Call of Duty: Black Ops II - Test (Kampagne)
Freiheit oder Schlauch? Brillante Story oder Konsens-Einerlei? Innovation oder Stagnation? Black Ops 2s Kampagne ist vor allem eines: ironisch.
Der Test des Multiplayer und die abschließende Wertung zu Call of Duty: Black Ops II folgt am Freitag um 9:00.
Ob den Jungs und Mädels bei Treyarch bewusst ist, dass sie mit Call of Duty: Black Ops 2 ein Lehrstück in Sachen Ironie erschaffen haben? Damit meine ich nicht den Plot, in dem wir mit erhobenem Zeigefinger vor unserer High-Tech-Gläubigkeit und ihren möglichen Konsequenzen gewarnt werden. Ich rede vielmehr von jener unabsichtlichen Ironie, die alle Aspekte des Spiels durchzieht. Das geht schon bei der Verwendung realer historischer Persönlichkeiten los. Gleich zu Beginn reichen wir Jonas Savimbi in Angola die Hand, später bekommen wir es mit Manuel Noriega zu tun oder Lieutenant Colonel Oliver North taucht auf. Unfreiwillig komisch wird es freilich, wenn ausgerechnet der Flugzeugträger USS Obama von massiven Drohnenangriffen getroffen wird oder wenn der Verteidigungsminister des Jahres 2025 David Petraeus heißt, der in der Realität gerade wegen einer Affäre mit seiner Biografin zurückgetreten ist.
Global betrachtet entpuppt sich der Plot sowieso als Treppenwitz der Moderne, denn in der fiktiven Zukunft soll sich ausgerechnet zwischen China und den USA ein Weltkrieg entzünden. Und das, obwohl doch die kommunistische Republik Hauptlieferant eben jener seltenen Erden ist, welche die amerikanische Kriegsmaschinerie mit ihren Gadgets, automatisierten Drohnen und Kampfrobotern so dringend zum Überleben braucht. Dumme Idee. Darüber spöttelt auch der greise Frank Woods in einer Zwischensequenz gleich zu Beginn des Spiels und weckte damit meine Erwartungen an die Story. Hier könnten sich Geopolitik und Blutrache mischen, globaler Terror mit Einzelschicksalen, die Kriege der Söhne mit den Sünden ihrer Väter. Dass die Weltpolitik für die Handlung in Wahrheit keine Rolle spielt, ist für mich darum ein weiterer Tritt ins ironische Fettnäpfchen. Dazu später ein paar Sätze mehr.
Die Story hat durchaus ihre Stärken, auch wenn der eine oder andere Twist arg konstruiert wirkt. Besonders der Oberschurke Raul Menendez fasziniert, denn die Autoren bei Treyarch haben es hervorragend verstanden, seine Vergangenheit und seine Motive schrittweise während des Spielverlaufs zu offenbaren. Dabei greifen sie mehrfach in die spielerische Trickkiste, worauf ich an dieser Stelle - der Spannung wegen - nicht weiter eingehen möchte. Nur soviel: Mit einer simplen Schwarz-Weiß-Zeichnung wird man dem charismatischen Drogenbaron, Cyber-Kriminellen und Rache-Engel in Personalunion nicht gerecht. Sein Schicksal ist eng verbunden mit den Helden des ersten Black Ops. Ja, Frank Woods ist nicht der einzige alte Bekannte, mit dem ihr in der Fortsetzung ein Wiedersehen feiern dürft, sofern ihr schon den Vorgänger gespielt habt.
Hin und zurück in die Zukunft
Auch diesmal kämpft ihr als Alex Mason auf den Schlachtfeldern der jüngeren Vergangenheit und besucht während solcher Flashbacks die Krisenherde der 80er Jahre. Angola, Afghanistan, Nicaragua oder Panama - da wird einiges geboten. Gleichzeitig schlüpft ihr in die Haut seines Sohnes David Mason, der als Elitesoldat des Jahres 2025 Einsätze in Myanmar, Pakistan, auf den Kaimaninseln, im Jemen oder in Los Angeles erlebt. Wie genau Vater und Sohn mit dem Erzbösewicht Menendez in Verbindung stehen und warum sich seine globalen Terror-Pläne mit einer schnöden Vendetta überschneiden, müsst ihr jedoch selbst erspielen.
