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Blur

Liebe geht durch den Wagen

Als ich Blur vor über einem Jahr in Liverpool das erste Mal sehen und anspielen durfte, war noch nicht ganz klar, wo Bizarre mit seiner neuen Marke hinwollte. Es waren eine ganze Menge Baustellen, die die Briten zugleich beackerten: Elemente wie das 20-köpfige Fahrerfeld, der ungewohnte Einsatz von Fantasiewaffen, zahllose Sozialisierungsoptionen und die ausufernde Online-Komponente sollten im ersten Spiel nach PGR Aufbruchsstimmung vermitteln. Zusammen mit dem virtuellen Sozialen Netzwerk, das der Karriere ihre Struktur verleihen sollte, im Endeffekt mit Privaten Nachrichten und On-Track-Geplapper von KI-Gegnern aber seltsam diffus wirkte, wurde allerdings ein ganz anderer Effekt erzeugt.

Bizarre hatte sein neues Baby ungewollt zu Dimensionen aufgeblasen, die, von außen betrachtet, Richtung, Vision und Fokus vermissen ließen. Bis heute wissen viele Leute trotz ungezählter Trailer- und Tutorial-Videos immer noch nicht, was sie von Blur zu halten haben. Dabei hatte Bizarres Community Manager Ben Ward im letzten Mai zwischen all dem Informationsballast schon die treffendste Zusammenfassung des Kerngedanken von Blur parat: „Love the Player“ - Liebe den Spieler.

Als Presseperson, die sich mit Videospielen befasst, ist ein solcher Slogan aber nicht eben leicht von den üblichen Marketing-Catchphrasen zu trennen - besser gesagt wandern derartige Äußerungen insgeheim immer recht schnell in den „Bullshit-Topf“ - was auch daran liegt, dass Bizarre an diesem Tag nicht wirklich vermittelte, welche Form diese ach so süße Spieler-Liebe in Blur denn nun annehmen sollte. Nur eines war klar: Es sollte weder „Casual“ werden noch „runtergedummt“.

Beides ist nicht eingetreten. Blur hat auf der Zielgeraden der Entwicklung doch noch eine überraschende Stromlinienform angenommen und kann in einer gewohnt routinierten Einzelspieler-Kampagne in bester Bizarre-Tradition ebenso mühelos überzeugen wie online. Es liebt den Spieler tatsächlich und es beweist ihm diese Zuneigung, indem es ihn beinahe jeden Meter seines Weges belohnt. Selbst bei einer Niederlage fährt man in Blur oft noch den einen oder anderen kleinen Sieg ein und das macht Blur zum rundesten und motivierendsten Rennspiel dieses Frühjahres.

Für Leute, die hier das erste Mal vom Spiel hören, noch einmal eine Zusammenfassung des Gameplays: Bei Blur handelt es sich um ein Arcade-Rennspiel mit lizenzierten Fahrzeugen, in dem sich bis zu 20 Fahrer an realen Orten, wie etwa London, San Francisco, Tokio, L.A. oder Brighton, auf 30 Strecken frei erfundene Power-Ups um die Ohren schießen. Es gibt mit dem Shunt das übliche Zielverfolgungsgeschoss, den Bolt, mit dem man drei schnelle, ungelenkte Projektile abfeuert. Nitro, Mine und Schild sind ebenso mit von der Partie,wie der Shock, der vor dem Erstplatzierten drei bremsende und schädigende Gefahrenzonen auf die Strecke wirft. Mit dem Barge drückt man schließlich umliegende Konkurrenten zur Seite.

Blur - Eurogamer vs. Russian Hill

Fast nie ist man den Power-Ups hilflos ausgeliefert. Jede Schussattacke lässt sich auch nach hinten richten, um etwa ein nahendes Geschoss zu neutralisieren, ein Barge pulverisiert ebenfalls Minen, Shunts oder Bolts, selbst mit einem harten Drift lässt sich ein Shunt noch abschütteln - wenn auch nur schwer. Hin und wieder hat man zwar nicht die passende Antwort auf einen Angriff parat, wenn es einen dann aber doch trifft, landet man eigentlich niemals direkt am Ende des riesigen Fahrerfelds.

Jenes bietet auch den Vorteil, dass man fast immer einen Vorausfahrenden zu Überholen und einen Verfolger abzuschütteln hat, was den Rennen eine ganz eigene Intensität verleiht. Die war in ähnlicher Form auch schon in dem bildhübschen Split/Second vorhanden, das wir letzte Woche testeten, allerdings hat das Spiel der Black Rock Studios die unangenehme Angewohnheit, das dicht fahrende Verfolgerfeld oft in seiner Gänze am „abgeschossenen“ Spieler vorbeizuschieben, was nicht selten recht frustrierte.

Der positive Eindruck zur Spielbalance Blurs, den ich bereits in der Mehrspieler-Beta gewonnen hatte, hat sich in der finalen Version hingegen auch für die Einzelspieler-Kampagne bestätigt. Wird man abgeschossen, ist man verärgert, nicht aber genervt. Das liegt vor allem daran, dass sich der Zorn eher gegen einen selbst richtet, weil man mal wieder wider besseren Wissens als Erstplatzierter in der letzten Kurve nicht über den dort liegenden Schild gefahren ist oder weil man eines seiner drei gehorteten Power-Ups nicht rechtzeitig zu seiner Verteidigung eingesetzt hat. Ausraster, weil einem die KI ihre CPU-Häscher förmlich an die Anhängerkupplung knotet, muss euer Controller nicht ertragen.