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Borderlands: The Pre-Sequel - Test

Und weil's so schön war...

Die Geschichte ist wild, die Action bekannt, die Sammelsucht funktioniert. Noch ein paar total irre Waffen dazu und fertig das Prequel.

Ach, wie nett. Schön, wenn man ziemlich genau bekommt, was man erwartet. In dem Fall hier ein Mehr an Borderlands mit einem Ausrufezeichen hintendran. Borderlands: The Pre-Sequel! ist schierer, wild um sich feuernder Content für alle mit dem Wunsch, es dauerte nicht mehr lange bis zum "richtigen" Teil 3. Mehr Gegner, mehr Waffen, mehr Level-up, mehr sackhüpfende Granaten, mehr albernen Unsinn und besonders: mehr Handsome Jack.

Er ist derjenige, der in seiner Rolle als Antagonist die Faszination von Borderlands 2 ein Stück weit auf seinen Schultern buckelte. In dem zeitlich zwischen den ersten beiden Spielen eingetakteten The Pre-Sequel erlebt ihr, welche Geschehnisse den als verschroben-liebenswerten Psycho startenden Mann zu dem noch verschrobeneren, liebenswerten Psycho machten, den man seit zwei Jahren kennt. Den Startschuss dafür gibt ein Angriff auf die Basis von Hyperion, Jacks damaligem Arbeitgeber. Einziger Ausweg: Mond. In einer Rakete.

Vier neue spielbare Charaktere stehen euch und euren Koop-Freunden zur Verfügung, alle natürlich mit eigenen Skill-Bäumen: die im Nahkampf versierte Athena, der Feste-druff-Typ Wilhelm mit seinen Drohnen, Revolverschützin Nisha und, äh, Claptrap. Das Spiel warnt ausdrücklich davor, ihn auszuwählen. Spätestens bei seinen willkürlich aktivierten Spezialfertigkeiten wisst ihr auch, warum.

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt spürt man wieder eine herrlich quatschige Handschrift, in der man glatt den Namen Gearbox lesen könnte, wüsste man nicht, dass 2K Australia für diesen Job einsprang. Viele Dialoge - nicht nur Jacks - sind nach wie vor wunderbar gequirlte Kacke voller Brüller und besetzt mit ausgesprochen fähigen Sprechern. Auch im Deutschen. Es passiert jetzt nicht jeden Tag, dass ich nicht wenigstens einmal über das Umschalten auf die englische Tonspur nachdenke, doch hier... Leute, diese Sprecher und die Art, wie sie die Situationen erfassen, ja geradezu in ihnen stecken, möchte man meinen - das ist ganz, ganz große Klasse.

Einige Wortspiele sind im Deutschen sogar eine Kante besser. Der "Büriff" etwa, Bürgermeister und Sheriff in Personalunion, klingt einfach zum Schreien und wie etwas, das man hier in Berlin Wedding an jeder Ecke kaufen kann. "Meriff", also Mayor plus Sheriff, hört sich nett, aber weniger behämmert an. Haken hinter diesen einen, vielleicht wichtigsten Aspekt von Borderlands.

Wenn es euch ähnlich wie mir ergeht, werdet ihr Dutzende Schwätzer treffen, den Kopf schütteln und mit ihnen lachen über sie und die Welt, in der sie leben. Ihr werdet einer Rotznase dabei helfen, dem Geheimnis eines umspukten Fabrikgeschosses auf die Spur zu kommen, Insekten für Sir Hammerlock in Raketen verfrachten und schmuggelnderweise nach Pandora schießen, einer KI beim langsamen und sehr traurigen Verfall beiwohnen. Obwohl Borderlands seit dem ersten Teil mechanisch auf dem Ballern und Aktivieren von Dingen basiert, obwohl es als Loot-Spiel hauptsächlich Zahlen erhöht, ist es immer noch eine unheimliche Freude. (Fast) jeder Auftraggeber ist mit einem Tropfen Herzblut entworfen, egal ob er nun sagt "Gewinne ein Autorennen", "Ballere alle Plünderer nieder" oder "Sammele dies und das".

