Call of Duty: Black Ops 3 - Die offene Struktur der Kampagne
Ihr dürft sogar den letzten Level zuerst spielen.
Eigentlich soll es laut des Konsens' im Internet Leute wie mich gar nicht geben. Immerhin spiele ich Call of Duty ausschließlich für die Einzelspielererfahrung. Ich glaube, den Mutliplayer-Modus der Serie habe ich zuletzt bei Modern Warfare 2 angefasst und bereits nach ein paar Runden wieder aufgehört. Zusammen mit anderen Leuten habe ich nur koop gespielt. Die Spec-Ops-Herausforderungen waren immer ein bis zwei schlaflose Nächte wert und auch der Zombie-Modus konnte mich in den letzten Treyarch-Iterationen für einige Stunden begeistern. Doch gekauft und gespielt habe ich die Reihe immer für den Singleplayer-Modus. Da mag manch einer enttäuscht mit dem Kopf schütteln und in Bezug auf vereinzelte Serienvertreter *hust*Ghosts*hust* kann ich das sogar nachvollziehen.
Aber im Normalfall geben mir die Kampagnen genau das, was ich möchte: einen Abend Bombast-Action zum Entspannen. Genau das scheint mir auch Black Ops 3 zu geben, nur war ich nach der ausführlichen Präsentation vergangenen Monat ziemlich überrascht, wie sehr mich Director Jason Blundell von der Handlung und dem Setting begeistern konnte.
„Mittlerweile gibt es schon den ersten Soldaten, der mit seiner Beinprothese zurück in den Dienst konnte", erzählt Blundell und schwärmt von den Wundern moderner Technik. „Dabei ist es gerade einmal 2015. Stellt euch vor, was in den nächsten 50 Jahren alles passieren kann. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Soldaten aktiv zu Augmentationen ihres Körpers greifen, sollte es ihnen einen Vorteil bringen."
Dieser Gedankengang bildet den Startpunkt der Geschichte. Im Jahr 2065 sind Anti-Luftwaffen so weit perfektioniert, dass Gefechte hauptsächlich am Boden geführt werden, wodurch die Nachfrage hochqualifizierter Einsatzkräfte steigt. Dementsprechend stark ist der Drang zur technischen Optimierung des eigenen Körpers, um sich auf dem Schlachtfeld einen Vorteil zu verschaffen. Hier können wie in einem Deus Ex interessante Fragen aufgeworfen und komplizierte Thematiken behandelt werden. Ich weiß, schon die ersten beiden Black-Ops-Teile basierten auf vielversprechenden Hintergründen, deren volles Potenzial nie ausgeschöpft wurde.
In gewisser Weise verständlich, will man das Ganze schließlich in ein sechsstündiges Abenteuer packen. Zwangsweise gerät der Titel aber so mit dem auf pausenlose Action fokussierten Spielprinzip in Konflikt und lässt viele Informationen einfach fallen. Letztendlich entsteht so eine verwirrende Struktur. Schnell vergisst man wichtige Personen, verliert den Überblick und damit gleichzeitig das Interesse. So erging es auch mir öfter. Zu viele Fraktionen, zu viele bereits im Universum etablierte Figuren, die ich im Gegensatz zu meiner Spielfigur nicht kenne, und dazwischen ein Haufen Schusseinlagen. Selbst mit an den Kopf gehaltener Pistole könnte ich keine Handlung der Reihe auch nur grob rezitieren.
Genau deswegen wählt Black Ops 3 den in meinen Augen richtigen Weg und macht sich diesen Schwachpunkt zunutze. Innerhalb der Geschichte werden Charaktere an verschiedene Informationsterminals gebunden, wodurch auch ihre Wahrnehmung verändert werden kann. Genau wie der Spieler fragen sich die Figuren mit der Zeit, ob sie ihren Sinnen trauen können. Natürlich kann ein solcher Ansatz komplett in die Hose gehen und das Debakel unverständlicher Handlungsstränge noch weiter verschlimmern. Aber zumindest der Versuch, Strukturprobleme nicht zu bekämpfen, sondern sie aktiv für die Erzählung zu nutzen, zeugt von einer löblichen Selbstwahrnemung.
„Eine große Inspiration für diese Herangehensweise war tatsächlich der Zombie-Modus", sagt Blundell und lacht, weil er wohl selbst erkennt, wie seltsam diese Aussage für viele klingen muss. „Statt einer traditionellen Erzählstruktur geben wir den Leuten auf der Zombie-Karte einzelne Bausteine, aus denen sie sich alles zusammensetzen müssen. Viele unserer Spieler motiviert dies zu einer extrem ausführlichen Suche nach Hinweisen. Das ist ein Elemente, das wir auch für die Einzelspielerkampagne nutzen wollten, um sie interessanter zu gestalten."
