Can't Drive This und der Overcooked-Effekt: Wenn's im Koop etwas lauter wird
Origineller Koop-Spaß aus Nürnberg.
Sage und schreibe fünf Jahre haben die sechs Nürnberger von Pixel Maniacs an Can't Drive This gewerkelt - und jetzt ist der Koop-Titel, der als Gamejam-Idee begann, endlich erhältlich. Unter anderem musste auf halbem Wege noch einmal die Code-Basis des Spiels umgeschrieben werden, weil es als Zweispielerkonzept begann, sich aber so, wie es war, nicht gut für vier Spieler skalieren ließ. Und das hat eben gedauert. Jetzt aber ist der Titel draußen, für PC, PS4, PS5, Xbox One und Switch - und die Arbeit scheint sich gelohnt zu haben.
Vor allem, weil Can't Drive This extrem frisch wirkt: Einen Koop-Titel wie diesen habe ich lange nicht gespielt: Einer beziehungsweise eine fährt eine Art-Miniatur-Monstertruck, der, einschließlich der optionalen Kopfbedeckung, auch in Rocket League nicht fehl am Platze wirken würde, der Gegenpart auf der anderen Seite des Splitscreens baut derweil die Strecke. Der Haken: fährt man zu langsam, fängt man erst an zu glühen und - beschleunigt man nicht wieder rechtzeitig - fliegt schließlich in die Luft. In etwa wie Speed mit Sandra und Keanu, nur dass man nicht 55 Meilen pro Stunde fahren muss, sondern eher behäbig.
Inhalt
Wie "Speed", nur langsam - schreibt das besser nicht auf die Packung!
Letzteres klingt an und für sich nicht unbedingt aufregend, relativiert sich aber schnell, wenn der Mitspielende hektisch die ihm ohne Vorwarnung zugeschusterten Streckenquadrate von vielleicht zehn mal zehn Spielmetern dreht, wendet und an das letzte Stück im Optimalfall so andockt, dass der Fahrer nicht ins Bodenlose stürzt. Da wird das 30-Zonen-Cruisen mit Hut plötzlich zum gefühlten Drag-Race - und die Finger durchaus feucht.
Direkt am Anfang meiner Session mit Pixel-Maniacs-Mitgründer Benjamin Lochmann muss ich mich erstmal selbst an die Leine nehmen, denn als der Gamer-Streber mit mir durchgeht, will ich seiner Streckenführung intuitiv entwischen - ich habe noch nicht verinnerlicht, dass man hier streng kooperativ rangehen muss. Am Ende zählt nämlich im Standard-Modus Yardage für beide nur die Distanz, die man zusammen zurücklegt und mit der man sich im besten Fall auf dem Leaderboard verewigt. Also nochmal neu gedacht, Zocker-Verbissenheit runtergeschluckt und nochmal von vorn, diesmal als Kommunikationsspiel angegangen.
Ich gebe zu, wahnsinnig hübsch ist es nicht, dieses Can't Drive This. Es sieht optisch durchaus poliert aus, so poliert, wie Spiele von Studios mit nur sechs Entwicklern nur aussehen können. In Sachen Identität wirkt es jedoch ein wenig unentschlossen und letztlich nicht gerade erinnerungswürdig. Aber das muss es auch nicht sein. Der „nur noch einen Versuch"-Juckreiz ist in diesem hier auch so extrem ausgeprägt und weil die Runden insgesamt recht kurz sind, ist die Hemmschwelle, es direkt noch einmal auszuprobieren, sehr niedrig angelegt. Es war eine kurze Anspiel-Session und Lochmann fragt mich mehr als einmal, ob wir „mal tauschen" wollen. Ich wollte nicht. Jedenfalls nicht so schnell, der Ehrgeiz, es besser zu machen als beim letzten Mal, war direkt da.
Mit der Zeit lernt man, auch mal auf die andere Screen-Hälfte zu schauen, die entstehende Strecke aus der Vogelperspektive zu sehen, war eine große Hilfe in Sachen Orientierung. Und Kommandos des Streckenarchitekten, der mit zunehmend widrigen Track-Quadraten hantieren muss, "nochmal einen Donut" zu drehen, um ihm ein wenig Zeit zu verschaffen oder Tipps, wie die nächste Schikane verlaufen soll, waren extrem hilfreich. Lochmann bekam es sogar hin, mich mehrfach in letzter Sekunde vor Abstürzen zu retten, als ich mal wieder überfordert war, denn so gut wie jedes zweite Stück Strecke scheint einfach nicht befahren werden zu wollen.
Strecken fahren, wie sie fallen
Eine Grube entlang der Längsachse, ein Wasserpool, der die Sicht mit Tropfen benetzt, eine Sprungschanze, eine sich öffnende und schließende Rampe, ein Ring zum Durchspringen (oder an der Basis dagegen knallen, wenn kein Sprungfeld voranging), Beschleunigerpfeile, und und und - alles kann hier mehr oder weniger ohne Sinn und Verstand aufeinanderfolgen. Denn aussuchen, welches Teil als nächstes kommt, kann man sich nicht, nur eins dort ablegen, wo es keinen stört. Und hoffen, dass das nächste besser ist und man es rechtzeitig noch drangepappt bekommt.
Das alles ist auch nach dem "Seitenwechsel" erstaunlich packend, lastet auf dem Streckenbauer doch eine andere Art von Druck, da er auch seinen Kompagnon noch ein wenig kommandieren muss. Ich kann mir gut vorstellen, hier wie auch in Overcooked einen gewissen kooperativen Ehrgeiz zu entwickeln, der schon mal in aufgebrachten Schreimatches mündet.
Auch ist nett, wie die anderen Spielmodi das Thema variieren, ohne sich überflüssig oder verkrampft anzufühlen. In Game of Drones geht es zum Beispiel darum, unter einem EMP-Bombardement Level-weise bestimmte Zielpunkte anzufahren, anstatt nur Meter zu machen. Gleichzeitig muss man aufpassen muss, dass sich eine zu wild verlegte Strecke nicht selbst blockiert, denn natürlich sind nicht alle Teilstücke zu allen Seiten offen. Auch Capture the Egg gefällt mir gut, wo zwei Zweier-Teams sich gegenseitig ein hinter dem Wagen her kullerndes Riesenei abjagen müssen.
Es gibt sie also doch noch, die unverbrauchten Couch-Koop-Ideen. Und ich komme mir ein bisschen schäbig vor, dass ich mich wundere, warum niemand schon vorher auf den Gedanken gekommen ist, ein Spiel zu entwickeln, in dem man eine Strecke fährt, die gerade erst entsteht. Ich will ja den guten Einfall von Pixel Maniacs nicht kleinreden. Aber es scheint mir so schmerzhaft offensichtlich. Umso besser, dass es genau dieses Spiel jetzt gibt. Es ist zwar nicht perfekt - online spielt man nur zu zweit, nicht zu viert, solo am besten gar nicht - und weder in Stil noch Technik ein Hingucker. Aber Freunde gewinnt man immer noch mit inneren Werten. Und von innen, da ist Can't Drive This eine Schönheit.
- Entwickler / Publisher: Pixel Maniacs
- Plattformen: PS4, PS5, PC, Switch, Xbox One (angespielt auf PC)
- Release-Datum: erhältlich
- Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
- Preis: ca. 20 Euro, keine Mikrotransaktionen