Call of Duty: Black Ops 3 - Test (Kampagne)
Team America trifft auf Source Code.
Die Kampagne von Call of Duty: Black Ops 3 befasst sich mit einem äußerst komplexen Konzept: kybernetische Supersoldaten, die durch ihre neu gewonnenen Körperteile nicht nur übermenschliche Kräfte erhielten, sondern über ein weltweites Netzwerk gleichzeitig verbunden sind. Dadurch können sie sogar in die vergangenen Erlebnisse anderer Personen eintauchen, um so an verloren geglaubte Informationen zu gelangen. Erinnert stark an den Film Source Code von 2011 und da ist es wohl kein Zufall, dass ihr in der zweiten Mission diese Fähigkeit einsetzt, um den Ursprung einer Zugexplosion herauszufinden.
Inszenatorisch ist diese Sequenz ein früher Höhepunkt der Kampagne, gibt es den Entwicklern doch die Möglichkeit, euch innerhalb weniger Minuten an verschiedene Orte zu schicken und schnell die Besonderheiten eurer neuen Fähigkeiten abzuarbeiten. Kein lahmes Tutorial, bei dem das Spiel jedes Mal auf euch wartet, bis ihr eine Aktion tätigt. Nein, ihr werdet direkt am wichtigsten Punkt jeder Szene abgesetzt und dürft das Schlachtfeld frei mit Nanobots beschießen oder feindliche Roboter zur sofortigen Explosion zwingen. Eine kleine Kostprobe späterer Aufträge als flott abgespielter Remix.
Obwohl die Spielmechaniken tatsächlich gut umgesetzt sind und euch das restliche Abenteuer wie einen Superhelden fühlen lassen, verliert die Handlung sofort den Fokus. Erst recht ärgerlich, da es aus denselben Gründen wie in jedem anderen Call of Duty passiert. Die Autoren haben sicherlich eine ganz genaue Vorstellung von den Geschehnissen und Abläufen um euch herum. Die Charaktere ebenso. Nur ihr hockt da und stellt alle zehn Minuten die Fragen: „Warte, wer war das noch einmal? Warum sind wir hier? Weshalb mussten wir die Person jetzt töten?"
Und bevor euch das Spiel eine Antwort gibt, geht es auch schon zum nächsten Punkt über. Das zu Beginn so gut eingeführte Konzept einer virtuellen Verbindungsebene und einer vielleicht verfälschten Realität wird sofort nach der Exposition fallen gelassen. Erst gegen Ende taucht es wieder auf und die einzelnen Puzzleteile sollt ihr dann brav zusammensetzen. Nur ist es dann bereits zu spät, mein Interesse längst verloren. Zwar liefert eine New-Game-Plus-Kampagne ein wenig mehr Informationen, trotzdem entschuldigt es nicht die peinliche Handhabung während des ersten Durchgangs.
Überzeugt das Abenteuer denn wenigstens auf spielerischer Seite? Zum Glück kann ich diese Frage mit einem deutlichen „Ja" beantworten. Natürlich existieren ältere Probleme wie arbiträre Levelgrenzen, eine teils dämliche Gegner-KI und merkwürdig platzierte Checkpoints. Trotzdem hatte ich seit dem ersten Modern Warfare nicht mehr so viel Spaß mit einer Call-of-Duty-Kampagne.
Das liegt nicht zuletzt an einem interessanten Leveldesign. Okay, die im Vorfeld oft versprochenen multiplen Pfade sind in Wahrheit wesentlich dezentere Variationen desselben Weges. Sie tauchen vielleicht in der Hälfte aller Mission auf und selbst dann sind es nur ein bis zwei kurze Szenen, bei denen ihr euch für den linken oder rechten Levelschlauch entscheidet. Zumindest im Koop verbessert es leicht die Erfahrung, da ihr in fast all diesen Situationen stets auf den anderen Pfad sehen und somit auch euren Kumpanen helfen könnt. Es ist nett, auf jeden Fall ein wichtiger Schritt nach vorn, aber noch lange keine Offenbarung.
Nein, was mir am Aufbau der Missionen so sehr gefällt, ist ihr Übergang von einem Setpiece zum nächsten, gekoppelt mit durch den futuristischen Hintergrund erlaubten Szenerien. Ein Auftrag startet beispielsweise am Eingang eines Biodomes mitten in Shanghai. Die komplette Architektur ist mit einem tropischen Dschungel verwachsen und fühlt sich schon fast wie ein apokalyptischer Freizeitpark an. Nachdem ihr euch am Boden entlang gekämpft habt, steigt ihr die Etagen eines Hochhauses empor, dessen Fassade einem gigantischen Metallbaum ähnelt. Von dort aus hangelt ihr euch über riesige Schluchten hinweg zu ähnlichen Konstruktionen, bis ihr schließlich hinab in einen Fluss springt und aus dem Wasser heraus einen kleinen Hafen erobert. Schlussendlich endet die wilde Fahrt in einer dermaßen übertriebenen Bootsequenz, dass man die vulgären Aufschreie der Figuren leicht mit Dialogzeilen aus Team America verwechselt.