Die Einsätze mit David in 2025 machten mir mehr Spaß als die Retro-Missionen mit seinem alten Herrn, da man hier die geballte Technik-Power der US-Waffenindustrie ins Feld führt. Vor euren Einsätzen wählt ihr aus diversen Primär- und Sekundärwaffen, die ihr mit zusätzlichen Modulen verbessern könnt, sowie Granaten und drei passiven Spieler-Boni. Das entspricht im Prinzip der Klassen-Erstellung im Mehrspieler-Modus. Ob Tarnanzug, Granatwerfer-Handschuhe, Röntgen-Visier, Jet-Rucksack oder Elektro-Schlagring - auf den Schlachtfeldern der Zukunft wird Gadget-Fetischisten wie mir das Herz aufgehen. Die Missionen in den 80ern hinterließen da im Vergleich einen ziemlich blassen Eindruck, weil sich zum konventionellen Gameplay eine konventionelle Bewaffnung gesellte, wie man sie schon in dutzenden Shootern gesehen hat. Nur die Plot-Twists brachten hier etwas Würze.
Wie gesagt: Die Kampagne ist Action-Hollywood pur, nimmt sich vielleicht manchmal einen Tick zu ernst, schreit aber ansonsten nach einem randvollen Eimer Popcorn neben dem Mauspad. Sechs bis sieben Stunden Spielzeit auf dem Schwierigkeitsgrad 'Soldat' sind ohne weiteres drin (die Stufen reichen von Rekrut über Soldat und Söldner bis zu Veteran).
Viele Wege führen zum Happy End - oder auch nicht
Alternative Enden sind grad im Trend und Black Ops 2 macht hier keine Ausnahme. Je nachdem, welche Entscheidungen ihr trefft und wie erfolgreich eure Missionen verlaufen, bekommt ihr am Schluss eine andere Filmsequenz zu Gesicht. Überlebt ein Gefangener oder wird er bei der Folter getötet? Befreit ihr eine Geisel oder nicht? Wird ein Kamerad schwer verletzt oder trägt er nur leichte Blessuren davon? Sammelt ihr alle Informationen oder entgeht euch der entscheidende Hinweis? Diese und andere Gabelungen werden euch in schöner Regelmäßigkeit vorgesetzt - als Quick-Time-Event, sekundäres Missionsziel oder direkte Entscheidung während eines Einsatzes. Im Debriefing werdet ihr dann mit euren Glanz- und Schandtaten konfrontiert.
Noch konnte ich nicht alle Varianten ausprobieren, doch schon jetzt wird deutlich, dass nicht jede 'moralische' Entscheidung automatisch positive Auswirkungen nach sich zieht. Sehr schön! Dafür dürfen sich die Autoren bei Treyarch auf die Schulter klopfen. Habt ihr die Kampagne einmal durch, könnt ihr die Missionen beliebig wiederholen ohne zu speichern oder euren Spielstand "zurückspulen". Dadurch setzt ihr die Story ab der ausgesuchten Kampagne fort und könnt die alternativen Enden erforschen.
Das haben wir übrigens getan - und die globalen Auswirkungen eurer Taten sind offenbar minimal. Ob ihr nun eine Nebenmission erledigt und ein Land befreit, ob am Ende die USA und China beisammen stehen oder im kalten Krieg versinken, ob ein Politiker überlebt oder nicht - das spielt letztlich kaum eine Rolle. Viel entscheidender wirken sich eure Leistungen auf die persönliche Geschichte aus, mit teils dramatischen Folgen. Dass diese Einzelschicksale den Globus einen feuchten Kehricht scheren, mag realistisch sein, doch irgendwie hätte ich mich besser gefühlt, wenn all die Opfer zumindest geopolitisch relevant gewesen wären. David Mason ist vielleicht kein James Bond, aber etwas mehr als belanglose grüne Flächen auf einer Weltkarte hätten seine Siege schon verdient gehabt.
Der Gipfel der Ironie ist jedoch das Gameplay, denn so einiges passt für mich nicht recht zusammen in Black Ops 2. Da schmückt sich ein moderner Ego-Shooter mit einer High-Tech-Thematik und brüstet sich mit mehrfach verzweigten Handlungs-Pfaden, spielt sich aber linear wie anno dazumal und bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Eigentlich hatte ich mir große Karten zur freien Entfaltung erhofft, auf denen ich mein eigener taktischer Boss bin und meinen Weg zum Ziel selbst suchen muss. Stattdessen bietet man euch eine gekonnt gescriptete Action-Sause nach dem bewährtem Schema der Vorgänger. Mehr aber auch nicht.
Freiheit wird überschätzt! Wir spielen im Schlauch!
