Broken Roads im Test: Der Titel sagt leider alles, was ihr wissen müsst
Broken Road, Take me Home…
Ich nehme euch gleich mal direkt mit. Denkt euch klassische Rundentaktik aus einer schrägen Vogelperspektive – so schräg, dass hinter Felsen oder Bäumen stehende Charaktere in einer solchen Art als grüne und rote „Schatten“ dargestellt werden, dass man sie spätestens dann kaum voneinander unterscheiden kann, wenn sie dicht beieinanderstehen. Aber darum soll’s nicht gehen.
Wie blöd wäre es aber, wenn ihr einen Gegner partout nicht anklicken und damit auch nicht attackieren könnt, bevor der noch mal mächtig zulangt? Oder wie seltsam wäre es, wenn ihr eure ganzen Charaktere verliert, bis der letzte schließlich von Feinden eingekreist ist – bevor seine Mitstreiter auf einmal wiederaufstehen, ein Bekannter aus dem Dorf ankommt und meint: „Juchhu, ihr habt sie besiegt, ohne einen einzigen Mann zu verlieren!“
Jetzt wisst ihr in etwa, wie viel… Spaß man mit Broken Roads haben kann.
Dabei hatte ich mich sehr auf dieses Abenteuer gefreut. Als erzählstarkes Rollenspiel will es nämlich das Tun seiner Spieler so steuern, dass sie in Multiple-Choice-Situationen nicht einfach jene Option herauspicken, mit der sie am schnellsten ihren Charakter aufleveln oder das meiste Geld rausschlagen. Stattdessen greift in manchen Dialogen ein Moralsystem, das ausschließlich solche Antwortmöglichkeiten zulässt, die dem Weltbild des Alter Ego entsprechen.
Genau genommen ist dieses Weltbild unterteilt in Humanismus, Nihilismus, Utilitarismus sowie Machiavellismus und man entscheidet gleich während der Charaktererstellung, welcher Philosophie das virtuelle Ich in etwa folgt. Es wird dabei nicht auf genau eine Einstellung festgelegt, aber sämtliche im Spiel dann folgenden Antwortmöglichkeiten liegen innerhalb des so festgelegten Meinungsspektrums. Man kann dieses Spektrum über die Zeit zwar leicht verschieben, indem man Antworten gibt, die in seinen Randbereichen liegen. Grundsätzlich ändert sich daran aber wenig.
Nun ist so ein vom philosophischen Blick getriebenes Dialogsystem natürlich prädestiniert für ein postapokalyptisches Australien, in dem verschiedene Gruppen von Überlebenden ähnlich wie in The Last of Us unterschiedliche Regeln für ihre neuen Gemeinschaften aufstellen. Wie schützen sich Gemeinden vor Gefahren? Wie gehen sie mit Gesetzesbrechern um? Wie tolerant sind sie gegenüber Fremden? Um solche Fragen geht es.
Sprich, das Szenario ist faszinierend, der Wegfall min-max-getriebener Entscheidungen zugunsten charakterimmanenter Gespräche aller Ehren wert und der philosophische Schwerpunkt ein interessanter erzählerischer Aufhänger.
Abgesehen davon ist man mit einer großen Gruppe an Begleitern unterwegs, die aber nicht ständig dabei sind. Vielmehr wählt man vor dem Wechsel in eine andere Siedlung, welche Charaktere das Alter Ego begleiten sollen. Das ist wichtig, weil das automatische Reisen (man sieht lediglich einen Pfeil von einem Ort zum nächsten wandern) gelegentlich von Zufallskämpfen unterbrochen wird. Und wenn das passiert, sollte man den Angreifern eine taktisch sinnvoll zusammengestellte Truppe gegenüberstellen.
Wobei: Im Grunde funktioniert jede Zusammenstellung. Selbst entwickeln kann man Werte und Fähigkeiten der Mitstreiter ja nicht. Das geschieht ganz von alleine, während man nur den oder die Protagonistin rollenspielt. Das trägt also nicht gerade dazu bei, den bereits beschriebenen Kämpfen zusätzliche Tiefe zu verliehen.