Es steht im direkten Kontrast zur ernsten Handlung und könnte dämlicher nicht sein. Aber ich kann einfach nicht anders, als das ganze Spektakel zu genießen. Was hier innerhalb einer halben Stunde abgefeuert wird, dafür brauchen andere Spiele mehrere Level. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie viele Wochen oder Monate an Arbeit allein in die Hochhaus-Sequenz geflossen sind, nur damit der Spieler fünf Minuten ein wenig Abwechslung hat. Es ist wahnsinniger, absoluter Schwachsinn und ich liebe es.
Dennoch gibt es eine Mission, die deutlich aus dem restlichen Spiel hervorsticht. Sie mag nicht die schweren Implikationen des Atombombenabwurfs aus Modern Warfare haben, findet aber dafür die perfekte Balance zwischen dem oben beschriebenen Michael-Bay-Kino und der Atmosphäre eines Bioshock. Dieser Auftrag führt euch tief hinab in ein verlassenes Labor. Die ersten Minuten verbringt ihr allein mit dem Abstieg. Keine Gegner, keine Action. Nur ein paar ruhige Dialoge mit euren Kameraden.
Unten angekommen, betretet ihr die zerstörten Kammern der Forschungsstation und stolpert recht bald über die ersten feindlichen Roboter, bevor es zu einer hektischen Verfolgungsjagd kommt. In diesen Momenten schafft es ein Call of Duty doch tatsächlich, so etwas wie Horror aufkommen zu lassen. Wenig später verliert ihr sogar kurzzeitig Zugang zu euren Spezialfähigkeiten und erkennt ohne Nachtsicht nur die blinkenden Lichter der Metallkrieger und wie sie erschreckend schnell auf euch zu sprinten.
Es folgen ein paar Passagen, die ich nicht weiter verraten will. Allerdings muss ich meine unerwartete Freude über die abschließende Fluchtsequenz erwähnen. Übernommen von blinder Wut sprengt eure Rivalin den gesamten Komplex und riskiert damit auch das Leben ihrer eigenen Truppen, die euch normalerweise auf dem Rückweg erwarten würden. Stattdessen spurtet ihr zusammen mit den gegnerischen Soldaten zum Ausgang und seht, wie sie ebenfalls von den restlichen Robotern attackiert werden. Ein kleines Detail mit großer Wirkung und der perfekte Abschluss einer großartigen Mission.
Ich begrüße zudem die veränderte Spieldynamik, hervorgebracht durch eure aufrüstbaren Fähigkeiten. In jeder Mission könnt ihr euch für eine von drei Kategorien entscheiden. Diese fördern eure Mobilität, stärken den direkten Nahkampf oder - mein persönlicher Favorit - lassen euch das Schlachtfeld aus der Ferne dezimieren. Sprengt mechanische Feinde per Knopfdruck in die Luft oder bringt ein halbes Dutzend Soldaten gleichzeitig zum Ausstoß ihrer letzten Mahlzeiten. Sammelt ihr genügend Erfahrungspunkte, dürft ihr irgendwann sogar frei zwischen allen drei Skill Trees umherschalten, was allerdings nicht vor Abschluss der Kampagne geschieht.
Wegen eurer verbesserten Eigenschaften musste die gegnerische Seite etwas nachrüsten. Im Gegensatz zu menschlichen Feinden verkraften die Metallkrieger ziemlich viele Schüsse und generell befinden sich deutlich mehr Feinde auf der Karte. Teilweise erreicht der Titel sogar eine lachhafte Menge. Eine Situation zwingt euch zum Beispiel zur Verteidigung eures Kameraden. Plötzlich erscheinen acht Soldaten zusammen an einer Scheibe, während auf der anderen Seite noch mehr in den verhältnismäßig kleinen Raum poltern. In gewissen Momenten befinden sich also über ein Dutzend Gegner auf der Fläche einer typischen Zwei-Zimmer-Wohnung. Selbst auf Veteran war es nicht schwierig, diese Herausforderung nach zwei bis drei Versuchen zu überstehen, aber die schiere Absurdität des Ganzen lies mich sprachlos zurück.
Leider erschwert das die Wertung einer Kampagne, die zu weiten Teilen vollkommen ausrastet, sich dann aber wieder einfängt und ein unglaublich punktgenaues Pacing kreiert. Nehmt dann noch eine mit viel verschenktem Potenzial behaftete Handlung hinzu und es entsteht komplettes Chaos. Allein auf die übergreifende Struktur reduziert, erscheint die Kampagne von Black Ops 3 wie das Resultat eines verrückten Wissenschaftlers. Trennt man sich dagegen von dieser Gesamtbetrachtung und schaut nur auf die einzelnen Missionen, findet man kleine Schätze, die auf ihre ganz eigene Art brillieren. Zudem ist mit einer Spielzeit von knapp 14 Stunden für beide Durchgänge der bisher umfangreichste Einzelspieler der gesamten Serie.
Den meisten Spaß hatte ich auch eindeutig im New Game Plus. Mit allen Zusatzfähigkeiten und den kräftigsten Waffen ausgestattet, übersprang ich jede Zwischensequenz und konzentrierte mich allein auf die Stärken des jeweiligen Auftrags. Das mag sicherlich nicht allen gefallen, aber wer gerne für ein paar Abende abschalten und seinen Power-Fantasien nachgehen will, ist hier an der richtigen Stelle. Call of Duty: Black Ops 3 ist eindeutig der beste Zeitpunkt, um zur Serie zurückzukehren.
Der Test zum Zombie-Modus und Multipliplayer mit abschließendem Fazit folgt Anfang nächster Woche.