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Bridge Project – Test

Lässt sämtliche Farm- und Baustellensimulatoren wie ausgereifte Spieleperlen aussehen.

Tutorials sind eine schwierige Sache. Irgendwie müssen dem Spieler die Grundlagen vermittelt werden, ohne dass er sich dabei vorkommt wie in einem Klassenraum. Viel zu oft quälen wir uns durch seitenlange Texte, vergessen dabei die Hälfte wieder und werden zudem noch komplett aus der Welt gerissen, bevor das Spiel überhaupt richtig begonnen hat. Aber nicht jeder Titel kann so packend wie God of War beginnen, bei dem das Tutorial zu den besten Stellen des Abenteuers gehört.

Oh Gott, womit habe ich das verdient?

Wahrscheinlich fiel den Entwicklern von Bridge Project keine gute Einführung ein, weswegen sie sich kurzerhand dazu entschlossen haben, die lästigen Erklärungen einfach wegzulassen. Stattdessen versteckt man ein paar mickrige Hinweise im Menü, die eher wie die Beschreibungen einer Packungsrückseite wirken. Im Anschluss fühlt ihr euch nämlich genauso schlau wie vorher.

Also durfte ich mich ahnungslos und ohne jegliche Erfahrung im realen Brückenbau an den Titel setzen, der mich mit seiner unfreundlichen Aufmachung direkt wieder verscheuchen wollte. Bereits auf dem Startbildschirm begrüßen einen die hässlichen Hintergründe, die starke Erinnerungen an zehn Jahre alte Flashgames wecken. Nur ließen euch diese nicht so sehr im Dunkeln stehen.

Mein Augenarzt hat mir direkten Blickkontakt verboten.

Nachdem ich verzweifelt eine Art Einführung in das Spielprinzip gesucht hatte, klickte ich ratlos auf eine der vier unterschiedlichen Umgebungen, gegen die sogar die ersten Stillleben-Versuche eines Grundschülers aufregend wirken. Man hat die Wahl zwischen einer toten Stadt, einem leeren Canyon oder verlassenen Landstraßen. Wer sich ganz verrückt und spontan fühlt, wechselt zu den gemischten Karten.

Ich entschied mich zunächst für die Stadt und wurde kurz darauf mit meinem ersten Brückenbau beauftragt. Es blitzten ein paar Anweisungen für die Mission auf, bevor mich das Spiel erneut im Regen stehen ließ. Zwischen den zwei Enden einer Straße sollte ich also irgendwie eine Brücke basteln, über die anschließend mehrere Autos und Busse gejagt werden, um die Stabilität zu testen. Ok, erst einmal mit der Steuerung vertraut gemacht, die mich durch ihre besondere Nutzer-Unfreundlichkeit schnell wissen ließ, dass ich die Kamera am besten in Ruhe lasse. Zwar kann man diese leicht zur Seite schwenken oder an das Projekt heranzoomen, doch der Winkel lässt sich nur krampfhaft sowie unglaublich langsam drehen. Man hätte es daher auch ruhig bei einer 2D-Optik belassen können, was mein Sehnerv ebenso begrüßt hätte.

Da sich über das Feld ein Gittermuster im Millimeterpapier-Design legt, wäre spielerisch kein Unterschied entstanden. Auf dem Raster legt ihr an den Kästchen Eckpunkte fest, zwischen denen ihr anschließend Teile der Brücke mit dem Mauszeiger zieht. Und direkt klafft eine riesige Lücke auf, die einem ein Problem nach dem anderen an den Kopf wirft. So darf man beispielsweise keine richtige Kollisionsabfrage erwarten. Viel zu oft habe ich genau auf einen Ankerpunkt geklickt, nur um die Halterung an der falschen Position einrasten zu sehen. Viel schlimmer ist allerdings die Größe des Gitters.

Zwischen den Eckpunkten könnt ihr nicht arbeiten.

