Brütal Legend
Das Lustspiel mit dem Axt-Effekt
„Ich würde dich ja ganz höflich um die Bass-Saiten bitten. Aber du wirkst nicht wirklich zugänglich“, sagt Eddie zu der elefantengroßen Spinne aus chromblitzendem Metall, die sich in der Höhle bedrohlich vor ihm aufbaut. „Also komme ich aus Respekt vor dir auf den Punkt …“, fährt der Rocker fort, „… WO ICH DIR IN DEN ARSCH TRETE!“
Aus genau diesem Körperteil flutschen übrigens üblicherweise die Bass-Saiten, von denen Eddie gefaselt hat. Er will die Dinger für Lemmy besorgen, den Kill Master. Damit dieser die lebensgefährlich verletzte und ziemlich scharfe Ophelia mit einem Gitarrensolo rettet. Deshalb hat sich Eddie ja überhaupt in die Behausung des fiesen Gliederfüßlers begeben, obwohl ihm prophezeit worden war, dass die Spinnenkreatur ihn garantiert zerfetzt und ihre Eier in seinen Augenhöhlen ablegt. Oh, ihr versteht nur Bahnhof? Das klingt alles irgendwie nach geschlossener Psychiatrie? Also total krank? Stimmt. Willkommen bei Brütal Legend!
„Blöde Pisswichser“ nennt Eddie, der Protagonist des Spiels, seine Feinde gemeinhin. Nein, er ist wahrlich nicht auf den Mund gefallen. Und sein geistiger Vater, Kult-Spielemacher Tim Schafer, macht es Rezensenten schwer, zu beschreiben, was einen nach Titeln wie The Secret of Monkey Island, Day of the Tentacle, Vollgas, Grim Fandango und Psychonauts diesmal erwartet. Hack'n'Slay-Action-Adventure-Echtzeitstrategie-Musik-Rennspiel klingt irgendwie dämlich.
Letztlich entpuppt sich Brütal Legend als interaktive Heavy-Metal-Zeichentrickkomödie. Komplett durchgeknallte, aber für ein Spiel ungewöhnlich liebevoll ausgearbeitete Heldencharaktere, Schurken und Nebenfiguren, grandiose Dialoge und eine irrwitzige, wendungsreiche Geschichte peitschen euch durch eine offene Phantasiewelt, die die Optik eines grellen Achtzigerjahre-Plattencovers an den Tag legt. Was es hingegen nicht ist: ein Titel, der den Mann oder die Frau am Gamepad durch eine abwechslungsreiche Spielmechanik vorantreibt.
Eddie Riggs, seines Zeichens Roadie – sprich Bühnenarbeiter –, verschlägt es in ein Fantasy-Paralleluniversum, in dem der Heavy Metal magischen Kräften gleichkommt. Wie es sich gehört, wird diese Welt vom Bösen bedroht. Der Recke, ein Ebenbild von US-Schauspieler Jack Black in muskulöser Form, will das verhindern. „Ich bin Roadie, ich schaffe den Müll von der Bühne!“, knurrt der Lederjackenträger und pflügt mit einer Axt und einer E-Gitarre, die unter anderem Blitze schleudert, durch Horden bizarrer Gegner. Dabei verzweifeln weder Motorik-Autisten noch Menschen, die Skill mit der Muttermilch aufgesogen haben. Es gibt feste Speicherpunkte und drei Schwierigkeitsgrade: „Sanft“, „Normal“ und „Brütal“.
Unter anderem wollen Kriegsnonnen, Sado-Maso-Fettsäcke und pinkfarben behütete Vertreter der Glam-Rock-Szene blutig und stilvoll gerichtet und verhackstückt werden. Zu „Verstümmelungen und gelegentlichen Enthauptungen“ kommt es selbstverständlich nur, wenn dies „aus erzählerischen Gründen notwendig ist, der Wahrung historischer Genauigkeit dient oder hammer aussieht“. Allerdings werden im Rahmen der teils morbiden, meist humor- aber auch zeitweise geheimnisvollen und am Ende sogar rührenden Geschichte um Bescheidenheit, Freiheitsstreben, Verrat, Tod und Liebe nicht nur im übertragenen Sinn Herzen herausgerissen. Einer weiteren Erklärung, warum das Spiel ab 18 ist, bedarf es wohl nicht.
An dieser Stelle eine weitere wichtige Warnung fürs allgemeine Seelenheil: Brütal Legend stellt eine Hommage an den „echten Heavy Metal“ und den Beruf des ehrenwerten Roadies dar. Nu-Metal-Fans, Emo-Kinder und andere Poser, die nicht über ein gerüttelt Maß an Selbstironie verfügen, kriegen von Tim Schafer symbolisch ziemlich aufs Maul. Sein virtueller Sohn Eddie hat für derartiges Gesindel maximal ein brummeliges „Aus dem Weg, Dauerwelle!“ übrig, wenn er die Typen vermöbelt. Ich will’s nur erwähnt haben.
Okay, Eddie schnitzelt sich also fröhlich durch die Gegend. Ab und an warten Levelbosse auf eine Sonderbehandlung. Ihr müsst nämlich immer erst deren Schwäche herausfinden. Ein Obermotz ist der vom Ende der Demo bekannte riesige Wurm mit dem mumuähnlichen, zahnbewehrten Rachen, aus dem rotzartiger Schleim spritzt. Mahlzeit!