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Bus Simulator - Im nächsten Leben werde ich Busfahrer!

Hypnose am Steuer.

Die allererste Tour habe ich ganz schön verpatzt: Auf der kurzen Einstiegsstrecke mit gerade mal fünf Haltestellen habe ich mehrmals mit den Reifen den Bordstein touchiert, beim Einfahren in die Haltebucht vergessen, vorschriftsmäßig den Blinker zu setzen, zuviel Wechselgeld nach dem Fahrkartenverkauf herausgegeben und bin zu allem Überfluss auch noch mit deutlich zu hohem Tempo geblitzt worden.

Aber der Bus Simulator erweist sich als gnädig zu Frischlingen im Bus-iness, bewertet die Katastrophenschicht noch mit stattlichen vier von fünf Sternen und lässt das Erfahrungspunktekonto ordentlich anschwellen. Das hat zur Folge, dass bei dem akribischen Aufbau eines Streckennetzes nicht gleich zu Beginn schon unnötig Frust aufkommt und ihr euch in aller Ruhe um eure Unternehmer-Karriere im ÖPNV kümmern könnt.

Wenn ihr den Bus perfekt innerhalb der Markierung abstellt, bekommt ihr positive Bewertungen von den Fahrgästen und Extrapunkte aufs Konto.

Ziel der Kampagne ist die Erschließung der fiktiven Stadt Seaside Valley für den öffentlichen Personennahverkehr. Bevor ihr euch aber hinter das Steuer klemmen könnt und die ersten Fahrgäste aufnehmt, gründet ihr erst einmal ein neues Unternehmen und bastelt euch in einem arg begrenzten Charakterbaukasten einen Avatar. Ausgestattet mit einem mageren Starkapital von 20.000 Euro und einem einzigen Mercedes-Benz Citaro K als Einnahmequelle geht es dann ans Geld verdienen. Ihr stellt auf einer Übersichtskarte eine erste Strecke mit einer handvoll Haltestellen im Norden der Stadt zusammen und beginnt eure Tour, indem ihr das gut 10 Meter lange Massentransportmittel aus dem Busbahnhof manövriert und euch mit den Abläufen des Fahreralltags vertraut macht.

Eure Busse könnt ihr nach Lust und Laune lackieren und bekleben. Lasst aber noch was Platz für Werbung, das generiert zusätzliche Einnahmen.

Ihr reiht euch in den Verkehr ein, blinkt artig vor der nächsten Haltestelle und platziert den Bus möglichst genau innerhalb der angezeichneten Markierung, bevor ihr den Bus absenkt und die Türen öffnet. Zusteigenden Gästen ohne Fahrschein verkauft ihr Tages-, Wochen- und Monatstickets und achtet darauf, dass ihr das Wechselgeld richtig abzählt, denn Differenzen in der Kasse gehen zu Lasten eures Budgets. Ich hätte mir die Option gewünscht, einen Fahrgast anzuschnauzen, wenn wieder so ein Vollhorst sein 2,40 Euro-Ticket mit einem Fünfziger bezahlt und mir die Zeit stiehlt, aber wenigstens habe ich ihm das Rückgeld extra in 10 Cent-Münzen gegeben. Hat den KI-Kameraden aber glaube ich auch nicht sonderlich gestört.

Dann Türen zu, blinken und ab zum nächsten Stopp. Klingt öde, fesselt aber tatsächlich irgendwo. Später, gerade bei längeren Touren durch mehrere Stadtteile, hat es etwas geradezu Hypnotisches. Aufgelockert wird die schnell in Fleisch und Blut übergehende Routine durch Events, in denen ihr mit den alltäglichen Problemen des Fahrerdaseins konfrontiert werdet.

Ob tagsüber, nachts oder auch mal im strömenden Regen: Die Wetterbedingungen könnt ihr vor jeder Fahrt selbst bestimmen.

Da bleibt ein Depp einfach in der Lichtschranke der Türen stehen, ein Fahrgast hört so laut Musik, dass sich andere beschweren oder der Bus wird vermüllt. In diesen Fällen müsst ihr trotz engen Zeitplans anhalten, den Fahrerstand verlassen und persönlich mit den Leuten sprechen. Und wenn ihr schon mal dabei seid, könnt ihr auch gleich die Fahrkarten kontrollieren. Das lohnt sich, denn für jeden Schwarzfahrer gibt es eine stattliche Fangprämie. Weitere Ereignisse: Ein Fahrgast hat seine Haltestelle verpasst und ihr könnt entscheiden, ob ihr ausnahmsweise mal kurz am Rand anhaltet oder ein Rollstuhlfahrer bedarf Hilfe beim Ein- und Ausstieg. In diesem Fall heißt es, Türen zu, Handbremse anziehen, Rampe ausfahren und die Türen wieder aufmachen.

Wenn ihr das Unternehmenskonto aufbessern wollt, kontrolliert ihr immer wieder mal die Fahrgäste. Für erwischte Schwarzfahrer gibt es 120 Euro Prämie.

