Call of Duty: Modern Warfare 2 – Test: "Auf Nummer sicher" ist nach Vanguard gut genug
Gefangenenrettung den ganzen Tag, bitte!
Da ist es also, Call of Duty Modern Warfare 2(022) – in diesem Test wird es in erster Linie um den Multiplayer gehen. Mein Urteil zur Kampagne habe ich ja bereits in einem separaten Artikel gefällt, den ich euch für Details noch einmal ans Herz legen möchte.
Die Zusammenfassung wäre wohl: Gute, abwechslungsreiche Missionen, die in vielerlei Hinsicht Neuauflagen bekannter Motive sind, einige wenige Längen und viele politisch fragwürdige Erzählfacetten. Tatsächlich bin ich über das “Deeskalieren” aufgebrachter Zivilisten, indem ich mit geladener Pistole auf sie ziele, ich immer noch nicht ganz hinweg. Dazu ein paar Anlehnungen an andere Games, die Last of Us im Speziellen, und wir haben eine Serie an Einsätzen, die mich überwiegend straff unterhielten. Auch, wenn ich sie ohne Zweifel nächstes Jahr um diese Zeit längst vergessen haben werde.
Gleichzeitig sollten wir uns nichts vormachen und so tun, als wäre der Solo-Modus das, weshalb diese Spiele sich millionenfach verkaufen. Der Multiplayer ist das schlagende Herz dieser Serie und dessen Puls ließ in Vanguard vermehrt zu wünschen übrig, sicher auch, weil aus dem WW2-Szenario die Luft raus war. Ich hatte tatsächlich weniger ein Problem mit dem Spiel, was allerdings in erster Linie daran lag, dass ich Champion Hill für einen extrem guten Multiplayer-Modus hielt. Aber es war nicht zu übersehen, dass die Community auf gepackten Koffern saß, um endlich zur Moderne zurückzukehren.
Die meisten von ihnen bekommen hier genau das, was sie erwarten: Einen zu Felde schlanken und schnellen Shooter, der sich trotzdem körperlich und kraftvoll anfühlt. Diesen Spagat bekommt Call of Duty seit dem Reboot von Modern Warfare immer besser hin und mir gefällt das neue, bodenständige Spielgefühl, das trotzdem seine schnörkellosen Wurzeln nicht vergaß. Vor allem die Waffen, die gigantisch und mächtig ins Blickfeld ragen, hat Infinity Ward wieder respekteinflößend hinbekommen. Wenn einem ein LMG wie ein wütender Löwe, den man erfolglos zu strangulieren versucht, nur ein paar Zentimeter unter der eigenen Nase aufbuckelt, fühlt sich das irre gefährlich an.
Dazu kommt eine sehr niedrige Time-to-kill, die ich als Siege- und Hunt-Showdown-Spieler schätze, die aber einige CoD-Fans (die vielleicht zu viel Warzone gespielt haben!?) nicht zu schmecken scheint, und komplettiert das Bild eines FPS, der nicht zu Scherzen aufgelegt ist. Zugleich beschert die “TTK” natürlich auch Neueinsteigern den einen oder anderen Königsmörder-Moment, was ich als großer Fan von Inklusion schwer begrüße.
Insgesamt ist die Mischung an Spielmodi gelungen (Champion Hill darf aber auch gerne hier Einzug halten!), obwohl natürlich nicht jede Variante gleich gut gelungen ist. So muss ich zum Beispiel sagen, dass sich Call of Duty in seinen überschaubareren Arenen am wohlsten fühlt. Das merkt man zum einen daran, dass die Community jetzt schon die sehr in die Länge gezogene Autobahn-Map mit all den gestrandeten Autos zu hassen liebt (weshalb ich mich ein wenig schäme, hier eigentlich gerne Gefangenenrettung oder Stellung zu spielen).
Vor allem jedoch wird dieser Kritikpunkt im Battlefield-artigen Ground War Modus klar, der zwar mit einer Menge an Teilnehmern (samt Bots) und Bodenkriegsgerät imponiert, ohne klare Rollenverteilung eines Battlefield und großspurige Zerstörung aber nicht so wirklich zündet. Gerade in diesem Jahr scheint das wie eine verschenkte Chance, da Battlefield 2042 immer noch schwächelt. Invasion ist dasselbe noch einmal, nur schlechter, weil als Team Deathmatch und mit strunzdummen Bots aufgefüllt. Danke, aber nein danke!
Besser gefällt mir da schon oben kurz erwähnte Gefangenenrettung, die man als doppeltes Capture the Flag verstehen kann, ohne Respawns, dafür aber mit prinzipiell endlosen Wiederbelebungen. Auf engstem Raum immer wieder schnelle Entscheidungen treffen zu müssen, den Gegner anzugehen, eine der beiden Geiseln oder auf Wiederbelebungen zu setzen, das verursacht mir nach vielen, vielen Stunden allein in diesem Modus noch zuverlässig vor Anspannung schwitzige Hände. Ich spiele aktuell nichts lieber als diese Variante.
Was nicht bedeutet, dass die “umgedrehte” Version davon, Suchen und Zerstören, schwächer wäre. Auch diesen Modus, bei dem man mit begrenztem Personal Bomben platzieren beziehungsweise entschärfen muss, spiele ich immer und immer wieder und habe extrem spannende Shootouts dabei. In diesen Modi fühlt es sich an, als stünde auf jedem Meter wahnsinnig viel auf dem Spiel und das ist einfach spannend. Man bekommt häufig das Gefühl, eine verloren geglaubte Partie noch zu drehen und das fühlt sich sensationell gut an. In diesen Modi (Knock-out, eine umgedrehte “heiße Kartoffel”, mit Wiederbelebungen, die mit kurzen Runden gefällt, wäre in der Hinsicht auch noch positiv zu erwähnen) wiegen auch die etwas chaotischen Spawnpunkte nicht so schwer, die in den anderen schon mal dafür sorgen, dass man den Überblick verliert.
