Brütal Legend
Das Lustspiel mit dem Axt-Effekt
Hin und wieder blitzt der Witz glücklicherweise auch spielerisch durch. Wenn Eddie etwa auf dem Motorrad des Kill Master mitfährt, um wie ein Schäfer wunderlich aussehende Schweine in die Arme der geheimnisvollen Ophelia zu treiben, die die Wildsäue schlachtet und zu Waffen verarbeitet. Große Freude kommt bei Tierschützern auf, sobald der Roadie mit seinem Flitzer 21 Igel überfährt, weil als Belohnung ein neues Gitarrensolo winkt. Damit ruft er künftig ein Rudel der stachelbewehrten Gesellen herbei, die dann für ihn kämpfen. Herrchen kann sich aber auch eines der Tierchen schnappen und dropkicken, also mit dem Fuß durch die Gegend schießen. Vorzugsweise auf Feinde. Oder einfach so, weil‘s zum Totlachen ist.
Was Freunde schnörkelloser Action wissen müssen: Um die speziell für den Mehrspielermodus entwickelten Echtzeitstrategie-Elemente kommt ihr auch im Solisten-Teil nicht herum. Vier-, fünfmal gilt es, eine Basis in Form einer Rockbühne auszubauen, sogenannte Fan-Geysire für den Ressourcennachschub zu erobern, Truppen einzuberufen und in die Schlacht zu schicken. Ehrlich, mir ging das auf den Sack. Das mag an meiner generellen Abneigung gegenüber dem Genre liegen. Eventuell aber auch daran, dass Konsolenspiele nicht wirklich für Feldherrensimulationen gemacht scheinen, weil man sich wegen des Mikromanagements am Gamepad die Finger bricht.
Übersichtlich kann man das das Ganze auch nur bedingt nennen. Dafür fallen die Gefechte reichlich hektisch aus, weil man den mit Dämonenflügeln ausgestatteten Eddie ständig hin und her flattern lässt – Einheiten nehmen Order nämlich nur an, wenn sie sich in der Nähe befinden. Andererseits greift ihr gezwungenermaßen immer wieder selbst kämpfend ins Geschehen ein, weil eure Hilfsspackos es alleine nicht gebacken kriegen. Oder ihr wollt sie beispielsweise mit einem Solo auf der Gitarre stärken und müsst deshalb landen (falls gerade World-of-WarCraft-Spieler mitlesen, die bekanntlich nicht unsere Sprache sprechen: Stärken heißt in diesem Fall so viel wie buffen). Im Gewühl ist es manchmal extrem knifflig, Freund und Feind zu unterscheiden.
3.646 nicht druckreife Flüche später geht das Strategiegedöns dann doch einigermaßen kontrolliert von der Hand und selbst Denkbremsen wie meiner einer zwingen das feindliche Heer in die Knie. Was auch damit zu tun hat, dass die künstliche Intelligenz noch unterbelichteter ist als meine naturgegebene. Man schütze einfach immer nur den Fan-Geysir, der der gegnerischen Basis am nächsten ist, produziere massig Einheiten und presche zur richtigen Zeit zum Stützpunkt des Feindes vor. Rushen nennt sich das wohl in der Fachsprache.
Auf die Idee, euch auch mal durch einen Angriff auf eine andere Ressourcenquelle abzulenken oder ähnliches, kommt der Computerheini selten. Der Mehrspielermodus ist dann schon unterhaltsamer, weil ihr euch dabei natürlich mit anderen Menschen messt. Wobei er mit drei Fraktionen und sieben Karten für bis zu zweimal vier Teilnehmer trotz allem nur eine nette Beigabe darstellt. Gut: Es sind Übungspartien mit KI-Gegnern (fünf Schwierigkeitsgrade) möglich.
Ehe ihr nun ob der erwähnten Schwächen in Tränen ausbrecht und mich zur Strafe in ein Bon-Jovi-Konzert wünscht, weil es ja wohl nicht sein kann, dass ein Tim-Schafer-Werk alles andere als perfekt ist: Ruhig Blut, die locker-leichte Heiterkeit dieses Spiels macht eine Menge wett. Mein Humorzentrum trifft es jedenfalls, wenn Eddie darüber informiert werden möchte, aus welcher Richtung der Feind kommt, deshalb „Grob 11 Uhr?“ fragt und sein Kumpel Magnus „Nein, jetzt!“ antwortet. Nennt mich primitiv, macht mir gar nix!
Tim Schafer beweist sich in seinem neuen Spiel als begnadeter Geschichtenerzähler. Brütal Legend ist manchmal ja sogar lustig, wenn man stirbt. Als sich mein Auto wegen eines Fahrfehlers an einem Abgrund gen Boden der Tatsachen bewegte, erfreute ich mich sehr an Eddies losem Mundwerk, das seiner heißen Beifahrerin schnell noch einen Vorschlag unterbreitete: „Wollen wir rummachen, bis wir aufschlagen?“ Zugegeben, die blöde Ziege lehnte ab. Wenig später holte ich mir aber doch noch das launigste Achievement des Spiels: den French Kiss Instructor. Halleluja!
Brütal Legend erscheint am morgigen Donnerstag, 15. Oktober, für Xbox 360 und PlayStation 3.