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Bravely Second: End Layer - Test

Das beste Final Fantasy, das keines ist.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Ein bezauberndes Rollenspiel mit großartigem Kampfsystem, aber leider uninteressanter Handlung.

Besucht irgendwo im Internet einen Beitrag zu Bravely Default. Ganz egal ob Blog, YouTube-Video oder Post in einem Forum, überall drängelt sich ein bestimmtes Thema an die Spitze der Diskussion: der vollkommen unnötige letzte Akt. Obwohl Bravely Default eindeutig zu den besten japanischen Rollenspielen der letzten Jahre gehört, war das Ende eine unerwartete Katastrophe. Statt die Handlung nach dem finalen Endkampf in befriedigender Weise abzuschließen, schickte das Spiel eure Helden lieber mehrfach durch eine unveränderte Zeitschleife. Selbst bei hohem Tempo benötigte man ein paar Stunden für die ätzende Beschäftigungstherapie, bevor endlich das wahre Ende über den Bildschirm flimmerte. Wahrscheinlich eines der schlimmsten Beispiele grauenhafter Spielstreckung.

Entsprechend stellt sich beim Nachfolger die dringende Frage: Wiederholt Bravely Second diesen Schwachsinn?

Nein, zum Glück nicht. Und allein deswegen ist es das bessere Spiel. Knapp 40 Stunden habe ich für das Abenteuer gebraucht, wobei ziemlich viel Zeit in optionalen Nebenaufgaben steckt. Wer sich allein auf die Handlung konzentriert, erreicht das Ende garantiert wesentlich früher. Es besitzt genau die richtige Länge für seine Inhalte und fühlt sich in keinem Moment gestreckt an. Genau das war die zentrale Schwäche des Vorgängers, der anscheinend unter einem Minderwertigkeitskomplex litt und sich deshalb unbedingt zu einer unrealistischen Größe aufblasen musste.

Der zuckerbunte Bilderbuchstil eignet sich hervorragend für die 3D-Fähigkeiten des Handhelds.

Leider ist es auch der einzige Punkt, in dem sich die beiden Spiele unterscheiden. Bravely Second: End Layer wirkt mehr wie eine aufgebohrte 1.5-Fassung. Starke Fortschritte braucht man nicht zu erwarten. Einige der alten Charaktere sind zurück, ein Großteil eurer Reise besteht aus bereits besuchten Gebieten und auch das Kampfsystem wurde fast unverändert im Copy-&-Paste-Stil übernommen.

Letzteres ist weniger problematisch, da die innovativen Mechaniken noch immer frisch wirken. Obwohl Gefechte einer rundenbasierten Struktur folgen, dürft ihr mehrere Aktionen nacheinander ausführen oder in eine Verteidigungshaltung gehen und somit zusätzliche Züge anhäufen. Vor allem bei Bosskämpfen möchte man gegen Ende gerne alles auf eine Karte setzen und den Obermacker mit der gesamten Vierertruppe mehrfach attackieren. Sollte er den Sturmangriff allerdings überleben, müsst ihr hilflos zusehen, wie er die Gruppe schonungslos verprügelt. Durch die Züge aufsparende Default-Aktion lassen sich andererseits wunderbar verheerende Schläge der Feinde einstecken, um anschließend mit doppelter Kraft zu kontern.

Viele der 30 Jobklassen lassen sich nur über Nebenmissionen freischalten.

Außerdem ist das System eine willkommene Hilfe für die Vernichtung gefahrloser Gegner-Mobs. Einfach die Animationsgeschwindigkeit hochschrauben, mit allen Kämpfern viermal Brave aktivieren und schon regnet es wertvolle Erfahrungspunkte. Grinden ist zum reinen Abschluss der Story zwar nicht dringend notwendig, aber eine definitive Voraussetzung für die ausschöpfende Nutzung des Jobsystems. Insgesamt 30 verschiedene Klassen können freigeschaltet werden und jede besitzt natürlich ihre eigenen Fähigkeiten. Wer gerne experimentieren oder zwanghaft das maximale Potenzial seiner Gruppe freisetzen will, muss entsprechend Zeit in das Sammeln der benötigten EXP investieren. Ich persönlich habe nichts dagegen und erfreue mich sogar an leichtem Grinding, wenn es wie hier angenehm umgesetzt ist. Mal kurz in der Bahn oder im Bad den 3DS aufklappen, ein paar Monster zerlegen und schon kann ich eine neue Fähigkeit ausprobieren.

Weniger gut gefallen hat mir die Verwurstung bekannter Areale. Gegen den Einsatz von zwei alten Truppenmitgliedern sowie diversen Nebencharakteren habe ich nichts einzuwenden. Es war sehr schön, Tiz und Edea zurück in meiner Gruppe zu sehen und ihre Interaktionen mit den beiden Neuzugängen zu erleben. Bei den Umgebungen sieht es aber etwas anders aus. Obwohl manche Orte leichte nostalgische Gefühle weckten, stimmt die Aufteilung einfach nicht. Ein paar der früheren Gebiete zu sehen ist ganz nett. Wenn aber weniger als die Hälfte aus neuen Orten besteht, beginne ich sofort damit, über Budget-Restriktionen zu spekulieren, da ich nicht glauben kann, dass die Entwickler absichtlich so viel Recycling betreiben wollten.

Bottom heavy.

Ebenso enttäuschend ist die Handlung. Bravely Default hatte keine überragende Narrative und orientierte sich absichtlich an den simpel gestrickten Geschichten der ersten Final Fantasy. Trotzdem war es bis auf die finalen Stunden stets interessant. Bravely Second verlässt sich nach einem positiven Start dagegen zu sehr auf banale Klischees und übertreibt es während vieler Konversationen mit peinlichem Humor. Meine Fantasy-RPGs müssen sich nicht jederzeit ernst nehmen, aber Bravely Second verfällt definitiv zu oft in unlustiges Geschwafel.

Falls eine tiefgehende Geschichte mit ergreifenden Dialogen für euch in einem Rollenspiel unerlässlich ist, solltet ihr den Kauf von Bravely Second: End Layer definitiv überdenken. Es richtet sich mehr an Spieler, die hauptsächlich Wert auf ein fantastisches Kampfsystem mit einer Vielzahl an Konfigurationsmöglichkeiten legen und sich die Strukturen traditioneller Rollenspiele aus dem fernen Nippon herbeiwünschen. Dabei fühlt sich Bravely Second nie veraltet an, sondern schafft es gekonnt, sämtliche Mechaniken zu modernisieren. Selbst Zufallskämpfe können auf Wunsch jederzeit komplett abgeschaltet werden, sollte man ohne Störungen durch ein Gebiet schlendern wollen.

Ich habe meinen zweiten Besuch in der Welt von Luxendarc trotz der erwähnten Schwächen sehr genossen. Die bezaubernde Bilderbuchoptik mit ihren wunderschönen Hintergründen schafft zusammen mit der fantastischen Musik eine unvergleichliche Atmosphäre. End Layer mag keine innovativen Fortschritte machen, doch ist das Grundgerüst so gut, dass es mich in diesem Fall wenig störte. Am besten betrachtet man es als Bravely Default 1.5 ohne den dämlichen Schwachsinn zum Schluss. Und damit ist es zwar ein sicheres, aber auch verdammt gelungenes Rollenspiel.

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