Borderlands 2 - Vorschau
Mehr Story, mehr Knarren und die tödlichste 13-Jährige der Welt.
Hätten die Punk-Amazone Tank Girl und der Prügel-Anarcho Tyler Durden aus Fight Club eine Tochter, dann hieße sie wahrscheinlich Tiny Tina und wäre drauf und dran, Claptrap als Maskottchen von Borderlands 2 abzulösen. Ihr merkt schon, ich hab die kleine Göre während Gearbox' und 2K Games' Borderlands 2 RPG-Tour in München richtig ins Herz geschlossen. Dreizehn Jahre alt, rotzfrech, Sprengstoff-Fetisch, stimmlich und stilistisch eine Mischung aus Pipi Langstrumpf und Nina Hagen, dabei durchgeknallt wie der verrückte Hutmacher aus Alice im Wunderland. Sie teilt sogar dessen Vorliebe für Tee-Parties. Das kam speziell während jener Mission gegen Ende des Events zum Tragen, bei der ihr Diverses für eine überraschend blutrünstige Heißgetränk-Sause zusammentragen sollt.
Aber eines nach dem anderen. Zuvor seid ihr erst einmal im Auftrag von Commando Roland unterwegs, der Kennern der Reihe noch aus dem ersten Teil vertraut sein sollte. Ihr trefft ihn und die Siren Lilith in Sanctuary, einer imposanten Stadt, die als Ausgangspunkt für viele eurer Abenteuer in Borderlands 2 dient. Dort treiben sich neben den einstigen Spieler-Charakteren auch die ganzen Gestalten des ersten Borderlands herum. Freut euch also auf ein Wiedersehen mit Scooter, Mad Moxxi, Dr. Zed, Marcus Kincaid und natürlich Claptrap. Fünf Jahre sind vergangen und Pandora ist noch immer ein monsterverseuchtes Höllenloch - jetzt allerdings macht die Hyperion Corporation Ärger und bedroht die gesamte Bevölkerung des Planeten.
Genauere Details erfahrt ihr von Roland während einer gescripteten Sequenz direkt im Spiel. Wir testeten in München diesmal eine Version mit deutscher Sprachausgabe, die Lippenbewegungen waren jedoch noch nicht implementiert. Trotzdem kann man bereits jetzt Entwarnung geben. Lokalisierungs-Skeptiker können beruhigt zugreifen. Die Sprecher waren mit hörbarem Elan bei der Sache und passten ausgezeichnet zu ihren Figuren.
Die Story ähnelt in ihren Grundzügen dem ersten Borderlands. Der geschniegelte aber bitterböse Handsome Jack, Chef der Hyperion Corporation, will eine der Kammern (Vaults) von Pandora öffnen - anders als im ersten Teil handelt es sich bei der fremden Dimension jedoch nicht um das Gefängnis eines riesigen Tentakelmonsters, sondern um einen mächtigen übernatürlichen Krieger, der das gesamte Leben auf Pandora auslöschen könnte. Mithilfe eines Iridium-betriebenen Schlüssels will Jack die Kontrolle über das mächtige Wesen erlangen - und ihr als "Kammerjäger" (pfiffige Übersetzung von "Vault-Hunter") solltet ihm zuvorkommen, falls euch euer Leben lieb ist.
Um die Spur des Bösewichts aufzunehmen, sollt ihr Mordecai besuchen, den versoffenen Scharfschützen mit Piepmatz aus dem ersten Borderlands. Der Haudegen pennt jedoch, weshalb man ihn irgendwie wecken muss. Roland gibt euch den Tipp, ein paar Insektenmonster in der Umgebung per Brandwaffe anzustecken. Zum Glück habe ich eine Pistole mit Feuerschaden im Gepäck. Und tatsächlich: Die schrillen Schreie der Viecher erfüllen ihren Zweck, Mordecai taucht verkatert auf dem Dach eines nahen Turms auf und hilft euch beim Plätten der restlichen Biester. Danach geht es weiter mit der Schnitzeljagd. Ihr sollt einen Zug von Handsome Jack aufhalten. Dafür braucht ihr die explosive Hilfe von Tiny Tina. Doch die hat ihre ganz eigenen Sorgen ... dazu später mehr.