Das Spiel ist nicht so groß wie Borderlands 2 und hat weniger Gebiete, aber insgesamt immer noch sehr viele Inhalte. Klingen 30 Stunden für einen Durchgang fair in euren Ohren?

"Es ist dieses Einfache, fast schon Banale und Unbeschwerte, das einen immer wieder nach draußen zieht ins Mondumland"

Es ist dieses Einfache, fast schon Banale und Unbeschwerte, am besten an der Seite einiger eingespielter Koop-Freunde, das einen immer wieder nach draußen zieht ins Mondumland. Will man nur eine halbe Stunde verleben, wird schnell eine ganze draus, sobald die üblichen Loot-Spiel-Symptome greifen, an die ihr gerade vermutlich als Erstes denkt. Es ist die Brücke zwischen stetiger Belohnung in Form von grünen Pfeilen nach oben und dem "Immer was um die Ecke haben", auf das man sich freuen und stürzen kann in der Hoffnung, danach noch irgendwo einen Extrapunkt aus seinem Charakter herauspressen zu können.

Wenig Neues also, und das ist nicht negativ gemeint. Mehr von etwas dermaßen Gutem und weitestgehend Durchdachtem ist nie verkehrt. The Pre-Sequel hält sich in Sachen Steuerung, Menüführung und Spielgefühl nah an das von Gearbox rüttelfest zementierte Fundament. Noch immer erkundet man weitläufige, voneinander getrennte Areale, wünscht sich eine Höhenunterschiede besser erfassende Karte, wundert sich, dass in jedem Raum Tresore mit zwei Dollar drin stehen statt weniger mit mehr Geld. Solche Dinge eben.

Überlegt, was euch an Borderlands 2 gefiel und was nicht, und ihr werdet das so oder so ähnlich vermutlich auch über The Pre-Sequel sagen können. Zum Beispiel die ohnehin nicht wahnsinnig detaillierten Texturen, deren Details auf der Konsole so spät nachgeladen werden, wie ich es lange in keinem Videospiel erlebte. Könnte man "vorbei" steigern, müsste man der letzten Konsolengeneration nun attestieren, "noch vorbeier" zu sein. Das war es endgültig.

Neu sind außerdem diverse Laserwaffen und solche, die Kryoschaden zum Vereisen der Gegner anrichten. Alles nichts Weltbewegendes, aber nett.

Wobei, eine Sache... Mond bedeutet geringe Schwerkraft, und die bedeutet hohe Sprünge. Was die Entwickler zum Spielelement machen, um das herum ein Teil der Missionsgestaltung stattfindet. Spezielle Plattformen lassen euch 40, 50 Meter weit und hoch fliegen, was heißt, dass man auch mal in banalen Aufgaben viel suchen muss.

Ihr wollt nur dieses eine ECHO einsammeln und die Markierung auf der Karte zeigt genau dorthin, wo ihr gerade steht? Tja, schaut mal, ob über euch nicht eine anderweitig zu erreichende Plattform ist. Der Haupteingang zur Roboterfabrik ist verrammelt? Dann gibt's außen herum sicher einen Alternativweg. Ob das eine gute oder schlechte Sache ist, das kann sich von Fall zu Fall unterscheiden. Manche Areale sind schon ab Werk dermaßen verwinkelt, auch ohne dass man noch minutenlang nach der einen Plattform suchen muss, ohne die es nicht weitergeht. Empfand ich zumindest hin und wieder so.

"Neu ist die ständig nötige Versorgung mit Sauerstoff, was jetzt nerviger klingen mag, als es ist"

Neu ist obendrein die ständig nötige Versorgung mit Sauerstoff, was jetzt nerviger klingen mag, als es ist. Seid ihr gerade mit Kumpels unterwegs und wollt kurz was essen, solltet ihr den Charakter nicht einfach irgendwo stehen lassen. Inmitten von Sauerstoffblasen ist das kein Problem, ebenso wenn ihr Risse in der Mondoberfläche findet und euch draufstellt. Ansonsten sinkt euer "Oz-Meter" kontinuierlich, aber ich kann nicht behaupten, damit viele Probleme gehabt zu haben. Alle Naselang gibt's Möglichkeiten zum Nachtanken.

