Call of Juarez: Bound in Blood
Weiber, Pferde, blaue Bohnen!
So ballert sich Ray an einer Stelle den Weg durch eine Mine frei, während Thomas außen über die Bretterverschläge klettert. Call of Juarez zweimal durchzuspielen lohnt sich also. Nach dem ersten Durchgang schaltet das Programm für echte Revolverhelden zudem den Schwierigkeitsgrad „Sehr schwer“ frei.
In der Regel sorgen die beiden Brüder im Team für Mord und Totschlag, Bruder Nummer 3 ist zu keinem Zeitpunkt spielbar. Euren jeweiligen Partner lenkt der Computer. Obwohl es sich vom Spielablauf her angeboten hätte, ist es nicht möglich, kooperativ mit einem Freund in das Abenteuer zu ziehen. Schade, denn den künstlichen Mitstreiter verbal zu beleidigen, wenn er wieder mal so in einem Türrahmen steht, dass man sich nur mit einer verzweifelten Kombination aus Sprungtaste und Stick-Drehungen an ihm vorbei quetschen kann, befriedigt einfach nicht auf die gleiche Weise. Vielleicht hätten die Charaktere allesamt einmal bei Akrobaten in die Schule gehen sollen, dann wären die Animationen hier und da auch nicht ganz so hölzern.
„Mister Devlin will dich sehen.“ Die attraktive Schwarzhaarige wirkt wenig begeistert. Erst Recht, als der Fettsack fortfährt: „Noch heute in seinem Bett. Nur mit einem Lächeln bekleidet.“ „Und wenn ich ihn nicht sehen will?“ Ray schaltet sich in die Unterhaltung ein und lässt seine Revolver für ihn sprechen. Nicht ganz uneigennützig, schließlich hat die Dame in dem Saloon wirklich aufreizend mit dem Hintern gewackelt. Sekunden später bricht eine wilde Schießerei los. Schon wieder.
Was mich bereits nach wenigen Minuten aufregt, sind die Speicherpunkte. Die gibt es bei der Konsolenversion häufig (bei PC kann man jederzeit speichern) und man darf auch, nachdem man das Spiel beendet hat, beim zuletzt erreichten Speicherpunkt neu starten. An sich ein löblicher Ansatz, denn es gibt kaum Schlimmeres als eine Spielpassage, die man so lange wiederholen muss, bis sie auch dem letzten Probanden zu den Ohren hinaus quillt.
Nein, die Speicherpunkte in Call of Juarez: Bound in Blood sind an sich im Prinzip fair gesetzt. Was daran stört ist, dass das Spiel dort für jeweils ein oder zwei Sekunden einfriert. Da taucht der Spieler gerade ab in sein virtuelles Dasein als Gesetzloser, wird eins mit Pferd und Fels und dann reißt einen jäh ein Check-Punkt wieder zurück in die harte Realität. Dauernd. Wenn im Kino alle paar Minuten der Filmvorführer auf „Pause“ drücken würde, würden ihn die Zuschauer wohl bald in Popcorn ertränken.
Der Schatten von Thomas, der über das Hausdach schleicht, zeichnet sich einige Meter tiefer auf dem trockenen Boden ab. Der Kopfschuss vor dem Haus hat eure Zeitlupenleiste gefüllt. Die Kollegen des Dahingeschiedenen, die gerade um das Gebäude schleichen, wären ein idealer Verwendungszweck für die Spezialfähigkeit. Als ihr die Zeitlupe aktiviert, färbt sich der Bildschirm grau. Nur die Feinde leuchten bunt. Hinter dem Busch hockt sogar noch ein Bursche, den ihr vorher nicht gesehen habt. Jetzt schnell die Kerle mit dem Fadenkreuz markieren und Feuer! Vier Gegner weniger.
Von Anfang an kommt es einem so vor, als säße man in einer Geisterbahn mit Western-Figuren. Die Hintergrundgeschichte von einem Goldschatz der Azteken, dem verblendeten Südstaaten-Colonel und der Liebelei mit einer schnuckeligen Mexikanerin ist Nebensache, trotz glaubhafter Charaktere kaum mehr als Standardkost. Sie gefällt nur deshalb, weil bei Spielen das Thema Wilder Westen generell noch nicht so ausgelutscht ist wie etwa Attacken durch Außerirdische oder böse Nazis.