Braid
Es ist immer wieder ein totaler Knalleffekt, wenn man auf einmal in der Spiellogik tickt und das Denken um die dritte Ecke noch belohnt wird. Etwas Ähnliches habe ich nur bei Portal erlebt. Man verspürt hinterher eine unbändige Lust, das Spiel seinen Freunden zu zeigen oder sich mit Leuten, die es ebenfalls gespielt haben, darüber zu unterhalten.
Braid übertrifft Portal sogar in gewisser Weise. Viel mehr noch als der Valve-Hirnverbieger hat sich Jonathan Blows Arcade-Eintrag auf die Fahnen geschrieben, sich nicht zu wiederholen. In jeder Welt will Braid seinem Gast etwas Neues zeigen, wirft fast im Vorbeigehen die Regeln des Spiels durcheinander und erfordert stets aufs Neue, dass er sich mit den veränderten Begebenheiten auseinandersetzt. Braid bricht also nicht nur mit den Regeln und Klischees des Jump’n’Runs, sondern auch mit denen des gemeinen Knobelspiels, das sein Heil schon seit Tetris in der Wiederholung sucht – und meist auch findet.
In Welt 2, der ersten, die Ihr zu spielen bekommt, ist es lediglich die X-Taste, mit der Ihr die Zeit zurückspult und Geschehenes ungeschehen macht. Gegenstände und Türen mit grüner „Aura“ sind allerdings von dieser Regel ausgenommen: Euer Zeit-Schabernack interessiert sie einfach nicht. Beispiel gefällig? Gern.
Zwei Türen – die erste „grün“, die andere handelsüblich. Ihr lauft mit dem Schlüssel zur grünen Tür und öffnet diese. Der Schlüssel ist damit verbraucht, die andere Tür aber immer noch ein undurchdringliches Hindernis. Kein Schlüsseldienst weit und breit. Ihr spult also zurück zu dem Zeitpunkt, bevor der Schlüssel die grüne Tür entriegelte und damit zerbrach. Da für die grüne Tür die Zeit aber normal weiterläuft, bleibt sie geöffnet und Ihr könnt den Schlüssel an der verbleibenden Tür benutzen.
Diese grüne Aura umgibt im weiteren Verlauf auch Schlüssel, Plattformen oder einige der wuscheligen Gegner, die Ihr hin und wieder als Sprungbrett oder Laufburschen ausnutzen müsst. An einigen Stellen werdet Ihr selbst kurz von einer grünen Aura umgeben und könnt Euch unabhängig vom temporalen Fluss bewegen. Jedes Element, ob Schlüssel, Gegner oder Plattform, ist mit viel Bedacht in der Welt platziert und nicht ohne Grund dort, wo es ist. Und das macht das Spiel und seine Rätsel so logisch – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirken mag.
Mithilfe dieser grundlegenden Elemente wäre Braid schon ein exzellentes Spiel. Alleine die erste Welt sorgt für einige der tollsten Aha-Momente der letzten Zeit. Doch Braid geht noch weiter und schmeißt in jeder Spielstufe eine Variation in den exotischen Mix: In Welt Drei spulen Eure Bewegungen die Welt unweigerlich vor und zurück – egal, was Ihr tut. In Welt Vier erzeugt das Zurückspulen einen schattenhaften Doppelgänger von Euch, der jede der zurückgespulten Aktion noch einmal durchführt.
Noch mehr zu verraten, grenzte vermutlich an Spaß-Totschlag ersten Grades. Der Schöpfer von Braid – Jonathan Blow – hat vollkommen recht, wenn er in seinem offiziellen Braid-Walkthrough dazu auffordert, keinen Walkthrough zu benutzen. Seine angebliche Lösungshilfe endet damit schon auf Seite 1 und vielleicht hätte ich es auch genau so mit diesem Test halten sollen. Man muss es einfach selbst erlebt haben. Wer sich wegen 15 Euro davon abhalten lassen will, dem ist nicht mehr zu helfen.
Braid ist von vorne bis hinten einfach traumhaft, ein perfekt geöltes Uhrwerk aus subtil ineinander greifenden, einzelnen Rätseln und eine tolle Geschichte obendrauf. Braid ist Verwirrung und Erleuchtung zugleich – und das beste Stück Spiel, an das ich dieses Jahr Hand legen durfte. Schade, dass ich nicht zurückspulen kann, um es noch einmal aus Neue durchzuspielen.
Braid ist im Xbox Marktplatz für 1200 Punkte zu erstehen. Greift zu!