Zumal auch deren müde Inszenierung einschläfernd wirkt und das Figurenverschieben trotz Deckungssystem sowie einer Art Overwatch nicht annähernd so vielschichtig ist wie in XCOM oder den noch näher verwandten ersten zwei Fallout-Teilen. Mitunter ist es sogar fehlerhaft, wenn man etwa unter bestimmten Umständen beliebig oft in einer Runde attackieren kann oder wenn ein Feind extra einen Sprint nutzt, um an einen meiner Kämpfer heranzukommen, nur um sich dort dann zu heilen, aber nicht anzugreifen.
Immerhin wirken sich die Wahl der Charakterklasse sowie der moralische Kompass auf passive Fähigkeiten aus – mein virtuelles Ich stellt sich etwa schützend vor einen nahen Begleiter, falls der bereits stärker angeschlagen ist.
Leider spielt die Wahl der Begleiter pro Ausflug aber rein erzählerisch kaum eine Rolle. Die haben in den Gesprächen ja fast nichts zu sagen, praktisch alle Entscheidungen trägt das Alter Ego, ohne dass die Gruppe darauf reagiert. So etwas wie Beziehungskisten gibt es schon gar nicht.
Ach, doch: Irgendwann konnte meine Figur mit zwei Dialogpartnern ins Bett gehen. Dazu klickt man die entsprechende Multiple-Choice-Option einfach an, dann gibt’s eine kurze Schwarzblende und danach ist das vermeintliche Techtelmechtel auch schon vorbei. Tatsächlich musste ich im Anschluss daran überlegen, ob das gerade wirklich stattgefunden haben soll. Ja. Sollte es.
Viel schlimmer ist aber, dass auch das eigentliche Spiel ein erstaunlich bedeutungsloses Abklappern meist reiner Fleißaufgaben ist.Das ist in einem Abenteuer dieser Bauart bis zu einem gewissen Teil sicherlich kaum vermeidbar, aber ich bin doch enttäuscht davon, wie leer sich das Herumlaufen und Durchklicken von Dialogen hier anfühlt.
Man wird ja nicht in spannende Kurzgeschichten gesogen, sondern arbeitet meist nur den Dialogbaum ab, um das aktuelle Ziel zu erreichen. Schön, dass man dabei manchmal die Wahl hat, wie man das tun will – weniger schön, dass das seltsamerweise kaum nennenswerte Folgen hat. Dadurch fühlt sich Broken Roads über weite Strecken mehr wie eine dieser relativ seichten Graphic Novels an, da man fast nur am Lesen und Durchklicken ist.
Und zumindest lernt man darüber eine vielseitige Welt kennen. Wie verhält man sich etwa an einem Ort, in dem es Leibeigene gibt, die diesen Status sogar ihren Kindern vererben? Ich hätte mich wenigstens gerne mit den anderen Party-Mitgliedern über einige der erlebten Dinge unterhalten. Andererseits: Welche Rolle spielt das alles, wenn man nur in seltenen Situationen überhaupt Position beziehen kann?
In den meisten Dialogen ist es nämlich egal, was man alles sagt. Tatsächlich habe ich mitunter einige mir unangenehme Optionen weggelassen – nur um irgendwann festzustellen, dass es effektiver ist einfach sämtliche Stichpunkte abzuarbeiten, weil man sonst schon mal einen wichtigen Schritt für eine Mission verpasst.
Es gibt nur wenige Unterhaltungen, in denen dann auf einmal sämtliche Antwortmöglichkeiten aller philosophischen Überzeugungen theoretisch zur Verfügung stehen, während man natürlich nur solche aktivieren darf, die der Einstellung des Alter Ego entsprechen. Was vor allem zwei Folgen hat.
Folge eins: Es geht nicht um Argumente, die in der jeweiligen Situation logisch erscheinen. Denn die standen mir mitunter gar nicht zur Verfügung. Stattdessen musste ich eins wählen, das in der Vorauswahl enthalten ist.
Folge Nummer zwei: Ich habe mich deshalb doch tatsächlich dabei ertappt, eine Antwort zu wählen, die den moralischen Kompass so verschieben würde, dass ich später mehr der gewünschten Optionen wählen könnte.