Apropos Fahrgäste, da gibt es einiges zu bemängeln. Erstens scheint es gerade mal fünf unterschiedliche Charaktermodelle zu geben, die auch noch abgrundtief hässlich sind, da hätte man schon was mehr aus der Unreal Engine herausholen können. Und zweitens reden die auch noch. Während der Fahrt könnt ihr kopfschüttelnd sich immer und immer wiederholenden Belanglosigkeiten lauschen, wie "Ich habe gestern eine rosa Kuh gesehen.", "Ich glaube ich habe meinen Haustürschlüssel vergessen." oder "Willst du ein Bild meiner Katze sehen?" Das Radio einschalten hilft ein wenig gegen den Wortsalat, auch wenn der Sender nur spieleigene Fahrstuhlmusik zu bieten hat und keinen Zugriff auf ein Internetradio erlaubt. Aber dieses Feature soll laut der Entwickler noch implementiert werden. Zuerst für den Bus Simulator 18 auf dem PC, dann auch auf dem inhaltsgleichen Konsolen-Port, der schlicht auf den Namen "Bus Simulator" hört.

Hübsch hässlich: Die wenigen unterschiedlichen Charaktermodelle der KI-Fahrgäste erinnern eher an The Walking Dead.

Für jede gelungene Aktion werdet ihr direkt mit positiven Bewertungen überschüttet, steigert so die Kundenzufriedenheit und die Anzahl der Gäste an den Haltestellen. Wenn ihr nicht dauernd an Haltestellen vorbeifahrt oder euch auf den Straßen wie eine gesengte Sau verhaltet und einen Unfall nach dem anderen baut, was zu empfindlichen Geldstrafen führt, ist es nahezu unmöglich, nicht profitabel zu arbeiten. Die Gelder sprudeln und schon bald könnt ihr euch neue Busse leisten, von denen es acht unterschiedliche, lizenzierte Modelle im Spiel gibt, und Angestellte beschäftigen, die auf den Routen für Umsatz sorgen. Stück für Stück baut ihr das Streckennetz auf, erschließt neue Stadtteile und verfügt recht bald über einen ganzen Fuhrpark. Die Gefährte könnt ihr nach Wunsch lackieren, bekleben und mit bezahlter Werbung versehen. Der Rubel muss halt rollen.

Die Abläufe bei der Tour steuert ihr bequem mit Controller-Shortcuts oder über ein umfangreiches Aktionsmenü.

Optisch gefällt Seaside Valley in erster Linie durch Abwechslung, nicht durch technische Brillanz oder besonders kreative Einfälle. Es gibt insgesamt 12 Stadtteile mit Industriegebiet, Waldstücken, einer Innenstadt, Hafen, umliegende Dörfer sowie eine brutal verwinkelte Altstadt, in der ihr mit einem 18 Meter-Ungetüm von Gelenkbus schon alle eure Fahrkünste aufbieten müsst, um nicht andauernd Unfälle zu bauen oder gleich den gesamten Verkehr lahm zu legen. Glücklicherweise ist der KI-Individualverkehr lammfromm und stellt sich brav in den Stau, wenn ihr euch irgendwo festgefahren habt, was durchaus häufiger vorkommt. In solchen Fällen könnt ihr per Knopfdruck den Bus wieder auf die Straße setzen und kassiert dafür nur eine geringe Strafe.

Ihr könnt auch einfach aussteigen und zu Fuß Seaside Valley erkunden. Laut den Entwicklern gibt es einige Geheimnisse und Sammelgegenstände zu entdecken.

Eine echte Spielspaß-Bereicherung waren für mich die Mehrspieler- und Sandbox-Modi. Mit bis zu vier Spielern könnt ihr euch im Stadtgebiet tummeln, kooperativ die Strecken bewirtschaften und den Unternehmenswert in ungeahnte Höhen schnellen lassen. Beispielsweise können Spieler unterschiedliche Strecken entwerfen und befahren oder einer steuert den Bus und ein anderer steigt zu und kontrolliert die Fahrgäste. Richtig unterhaltsam ist die Sandbox, in der ihr die mit 15 Quadratkilometern üppig dimensionierte Spielwelt frei erkunden könnt. Sobald ihr Level 8 erreicht habt, startet ihr dazu ein neues Spiel und bekommt unlimitiertes Guthaben aufs Konto gebucht. Damit könnt ihr euch den teuersten Bus kaufen, Fahrgäste komplett ignorieren und einfach mal quer durch die Pampa reisen. Oder ihr steigt einfach aus und macht euch zu Fuß auf Erkundungstour. Die Entwickler versprechen eine ganze Reihe Sammelgegenstände, Eastereggs wie seltene Tiere und gut versteckte Sehenswürdigkeiten.

Eine zahme, aber seltsam faszinierende Alltagssimulation.


Entwickler/Publisher: stillalive studios/astragon Erscheint für: PS4, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 1. Halbjahr 2019 - Angespielt auf Plattform: PS4

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Ulrich Wimmeroth Avatar
Ulrich Wimmeroth: Mag Rollenspiele und Ego-Shooter, sammelt Retro-Konsolen und nutzt seinen PC hauptsächlich zum Schreiben über Spiele. Und für Strategie natürlich. Und das seit Dekaden.
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