Davon abgesehen bleibt der starke Borderlands-Kern aus systemischem Abarbeiten Dutzender Missionen, der Gier nach besseren Waffen und Schilden, dem Fertigkeitenbaum für jeden Charakter. Kurz: der unumwunden nach vorn gerichtete, sofort zündende Spielfluss. Erneut sorgen verschiedene Waffenfabrikate für viel "Zeig' mal","Uh, eine Kiste" und "Lass' mal ausprobieren". Säure verspritzende Flinten, Sprengsätze herausdrückende Gewehrläufe, Pistolen mit Heilwirkung und was nicht alles. Wer mag, kann neuerdings auch drei wertlose Waffen derselben Qualität in den Grinder werfen, den Knopf drücken und auf Besseres hoffen. Nett. Und eine kleine Überbrückung zu Borderlands 3, das dann hoffentlich richtigen Waffenbau ermöglicht, hust, nicht wahr?

Auf der Konsole sieht das Spiel eher so 'meh' aus, aber stilistisch ist es trotzdem eine gute Nummer - die Landschaften erinnern wie immer an die Cover diverser Sci-Fi-Pulp-Romane. Dazu leicht sphärische Synthie-Klänge und wir haben eine passende, sehr reizvolle Stimmung.

Mögt ihr Geysire? Hier seht ihr welche, wenn die Elementarwirkung einer Waffe bunte Schadenszahlen aus dem Gegnerkörper sprudeln lässt, während er brennend und dumme Sprüche reißend in der Gegend herumfuchelt. Einfach draufhalten und abdrücken. Es ist so leicht wie brutal. Granaten, die in viele kleinere Sprengladungen zersplittern, lassen Feinde wild verrenkt durch die Gegend fliegen, Loot schießt aus ihnen heraus, alles ein bisschen "zeitlupiger" als früher, aber satt. Und sehr befriedigend. Überall Farben, Bewegung und Partikel.

Borderlands ist der freche, augenzwinkernde Gegenentwurf zum Grimm verbissener Actionspiele. Wo andere Shooter Trübsal blasend die Schützengräben öffnen, schmeißt The Pre-Sequel eine scheinbar nie enden wollende Feel-good-Party cartooniger Prägung, mit liebenswürdigen Psychos in Groß und Klein, Robos und verdammt nervigen Geschütztürmen.

Müsste ich festzurren, was mich am meisten nervte, dann genau diese. Oder besser gesagt: dass neben ihnen ständig haufenweise auf dem Bildschirm passiert und man oft nur mit Mühe und drittem Auge erkennt, aus welcher Richtung man beschossen wird. Viele Gegner haben sich Jetpacks auf den Rücken geschnallt und ballern euch gern in selbigen. Dazu noch Turrets, Echsen und Insekten, alles neben- oder übereinander, und die Erstürmung der wehrhaften Basis endet schnell in einem handfesten Chaos. Kaum ballert man sich mit letzter Kraft aus der Sterbeanimation zurück ins Spielgeschehen, liegt man schon wieder.

Das ist aber alles nichts Schlimmes, genauso wenig wie die generelle Von-allem-etwas-mehr-Auffassung, der Borderlands: The Pre-Sequel folgt. Wollt ihr euch vor dem richtigen dritten Teil noch einmal eine Runde lang gewahr werden, wieso dieser klamaukige Unsinn auch als Vorgeschichte meist den richtigen Ton trifft, ist das hier eure Chance. Es macht nichts wahnsinnig neu, hat dieselben alten Schwächen und kaum neue Stärken. Aber es baut auf einem sattelfesten Grundstein etwas unheimlich Beschwingtes für euch und eure hoffentlich nur einen Klick entfernte Freundesliste. Genau das Richtige für den gerade einsetzenden Herbst.

8 / 10

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