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Call of Duty Vanguard - Realismus, Helden und Bösewichte: Historiker hinter den Kulissen

Im Gespräch mit Story Designer und Historiker und geht es um die Langeweile des Krieges, nicht den üblichen Nazi und den Anspruch an die Kampagne von Vanguard.

Call of Duty: Vanguard steht fast schon vor der Tür, morgen am 5.11.2021 wird es erscheinen und es gab die Gelegenheit, ein paar Worte mit dem Senior Story Designer Stephen Rhoades und dem Historiker des Teams, Marty Morgan, zu sprechen. Im Spiel erwartet uns eine Rückkehr zu den historischen Wurzeln der Serie, die bekanntermaßen auch schon im ersten Spiel den Zweiten Weltkrieg als Szenario wählte. Dieses Mal wird es aber alles eine ganze Nummer größer:

Stephen Rhoades: "Wir haben uns eine Reihe von Schlachten und Kampagnen angesehen, die Orte, an denen sie stattfanden und die wir für unsere Kampagne nutzen wollten. Wir schauten uns dann echte Soldaten an, die in dem Krieg kämpften und die diese Settings wiedergeben können. Es gab für jeden Charakter einen primären Einfluss, aber wir nahmen auch hier und da Versatzstücke, um sie abzurunden. Unser Ziel war es, historisch akkurat zu sein, aber dabei wollten wir uns nicht nur an dem Lebenslauf einer spezifischen Person orientieren. Sie sollten unsere einzigartigen Figuren werden. Wir fügten sie dann in eine Call-of-Duty-Geschichte ein, die kein exaktes historisches Ereignis ist, sondern unsere Grundlage, die Kampagne ein Mal um die ganze Welt herumzuführen."

Von der Krankenschwester zu Frau Nachtigall: Die Charaktere sollen bei Call of Duty Vanguard im Vordergrund stehen.

Marty Morgan: "Es war von Anfang an unser Ziel, die Kampagne global zu gestalten, da frühere Kampagnen oft sehr eurozentrisch waren. Wir schauten uns also an, was noch alles passierte, welche Soldaten in diesen Schlachten kämpften und als Inspiration für unsere Charaktere dienen können. Das Entwicklerteam sagte, dass die Schlacht von Midway interessant für die Kampagne wäre und ich kannte einen Veteranen, der am 7.12.1941 mitten im Pearl Harbour flog, in der Schlacht von Midway dabei war und Eskorte während des Doolittle Raids flog. Ich erzählte dem Team von ihm und so wurde seine Geschichte die Basis für unseren Charakter. So gingen wir dann bei jedem der Szenarien vor. Es war auch früh klar, dass die Geschichte der britischen 6. Luftlande-Infanterie eine Rolle spielen wird und weil es das 21. Jahrhundert ist und wir inklusiver und diverser sein möchten, kamen wir schnell zu Sidney Cormac Cornell, dessen Erlebnisse wiederum unseren Arthur Kingsley inspirierten."


Die Frage ist bei einem solchen historischen Setting, wo man die Realität zeigen kann und wo man zugunsten der Action und der Story ein wenig nachbessern muss. Das betrifft die Charaktere, aber auch den Ablauf des Krieges selbst, der oft genug eine sehr langweilige Angelegenheit mit viel Routine und Warten sein kann. Das kann man alles zeigen, aber es wäre wohl nicht das Spiel, das man erwarten würde und so mussten Kompromisse her:

Stephen Rhoades: "Die Geschichte der frühen Special Forces, die wir hier erzählen und wie sie zum Ende des Krieges hin das Projekt Phönix in Deutschland aufdecken, das ist nicht historisch, das ist Call of Duty. Es ging uns um die Entstehung der Special Forces, diese neue Art der Kriegsführung und wie sie sich durch den Krieg hinweg entwickelte. Dieses Team und seine Mission, das ist reine Fiktion. Wir verzichten auch auf die Logistik dazwischen, die einen großen Teil des Krieges ausmacht. Wir wollten die besonderen Momente zeigen, die die Figuren definieren. So zum Beispiel Polinas Geschichte, die als Krankenschwester in Stalingrad beginnt und dann mehr tun will. Wenn dann die Nazis die Stadt angreifen und die Schlacht losgeht, beginnt ihre Wandlung zu einer gefürchteten Scharfschützin. Diese Wandlung ist dann ein wichtiger Teil der Kampagne."

Midway in Call of Duty Vanguard - Krieg ist mehr als die Schlacht, aber in Spiel und Film ist dafür nicht immer Zeit.