Zu grob und weit auseinander liegen die möglichen Punkte, zwischen denen sich Teile verbinden lassen. Besonders auf kleineren Karten zu Beginn habt ihr keine Möglichkeit, eure Vorstellungen der perfekten Brücke zu verwirklichen. Daher ähneln eure Werke eher moderner Kunst und keinem Designer-Projekt. Selbst in späteren Aufgaben hält euch die strikte Vorgabe des Rasters zurück und auch der Experten-Modus, der nur die Arbeitsschritte erhöht, ändert daran nichts. Kreative Unterdrückung aller erster Güte.

Obwohl in späteren Abschnitten noch weitere Materialien und kompliziertere Bauarten hinzu kommen, erhöht man zwar den Schwierigkeitsgrad, die Freiheiten bei der Planung bleiben jedoch auf ein Minimum reduziert. Man will alle Teile sinnvoll nutzen und eine optisch anregende Brücke erschaffen, greift nach frustrierenden Fehlversuchen hingegen wieder zu langweiligen Methoden, die dafür sicher funktionieren. Der Einsatz anderer Materialien erzeugt leider keine neuen Resultate, wodurch man kaum zum Abwägen gezwungen ist. Problemlos schafft man es durch sämtliche Aufgaben, knallt vor Langeweile aber mit dem Kopf auf die Tastatur. Zunächst denkt man noch, es gäbe für jede Mission eine clevere Lösung, die alle vorgegebenen Materialen involviert, doch stößt man recht früh auf die harte Realität. Der gesamte Aufbau zusammen mit einer sich stets wiederholenden Missionsstruktur verpasst dem Titel den endgültigen Gnadenstoß.

Kreativer Unsinn

Neue Level baut man im Editor, der natürlich genauso wenig erklärt wird und einen ohne Schwimmflügel ins kalte Wasser schubst. Ich habe ein paar Minuten ernsthaft versucht, die einzelnen Elemente zu erlernen und eine normale Aufgabe zu erstellen. Zehn Minuten später hatte ich die gesamte Karte mit Hügeln und über 100 Windrädern gefüllt, ohne auch nur eine produktive Sekunde verbuchen zu können. Durch das limitierte System ließen sich kaum Änderungen zu den normalen Missionen finden. Immerhin hatte ich damit ein wenig Spaß, selbst wenn meine Karte eher einer Karikatur Hollands ähnelte.

Die Belastung jedes Bauteils sieht man nur in der Testphase. Problemzonen lassen sich trotzdem unschwer damit erkennen.

Dieser Trash-Faktor ist der einzige Punkt, den ich Bridge Project anrechnen kann. Ein paar Minuten unter geistiger Abwesenheit fröhlich die Umgebung ins Lächerliche ziehen und die gesamte Karte mit nutzlosen Objekten zumüllen, bis es an das Projekt eines irren Architekten erinnert. Im Hauptmodus besteht die einzige Freude aus den Testversuchen nach der Bauphase, in denen verschiedene Fahrzeuge über euer Bauwerk geschickt werden. Teilweise müsst ihr sogar Zugbrücken basteln, um ein Schiff durchzulassen. Ich verlegte mich später lieber auf pures Chaos, da die Physik öfters vergisst, auf welchem Planeten das Spiel stattfindet und sich Bauteile häufig wie Gummistangen verhalten. Richtig amüsant wird es bei der Einführung von Kabeln und Pistonen, mit denen man eine ordentliche Verwüstung anrichtet.

Bei aller Liebe, haltet Bridge Project von eurer Festplatte fern. Selbst die größten Trash- und Simulations-Freunde sollten nur zuschlagen, wenn sie unbedingt 20 Euro loswerden wollen und das Fenster zu weit weg ist. Viele kostenlose Flashgames und zahllose günstige Apps geben euch mehr Möglichkeiten zur Entfaltung eurer Brückenvorstellungen und helfen zudem mit einem Tutorial. Man hielt sich bei der Entwicklung so weit wie möglich aus dem Definitionsbereich von "intuitiv" heraus, um diese digitale Katastrophe zu ermöglichen. Das Interface ist unnötig umständlich, die Optik eine Bestrafung für euer Augenlicht und die Bau-Optionen belaufen sich dank des restriktiven Gitters auf das Nötigste. Da hole ich doch lieber meine alten Bausteine aus dem Keller.

2 / 10

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