Wieso fällt den Entwicklern nichts Besseres ein als das übliche 'Gameplay auf Schienen', um eine filmische Inszenierung zu gewährleisten? Einerseits ist es trotz des schlauchartigen Leveldesigns packend, in Afghanistan vom Pferd aus Panzer in die Luft zu sprengen, durch brennende Gebäude in Los Angeles zu hetzen, oder einen schwer bewachten Stützpunkt in Lahore zu infiltrieren, um heimlich die Gespräche des Oberschurken Menendez mitzuschneiden. Andererseits zwickt das enge Level-Korsett sehr unangenehm, wenn sinnvollere Routen in Sichtweite liegen und nur wegen der Spielmechanik nicht eingeschlagen werden können. Selbst Passagen, in denen man ausdrücklich zwischen mehreren Routen wählen kann, mindern kaum das lineare Gesamtbild, vor allem wenn man vor lauter Überschwang das Kampfgebiet verlässt und zwangsweise zum letzten Kontrollpunkt zurückversetzt wird.
Also, lieber Spieler, klappere bitte brav die Wegpunkte ab oder folge deinem NPC-Kameraden. Löse hier einen Trigger aus und drücke dort im richtigen Moment auf's Knöpfchen. Renne, klettere, fahre, fliege, tauche, reite, ramme oder steuere Insekten-Drohnen, Kampfroboter und Automatikgeschütze. Leider reichen solche Momente nicht über Appetithäppchen-Niveau hinaus. Kurzlebige Gimmicks, aus denen man in weitläufigeren Gebieten mehr hätte machen können. Aber dann hätte ja die Gefahr bestanden, dass der Spieler die mühsam eingebauten Highlights umgeht - was ich übrigens bei dem einen oder anderen Quick-Time-Event gerne getan hätte. Sporadisch sollt ihr wie bekloppt auf bestimmte Tasten hämmern, um euch aus einer misslichen Lage zu befreien. Es gibt da draußen sicherlich Fans, denen in diesen Momenten Adrenalin und Glückshormone aus den Ohren sprudeln, mir gingen solche Einlagen hingegen ziemlich auf den Zeiger. Genauso wie diverse Trigger, die nur deshalb nicht zündeten, weil ich gefühlte zwei Zentimeter zu weit links stand oder Bildschirmtexte wie dieser, der mein unverschuldetes Ableben spöttisch zu kommentieren schien: „Sie wurden durch ein explodierendes Fahrzeug getötet. Fahrzeuge explodieren öfter.“ Na herzlichen Dank! Ich war schon lange an dem Gabelstapler vorbei, als er in die Luft flog. Bitte nachbessern, Treyarch!
Unterwegs ballert ihr auf hunderte Lemming-Soldaten, die sich ein bisschen hinter Ecken ducken, Granaten werfen oder in seltenen Fällen gescriptete Tricks abspulen, die zur Umgebung passen. Nachschub spawnt reichlich. Erst wenn ihr einen Wegpunkt passiert und ein neuer Abschnitt beginnt, ebbt der Zustrom an Feinden ab. Die Drohnen des Jahres 2025 mögen intelligente Mordmaschinen sein, die KI-Krieger im Black Ops 2 des Jahres 2012 sind es nicht.
Grafisch von gestern und blutig wie das Mittelalter
Die Grafik der PC-Version ist nicht mehr ganz taufrisch und entspricht allenfalls technischem Durchschnitt. Eure Widersacher rennen wie eine Klon-Armee durch die Levels, viele Oberflächen wurden mit verwaschenen Texturen bepinselt oder bleiben komplett einfarbig, eure Sichtweite ist alles andere als überragend. Die Immersion während der Einsätze versaut die angestaubte Engine trotzdem nicht, dafür werdet ihr von der Action viel zu sehr auf Trab gehalten. Die Licht- und Physikeffekte sind außerdem recht ansehnlich geraten. Die Gesichter der Protagonisten wirken ebenfalls sehr lebensnah und lenken nebenbei von diversen verwaschenen Bodentexturen oder allzu kantigen Objekten im Level ab.
Die Xbox-360-Version bewegt sich auf dem gleichen Level, den die Serie die letzten zwei Jahre in Black Ops und Modern Warfare 3 erreichte. Die Texturen wirken teilweise lieblos, einige Areale, insbesondere futuristische Innenräume sind geradezu langweilig schlicht, doch immer wieder - vor allem in Außenbereichen wie zum Beispiel einem Inka-Tempel im Regenwald - lässt euch das Spiel kurz innehalten oder zumindest den Atem stocken. Letzteres vor allem, weil es (wie immer in Call of Duty) um den kurzen Moment voller Action geht. Vieles ist vorbei, bevor ihr es genauer betrachten konntet und wirkt daher weit beeindruckender als es tatsächlich ist. Das Spiel beherrscht diese atemlose Action-Kunst auch auf der Konsole perfekt, hält dabei seine Framerate konstant oben und sieht sogar ganz gut aus. Aus den Socken haut die Optik einen trotzdem längst nicht mehr.