Marty Morgan: "Die Midway-Szenen wären auch sehr anders, wenn wir sie exakt so zeigen würden, wie die Soldaten sie erlebt haben, am 4.6.1942. Es wäre zum großen Teil banal und langweilig. Es gibt den Start auf dem Flugzeugträger, dann 90 Minuten Motorengeräusche, dann vier Minuten Schlacht und dann wieder 90 Minuten Motorsound."

"Diese banalen 90 Minuten bauen natürlich auch die Spannung auf, aber statt der kompletten 90 Minuten zeigen wir ein paar, um das zu illustrieren. Ich hatte auch lange Gespräche mit dem Team, wie die Kommunikation im Flugzeug und mit dem Schiff aussehen würde und welche Art von Funkgeräten sie nutzen und so weiter. Aber die einzige Art von Kommunikation, die stattfand, drehte sich um das Treibstoffmanagement. Ich interessiere mich sehr für diese Details und wahrscheinlich noch fünf andere Leute, aber das sind nicht die Art von Details, die in diesem Spiel zum Tragen kommen. Es kann einfach nicht alles mit rein." "In der Unterhaltungsindustrie gibt es eine lange Tradition, es auf die wichtigsten und aufregendsten Momente zu reduzieren. Private Ryan wäre so ein Fall. Omaha Beach ist fast fünf Meilen lang, aber der Abschnitt, der im Film gezeigt wurde, ist vielleicht 100 Meter breit. Es war der Bereich, in dem die Schlacht am heftigsten tobte. Aber es gab eben auch viele Abschnitte, an denen Soldaten anlandeten und kaum einen Schuss überhaupt hörten. So wie wir auch entschied sich dann der Film für diesen umkämpften Abschnitt und nicht einen der Bereiche, in denen nicht viel los war. Wir machen hier also auch nur, was Filme seit Dekaden machen."

Stephen Rhoades: "Es ist auch nicht so, dass es keinen Aufbau hin zur Schlacht gibt. Einer meiner Lieblingsteile der Midway-Sequenz ist, dass wir nicht oben auf dem Flugzeugträger beginnen, sondern dass wir den Helden und seinen Co-Piloten kennenlernen, wie sie durch den Hangar gehen, während alle sich auf die Schlacht vorbereiten, der Lift geht hoch und wir haben auch eine verkürzte Version des Flight-Checks. Es gibt also den Spannungsaufbau zur Schlacht hin, wir konnten es halt nur nicht in seiner ganzen Gänze zeigen."


Auf der einen Seite stehen also die Helden der verschiedenen Kampagnen, die dann zum Ende hin in Berlin gemeinsam als erste Special Forces die Kampagne zum Abschluss bringen. Aber Helden brauchen einen Feind und über den machte man sich in Call of Duty: Vanguard ein paar mehr Gedanken als nur den üblichen Standard-Nazi zu recyclen:

Marty Morgan: "Es war uns wichtig, wie wir diesen Charakter darstellen. Ich wollte eine Figur, die die Realität in Nazi-Deutschland zum Ende des Krieges hin verkörpern kann. Natürlich ist er ein abstoßender Bösewicht, aber er ist eben nicht der übliche monolithische deutsche Standardfeind, der Erzböse, wie er sonst dargestellt werden würde. Es gibt diese Ansicht, dass die SS böse war und die meisten Teile des regulären Militärs nicht unbedingt. Es war aber sehr viel komplizierter als das und das wollten wir auch zeigen. Der Charakter sollte die soziopathischen und fürchterlichen Dinge der Nazis repräsentieren, aber auch, dass der die Wirklichkeit zum Ende des Krieges hin akzeptiert. Dass es auch viel Dissens in der Führung des Dritten Reiches gab, dass über Alternativen zu Hitler und seiner Art von Nationalsozialismus nachgedacht wurde. Nach 1943, als es für Nazi Deutschland immer schlechter lief, gab es immer mehr Anführer, die nicht glücklich über die Richtung waren, in die sich der Krieg und das Land bewegten. Solcher Unmut manifestierte sich zum Beispiel in Attentaten auf Hitler und ich wollte einen Bösewicht, der auch diese Züge zeigt und nicht nur den üblichen deutschen Standard-Bösen in einer schwarzen Uniform."

Nicht der übliche Nazi: Call of Duty Vanguard will mit seinem Bösewicht mehr bieten als nur einen zornigen Typen in einer schwarzen Uniform.

"Er ist ein komplizierter Feind, was ihn zu einem interessanteren Charakter macht. Projekt Phoenix ist sein fiktiver Plan mit einer kleinen Gruppe an Vertrauten Kontrolle über die Nationalsozialisten zu übernehmen und das Reich in eine andere Richtung als Hitler zu lenken."

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