Im besten Fall ist das Ergebnis der bei der Charaktererstellung gestellten Fragen zum Bestimmen der moralischen Einstellung also zu ungenau. Im schlimmsten Fall muss man sogar festhalten, dass das System das genaue Gegenteil von dem bewirken kann, wofür es ursprünglich gedacht war. Ein besseres Rollenspiel ist Broken Roads damit jedenfalls nicht.
Broken Roads ist auf allen Plattformen digital erhältlich, wobei die PC-Fassung in jedem Fall etwa fünf Euro günstiger ist als die Konsolenversionen. Eine Umsetzung für Switch soll zudem folgen.
Es gibt noch viele weitere Brüche. So war mir zum Beispiel oft unklar, was ich eigentlich tun muss, weil die Beschreibungen einzelner Quests das gar nicht angeben. Als ich eine Person etwa aus dem Gefängnis befreit hatte und er „nach Hause“ ging, hieß es weiterhin, ich soll ihm im Austausch für eine bestimmte Information aus dem Gefängnis befreien. War das nun ein Programmfehler oder wo würde ich ihn finden. Wo er wohnt, steht jedenfalls nirgendwo geschrieben.
An anderer Stelle konnte ich jemanden nicht ansprechen, obwohl ich das eigentlich tun sollte. Es kam auch vor, dass ich eine Person nicht dort gefunden habe, wo ich sie aufsuchen sollte, obwohl ich das (ohnehin winzige Areal) bereits mehrfach abgelaufen bin. Es gibt zwar schnell eine große Reihe an Haupt- und Nebenaufgaben. Dort fehlt aber ein roter Faden; man bekommt einfach von verschiedenen Leuten tausend Dinge zu tun.
Vor allem fehlen mir Einträge mit Informationen zu den Charakteren und Ereignissen sowie das Beseitigen mancher Logikfehler, sodass man das Geschehen besser sortieren und ihm folgen kann. Und ich weiß bis heute übrigens nicht, warum an einer Stelle bestimmte Begleiter auf einmal erstaunlich sauer auf mein Alter Ego waren, nachdem ich zuvor mehrmals in ihrem Interesse entschieden hatte.
Es hilft nicht, dass die Welt in keiner Form irgendwie spielerisch interessant, an manchen Stellen sogar fehlerhaft ist. So führt die Wegfindung mitunter ins Nirgendwo, über erstaunliche Umwege ans Ziel oder durch Zäune hindurch. Außerdem klickt man sich durch Behälter, die zum reinen Selbstzweck in der Welt fallengelassen wurden. Dass man kommentarlos einen Behälter mit Wasserflaschen looten kann, der direkt zu den Füßen einer Person steht, die gerade noch erzählt hat, wie schwer es ihr fällt, mit dem Verkauf von Wasser ihr Geld zu verdienen, ist jedenfalls absurd.
Broken Roads im Test – Fazit
Ich gehöre zu jenen Menschen, denen eine clevere und gut ausgearbeitete Idee wichtiger ist als irgendein Gesamtwert aller Teile. Wenn ein zentrales Element so vereinnahmend ist und der Rest sinnvoll in dessen Dienst steht, dann muss ein Spiel nicht perfekt sein, um mich in seinen Bann zu ziehen. Doch Broken Roads hat viel zu große Probleme, als dass sein zentrales Element die zahlreichen technischen und inhaltlichen Fehler überspielen könnte. Das fängt bei der schwachen Rundentaktik an und hört bei dem Abklappern meist reiner Fleißaufgaben an kleinen Schauplätzen nicht auf.
Vor allem aber erfüllt der moralische Kompass nur auf sehr eingeschränkte Art seinen Zweck, denn dass er zu einer Vorauswahl an Antwortmöglichkeiten zwingt, hält mich als Rollenspielenden davon ab, eine für mein Empfinden logische Dialogoption zu wählen. Stattdessen fühlte ich mich nach der recht freien Charaktererstellung oft mehr als Zuschauer – was nicht besser dadurch wurde, dass man im Großteil der Dialoge ohnehin keine Möglichkeit hat, eine Position zu den Entwicklungen einzunehmen. So interessant die Ausgangslage und einige der Geschehnisse in diesem postapokalyptischen Australien also sind und so unterhaltsam das als Visual Novel sein mag, so wenig elrebt man hier ein gutes interaktives Abenteuer.
Broken Roads | |
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