Pixelblut fließt in dem USK 18-Titel reichlich und Treyarch beschwört das ganze Grauen des Krieges herauf. Gleich in eurem ersten Einsatz in Angola verbrennt ein Soldat vor euren Augen in einem Jeep, ohne dass ihr ihm helfen könnt. Der erste von vielen krassen Momenten. Da werden Überlebende aus Containern voller verwesender Leichen geschleppt, es gibt Folterungen und Kindersoldaten, Molotov-Cocktails setzen feindliche Kämpfer in Brand, Arme und Beine werden abgerissen, Schädel mit einer Machete gespalten, Köpfe in Großaufnahme und Zeitlupe von Kugeln durchlöchert, Soldaten schikanieren Zivilisten vor euren Augen oder exekutieren sie kaltblütig. Die Call-of-Duty-Teile hatten noch nie viel mit den Heile-Welt-Werbefilmen gemein, mit denen das Militär neue Rekruten wirbt. Doch der blutige Tobak, den man euch in Black Ops 2 auftischt, verleitet mehr als einmal zum Stirnrunzeln. Wo endet eine schonungslose Darstellung realer Kampfhandlungen und wo beginnt die Anbiederung an Splatter-Fetischisten?
Taktieren für Einsteiger
Von Zeit zu Zeit könnt ihr neben der Story-Mission Nebenaufträge mit einer so genannten Eingreiftruppe erledigen. In diesem Modus steuert ihr aus der Vogelperspektive eine Handvoll Truppen wie in einem Echtzeit-Strategiespiel per Maus und Zahlentasten. Vier Gruppen aus Soldaten, Drohnen oder Kampfrobotern stehen euch in begrenzter Zahl zur Verfügung, Nachschub gibt es je nach Einsatz, sobald eine der Einheiten das Zeitliche segnet.
Auf Wunsch springt ihr direkt in eine der Einheiten und übernehmt die Kontrolle. Bei den Einsätzen handelt es sich um Eskorten-, Eroberungs- und Verteidigungsmissionen. Da die KI eurer Einheiten leider nicht viel besser abschneidet als die der Feinde, arten diese Missionen oft in panisches Geklicke aus, bis eure Truppen kapieren, was ihr von ihnen erwartet. Da ist es meist schlauer, selbst die Kontrolle zu übernehmen. Besonders Flugeinheiten wie der kleine Quad-Helikopter sind in der Hand eines Spielers extrem tödlich. Insgesamt hätte man aus diesem Spielmodus mehr machen können. Aktuell verkommt er zu einem rein optionalem Sahnehäubchen im Einzelspieler-Part, zumal es eben denkbar wenig Einfluss auf den eigentlichen Ausgang der Kampagne hat.
Schon komisch. Ausgerechnet jener Call-of-Duty-Titel, der Zukunfts-Technologien thematisiert, spielt sich wie ein Shooter von vor fünf Jahren. Die Einzelspieler-Kampagne von Black Ops 2 bleibt ein durchwachsener Mix aus toll inszeniertem Hollywood-Blockbuster und einem Konsens-Ego-Shooter mit ein paar netten Gimmicks. Dabei fand ich die Story mit ihren Wendungen und Kniffen bis zuletzt spannend. Die Protagonisten kommen überzeugend rüber und besonders der Bösewicht Menendez hat Bond-Film-Qualitäten. Der Eingreifstruppe-Modus ist eine nette Idee, kommt aber zu selten zum Einsatz, als dass er wirklich etwas zum Einzelspieler-Part beitragen könnte. Die extrem linearen Level, das uninspirierte Gameplay, die lausige KI und einige andere Macken trüben das Bild weiter. Doch machen wir uns nichts vor - viele Fans werden die Einzelspieler-Kampagne links liegen lassen und sich auf die Mehrspieler-Modi konzentrieren. Hier will Treyarch der Konkurrenz zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Daher werde ich mich als nächstes diesem Teil widmen, bevor ich Call of Duty: Black Ops 2 eine endgültige Note verpasse.
Der Test des Multiplayer und die abschließende Wertung zu Call of Duty: Black Ops II folgt am Freitag um 9:00.