Während ich beim letzten Event von Gearbox nur den Gunzerker Salvador und die Siren Maya ausprobieren durfte, konnte ich dieses Mal als Commando Axton und Assassin Zer0 auf die Pirsch gehen. Der Geschützturm des Commando Roland war im ersten Teil nicht so mein Ding. Ich bevorzuge fiese Attacken aus dem Hinterhalt. Und schwertschwingende Assassinen mit Scharfschützengewehren sind sowieso an Coolness kaum zu toppen, weshalb ich für meine Testrunde Zer0 auswählte und mich ein wenig mit dessen Täuschungsskill vertraut machte. Mit diesem schmeißt ihr einen holografischen Dummy auf den Boden, während ihr unsichtbar das Weite sucht. Eure Gegner stürzen sich in der Zwischenzeit mit Wonne auf den Lockvogel, den ihr später sogar mit einer Sprengfalle ausstatten dürft. Die Spezialfähigkeit erinnert in der Anwendung ein wenig an den Phasewalk von Lilith, lässt sich aber weitaus taktischer einsetzen. Zudem rettete mir die Tarnfunktion im Angesicht einer Übermacht mehr als einmal den digitalen Hintern.
Bevor ich mich ins Getümmel stürzte, warf ich einen kurzen Blick auf die verschiedenen Outfits, mit denen man seinen Charakter neuerdings aufhübschen darf. Obermotze und größere Gegner lassen manchmal solche Skins fallen, zudem werdet ihr sie als Belohnung für erfolgreiche Quests erbeuten. Manche sind leicht zu finden, andere sind sehr selten und schwer zu bekommen. Auf der einen Seite bietet die große Bandbreite verschiedener Köpfe und Klamotten eine Menge Kombinationsmöglichkeiten, auf der anderen Seite vermisste ich ein bisschen die freie Farbauswahl des ersten Teils. Jedenfalls dürfte man im Koop-Mehrspieler-Modus häufiger zu hören bekommen: "Geiles Outfit, wo hast'n das her?"
Eine weitere interessante Neuerung, die beim Event vorgestellt wurde, waren die sogenannten Badass-Skills. Wenn ihr im Spiel bestimmte Herausforderungen meistert (es gibt wieder haufenweise Achievements), bekommt ihr ein paar Badass-Punkte, die euch im Rang aufsteigen lassen. Mit höherem Rang habt ihr dann die Möglichkeit, Token-Punkte auf sechs zufällig ausgewählte Bonuswerte zu verteilen. So verbessert ihr zum Beispiel eure maximale Gesundheit, Schilde, Nahkampfschaden, Treffsicherheit, Feuerrate oder Nachlade-Geschwindigkeit um einen minimalen Prozentwert - auch dieser ist zufällig. Klingt nach Pillepalle, wird aber durch die Tatsache bedeutsam, dass diese passiven Skills erstens nach oben hin offen sind - es gibt keinen Level-Cap für Badass-Skills - und zweitens für all eure Charaktere gelten. Wer viel spielt, hat es also beim Neustart in einer anderen Klasse leichter. Über eine gemeinsame Kiste dürft ihr jetzt außerdem auch Waffen zwischen den Charakteren weitergeben. Das erhöht den Anreiz ungemein, mehrere Charakterklassen hochzuziehen.
Spielerisch und grafisch hat sich seit dem letzten Event in München nicht viel geändert (mal abgesehen von den komplett deutschen Bildschirmtexten). Der Cel-Shading-Look des ersten Borderlands verleiht auch dem zweiten Teil einen besonderen Charme. Daneben glänzt die Engine durch schöne Licht- und PhysX-Effekte. Auch gibt es immer wieder sehr stimmungsvolle Tag-Nacht-Wechsel zu bestaunen. Im Koop-Modus dürft ihr mit vier Kollegen im Team losziehen, außerdem ist eine Split-Screen-Option enthalten, die vor allem Konsolenspieler interessieren dürfte. Übrigens bleibt jede Plattform für sich - ein gemeinsames Spiel zwischen Konsoleros und PC-Fans oder zwischen PS3- und Xbox 360-Besitzern ist nicht vorgesehen.