Neugierig frage ich ihn, ob es für die Zusammensetzung der Handlung eine deutliche Antwort gibt oder jeder seine eigenen Interpretationen entwickeln kann. „Ich kann darüber leider nicht zu viel verraten", antwortet Blundell und setzt zu einer kurzen Pause an. „Aber wir möchten auf jeden Fall, dass die Spieler eine persönliche Erfahrung aus der Geschichte mitnehmen, und wollen sie ihre eigenen Schlüsse ziehen lassen."
Spielerisch setzt sich Black Ops 3 ebenfalls von seinen Vorreitern ab und gibt den Spielern wesentlich mehr Freiheiten als zuvor. „Wir wollen den Leuten keine Restriktionen aufzwingen", erläutert Blundell. „Sie haben für den Inhalt bezahlt und dürfen von Beginn an auf alles zugreifen. Wenn jemand direkt nach dem Start das letzte Level spielen möchte, kann er das gerne tun. Ich empfehle es niemandem, möchte aber auch keinen davon abhalten. Black Ops 3 dreht sich im Kern um spielerische Freiheiten."
Möglich ist dieser Ansatz durch das erweiterte Safehouse-System. Zwischen Einsätzen betritt jeder Spieler seine eigene Basis und darf diese mit Fundsachen aus den Stages verzieren. Spielt ihr im Koop-Modus, führen alle Zimmer zu einem zentralen Hub. Dort könnt ihr Informationen über die Spielwelt nachlesen oder euer Equipment bearbeitet. Somit verleiht man der Lobby eine gewisse Körperlichkeit und bindet jedes Element logisch in die Welt ein. Wollt ihr beispielsweise einen Level starten, betretet ihr den Vorbereitungsraum und wartet dort auf eure Mitspieler. Statt auf ein langweiliges Menü zu blicken, seht ihr auf einem Tisch vor euch die zuvor ausgewählten Waffen. Ein kleines Detail, das ich sehr schätze und dem Spiel zu einer distinkten Persönlichkeit verhilft.
Innerhalb der Level zeigt sich sofort die nächste Änderung: Areale folgen nicht länger einem fest vorgegebenen Pfad. Mehrfach spalten sich die Gebiete in verschiedene Wege auf und überlassen euch die Wahl. Während meiner kurz bemessenen Anspielzeit kämpfte ich mich kooperativ über hohe mit einander verbundene Plattformen. Irgendwann wählten wir unbemerkt verschiedene Wege und ich sah plötzlich das Statussymbol meines Partners hunderte Meter von mir entfernt auf einer Plattform am anderen Ende der Karte. Zwar unterscheiden sich beide Pfade nur anhand kleiner Merkmale, doch allein die Möglichkeit einer spontanen Auswahl lässt die Areale nicht zu starr wirken. Zudem habe ich nur diese kleine Szene gespielt und kann deshalb nicht sagen, wie häufig dieser Aufbau fortgeführt wird und wie differenziert die Wege sein werden.
Ebenso interessant ist die Aufstufung eures Charakters. Im Verlauf der Kampagne dürft ihr zwischen unterschiedlichen Fähigkeiten wählen und so euren Supersoldaten ausbauen. Euer Arsenal reicht dabei von simplen Nahkampfattacken bis zu Erbrechen hervorrufenden Schallwellen. Es sah ein wenig seltsam und zugleich doch amüsant aus, als im Anschluss an eine kurze Handbewegung drei Soldaten gleichzeitig ihre letzten Mahlzeiten auf den Boden sprühten. Bei der Auswahl eurer Fähigkeiten müsst ihr jedoch auf euren Feind achten. Manche Attacken wie der erwähnte Brechreiz funktionieren ausschließlich bei menschlichen Gegnern. Andere bewirken dagegen nur im Kampf gegen Roboter ihren gewünschten Effekt.
Ich muss ehrlich gestehen, keine allzu großen Erwartungen an Call of Duty: Black Ops 3 gestellt zu haben. Eben die gewohnte Qualität der letzten Treyarch-Titel und dazu vielleicht ein paar nette Neuerungen. Nach der sehr ausführlichen Präsentation, meiner kurzen Anspielzeit und dem interessanten Gespräch mit Jason Blundell bin ich mittlerweile allerdings richtig neugierig auf die fertige Kampagne. Und das ist mir bei diesem Franchise schon länger nicht passiert. Ich kann natürlich nicht vorhersagen, ob die Versprechen letztendlich so wie erhofft umgesetzt werden, aber immerhin traut sich das Team den Schritt in eine neue Richtung und ich sehe gespannt zu.