mich mit der Mischung aus einem guten Spiel und minderwertigen Charakteren eher anfreunden, als mit dem sympathischen Cast in einem mäßigen Spiel. Als wäre die Luft aus Sirup, navigiert Ihr in Blue Dragon Plus durch einen dermaßen zähflüssigen Ablauf, dass selbst die Sucht des Japano-Gamers nach dem Hochleveln drastisch ausgebremst wird. Es zeigt die zuvor so nervigen Figuren von einer angenehmen Seite und spinnt das kleine, aber feine Universum geschickt weiter. Nur was hilft es am Ende? Trägheit, grausige Wegfindungsroutinen und eine schwache KI schubsten das kleine Blue Dragon in die unbequem Ecke nicht völlig furchtbarer, aber belangloser Spiele.
Blue Dragon Plus gibt es nur für Nintendos DS und DSi, das aber ab sofort.