Die Gegner-Intelligenz deckt eine ziemlich weite Bandbreite ab und reicht von hirnlosen Kamikaze-Insekten bis zu gewieften Flankenangriffen durch Super-Soldaten oder Bombardements aus der Luft per Helicopter. Diesmal bekam ich es zudem mit einigen neuen Fieslingen zu tun, die mir mehr als einmal Kopfzerbrechen bereiteten. Ironischerweise meine ich das wörtlich.
Da gab es diesen "Rasenden Goliath", der zunächst nur ein zäher Klops mit schwerer Bewaffnung zu sein schien. Da ich mit dem Scharfschützen Zer0 unterwegs war, folgte ich dem üblichen Shooter-Impuls, legte an und traf den Riesen mitten in die Matsch-Birne. Headshot! Nächster bitte! Doch statt kopflos umzukippen lies der Typ einfach einen neuen Schädel nachwachsen (erinnerte vom Aussehen her an das Baby aus David Lynchs Eraserhead). Dann rannte der Berserker mit neuer Lebenskraft auf mich los, drosch mit bloßen Fäusten nach mir und startete verheerende Sprung-Attacken. Als klassischer Fernkämpfer hatte ich mit diesem Strategiewechsel einige Probleme und überlebte nur knapp. Die nächsten Goliaths brachte ich dann sicherheitshalber nur mit Schüssen auf den Torso zur Strecke. Man lernt halt dazu.
Am Ende der Veranstaltung gab es missionstechnisch noch ein kleines Highlight, namentlich die besagte Tee-Party von Tiny Tina. Dafür sollte ich zunächst zwei "Gäste" besorgen: Sir Reginald von Bartlesby und die Puppe Prinzessin Fluffybutt. Ehrensache, dass die beiden nicht ohne Kampf aufzutreiben waren. Sir Reginald beispielsweise ist ein Insekt im Glas, dessen riesige Mama nicht sonderlich begeistert war, als ich ihren Schützling mitnehmen wollte. Während der Mission kommentierte Tina meine Fortschritte mit ein paar deftigen Funksprüchen, um die sie sogar der Joker aus Arkham Asylum beneiden könnte. Als Nächstes sollte ich noch ein paar Teile von zerschossenen Coptern mitbringen und Kekse besorgen - die Kleine scheuchte mich gehörig in der Gegend herum. Der letzte Punkt auf der To-do-Liste war, den "Ehrengast" von Tinas Tee-Zeremonie abzuholen. Ein Psycho namens Flesh-Stick, der die Eltern des Mädchens ermordet hatte und sich jetzt in einem nahe gelegenen Banditenlager herumtrieb.
Da Tina den Knaben lebend wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als ihn langsam von seinen Kumpels wegzulocken, bis er mir in die Höhle der 13-Jährigen folgte. Dort wurde der Kerl dann erst einmal betäubt und mittels Rohrpost auf einen elektrischen Stuhl verfrachtet. Die anschließende Tee-Party bestand größtenteils aus der grausamen Folterung von Flesh-Stick, die ich live per Funk miterlebte, während ich drei Angriffswellen seiner Kameraden abwehren musste. Die Banditen wollten Tinas Generator zerstören und ihren Kumpel befreien - ein knüppelhartes Gefecht, das ich nur knapp mit einem letzten Ticker Gesundheit überlebte. Nach diesem Action-Knaller ging das Event zu Ende. Bei meinem Adrenalinspiegel hätte ich am liebsten gleich noch eine Runde dran gehängt.
Borderlands 2 hinterlässt einen sehr guten Eindruck und dürfte den ersten Teil nicht nur in Sachen variantenreicher Bewaffnung und Story übertrumpfen. Die abgewandelten Charakterklassen und Gegnertypen gefallen mir ausgezeichnet. Die Monster verhalten sich schlauer und haben interessante neue Tricks parat, eure Skills bieten eine Menge taktischer Möglichkeiten und dürften den Mehrspieler-Modus richtig rocken lassen.
Nach der Veranstaltung war noch etwas Zeit für eine kurze Fragerunde mit Randy Pitchford, dem Chef von Gearbox Software. Neben der Hintergrundgeschichte und der Natur von Pandora ging er dabei auf die Fahrzeuge, kommende Download-Inhalte und das Thema Cheats im Mehrspieler-Modus ein. Das vollständige Interview könnt ihr hier lesen.