Das ist zum Beispiel in Stellung, Abschuss bestätigt und den anderen Modi der Fall. Gerade ersteren spiele ich dennoch sehr gern, weil er mich sehr dynamisch über die Karte schickt und unterwegs die Kräfteverhältnisse oft genug neu mischt, dass es immer interessant bleibt. Die Rückkehr von Hauptquartier ist ebenfalls erbaulich, weil auch diese Spielvariante dort, wo es darauf ankommt, immer gut die Spannungsschraube anzieht: Die Mannschaft, die das alleinige HQ hält, bekommt keine Respawns mehr, weshalb man sich von einem Moment auf den anderen mächtig zusammenreißen muss. Team Deathmatch und Deathmatch sind natürlich ebenso wieder mit von der Partie, werden von mir aber immer seltener gespielt. Da gibt es entschieden Interessanteres.
Mir gefällt jedenfalls die Auswahl, die schnelle Action ermöglicht, ohne komplett tumb und anspruchslos rüberzukommen. Die Maps sind da durchaus hilfreich. Zwar sind sie optisch und tonal nicht so wahnsinnig abwechslungsreich oder einprägsam, dafür aber clever aufgebaut und eingängig zu spielen, sodass man schnell einfache Strategien auf den Karten entwickelt und gerne experimentiert. Echte Ausfälle gibt es eigentlich nicht, wenngleich erwähnte Autobahn-Map mit ihren explodierenden Autos sicher bis zum Schluss kontrovers diskutiert werden wird. Ich finde das Chaos hier glorreich. Nett sind auch die drei Koop-Missionen, womit wir allerdings wieder bei dem Punkt wären, wie schön es doch wäre, auch den Rest der Kampagne zusammen mit Freunden zu erleben. Ich hoffe, hier kommt noch Nachschub, denn prinzipiell passt dieser Modus gut zum dezent methodischeren, taktischeren Spielablauf, den MW2 bisweilen in der Kampagne an den Tag gelegt hat.
Ein gutes Spiel also, wenngleich es wohl noch etwas braucht, bis es zur vollen Reife findet. Einige unsortierte Semi-Kritikpunkte: Modern Warfare 1 lief trotz Raytracing (das diesmal fehlt) auf meinem PC deutlich runder als Teil 2. Das neue Hochziehen an Vorsprüngen traut sich wegen der kurzen TTK irgendwie keiner zu nutzen und das Interface ist eingangs extrem verwirrend. Das neue, auf Waffenplattformen basierende Upgrade-System wirkt ein wenig verklausuliert (schaffte es aber tatsächlich das erste Mal, dass ich bewusst bestimmte Waffen spielte, um gezielt Neues freizuschalten) und ein Feature ist nach dem Start sogar wieder deaktiviert worden. So war es eigentlich möglich, im Gunsmith per Waffen-Tuning noch tiefergehend an einzelnen Komponenten zu schrauben. Das System machte allerdings Probleme und wird gerade überarbeitet. Ich hoffe, es kommt bald zurück, denn ich spüre tatsächlich das erste Mal seit Langem ein wenig Lust daran, auf bestimmte Schießprügel hinzuarbeiten und sie meinem Spielstil anzupassen. Irgendwas muss Infinity Ward da also richtig gemacht haben. Und dass wir auf Ranglisten noch bis ins neue Jahr warten dürfen, ist wirklich ärgerlich.
Call of Duty Modern Warfare 2 Test – Fazit
Und doch hat es Modern Warfare 2 hinbekommen, dass ich in Sachen Shooter gerade alles andere stehen und liegen lasse. Die Mischung aus wuchtigen, aber flinken Bewegungen und mächtigem Waffenfeedback trifft einen gewissen Nerv bei mir und fühlt sich in jeder Aktion einfach unglaublich befriedigend an. Ich komme in einen eleganten Flow, der mich erstaunlich oft durch die Post-Match-Lobby bis in die nächste Partie schleppt. Es ist lange her, dass ich solche Probleme hatte, in einem krachigen Arena-Shooter wie diesem den Absprung zu schaffen, um mal etwas anderes zu machen und ich erwarte nicht, dass sich das in den nächsten Wochen ändern wird.
Nicht alle Neuerungen sind gut, manche eine verpasste Chance und an einigen Dingen muss Infinity Ward noch schrauben. Im Kern aber ist dieses Spiel eine gelungene Fortführung, die vom Fleck weg in ihren Kernmechanismen zu motivieren weiß und unmittelbar gefälliger ist als Vanguard. Modern Warfare 2 ist sicher nicht das Highlight dieser langen Seriengeschichte, aber für den Moment exakt das Call of Duty, das es gebraucht hat.
CoD: Modern Warfare 2 Wertung: 8 / 10
CoD: Modern Warfare 2 Pro und Contra
Pro- Wundervolles Gunplay und Movement
- Eingängiges Spielgefühl und Steuerung
- Exzellenter Umfang, gut gewählte Modi
- Gefangenenrettung macht irre Spaß
- Optisch und technisch ansprechend
- Solide Kampagne
- Dezent unfertig
- Verwirrendes Interface
- Starke Zielhilfe für Controller-Spieler bei Zwangs-Crossplay für PC’ler
- Spawns zu wild durcheinander
- Nicht so performant wie MW1
Entwickler: Infinity Ward - Publisher: Activision Blizzard - Plattformen: PC, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series - Release: erhältlich - Genre: Action - Preis (UVP): 69,99€