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Captain Toad: Treasure Tracker - Test

Babyschritte.

Etwas kurz, etwas simpel, aber es muss ja nicht immer das nächste, große Epos sein. Manchmal tut es auch ein gut durchdachtes Puzzlespiel.

Damit das gleich weg ist: Captain Toad: Treasure Tracker ist kein langes Spiel, ohne 100-Prozent-Bemühungen schaffbar binnen fünf Stunden oder zwei Abenden, je nachdem, was zuerst eintritt. Es passte genau in die Vorstellung von einem datenschmalen E-Shop-Download, stünde es nicht auch für unter 40 Euro im Laden. Außerdem war es Nintendo-untypisch keine jahrelange Entwicklung, eher eine günstige Lücke, etwas zum Mid-Price-Abenteuer auszustopfen, das vor einem Jahr in Super Mario 3D World als "Geheimtipp" hängen blieb: die Toad-Levels. Captain Toad: Treasure Tracker, kein langes Spiel also, aber ein schönes, poliertes, Freude verbreitendes.

Nintendo veröffentlicht seine Spiele für gewöhnlich in fertigem Zustand, und wenn das bedeutet, 2015 kurz nach Silvester mit so etwas zu starten, dann würde ich behaupten, es könnte uns deutlich schlimmer treffen. Schätzen nachjagen kann man immer, warum also nicht mit dem Schwammkopf? Toad ist das pilzgeformte Comic-relief, sonst kaum mehr als ein Nachrichtenüberbringer, ein ulkiges Krächzen auf zwei Stummelbeinen, über das man lacht, weil man das immer getan hat - so blank, wie es als Nintendo-Figur nur möglich ist. Ein Toad unter tausend anderen, der eben zufällig Minenausrüstung dabei hat und für diesen Job prima einspringen kann. Die Geschichte: ...

In jedem Level gibt es zahlreiche Münzen, drei Diamanten und den Stern als Endpunkt. Wer einen perfekten Abschluss im Sinn hat, muss Bonusziele erfüllen, etwa den goldenen Pilz finden oder alle Gegner besiegen.

In über 50 Abschnitten geht es erneut um das perspektivische Erfassen der kompakt gehaltenen Umgebungen, das Ausmachen von drei Rubinen pro Stage und die Überlegung, wie man an sie herankommt. Jeder Level ist ein kleiner, in sich ge- und würfelförmig abgeschlossener Kosmos, in dem sich alles nur um euch dreht. Dieses glitzernde Gras, die kleinen Staubwolken beim Zertrümmern eines Steinblocks, das grelle Flirren in den Lava-Stages - jedes Blatt, jeder Stein gleichwertig. In einer zeichnerischen und weniger technischen Ausarbeitung, die es in der Form nur bei Nintendo zu geben scheint.

So kommt es, dass man hinsieht und lacht, ebenso angelehnt an den Spieltakt wie die Melodien an 3D World, von dem das alles hier abgeschnitten wurde. Geht einfach nicht anders, egal ob man im klassischen Buu-Huu-Geisterhaus unterwegs ist, schwimmbereifte Gumbas in den Urlaubsleveln ärgert oder Shy Guys umgeht, wenn sie gerade nicht hinsehen. Gegner sind insofern wichtig, als dass Toad weder springen noch schlagen darf. Bloß laufen und sehen, wo sich das Abbiegen oder Fallenlassen lohnt. Und Rüben pflücken, um sie zum Wurfgeschoss zu machen.

In diesem Abschnitt muss man zwei Toads gleichzeitig durch ein Labyrinth navigieren und Schalter erreichen - eine aus SM3DW übernommene Idee.

Das freie Drehen und Kippen der Ansicht ist zentrales Spielelement und unvermeidbar beim Einsehen der hintersten Winkel. Nur so erkennt man wichtige Plattformen, Schalter und Übergänge zu anderen Ebenen. Einige Male erwischte ich mich dabei, wie ich die Kamera kreisen ließ, einfach weil es so schön funktioniert. Es ist ein ebenso schlichtes wie geniales Spielprinzip, das keine Tutorials oder Tipps braucht, lediglich eine zehnsekündige Einführung, in der Toad und Toadette einen Stern pflücken. Schon weiß man, was es zu wissen gibt. Der Rest ergibt sich.

Andere Puzzlespiele wie Catherine oder Pullblox sind um die Idee herum ersonnen, den Level durchs Ziehen und Verschieben seiner Bestandteile so anzuordnen, dass man sich den Weg an die Spitze bahnen kann. In Treasure Tracker geht es mitunter gar nicht um die Spitze. Der Endstern kann bei Levelbeginn einen Meter neben euch schweben, doch wenn ein mickriger Holzzaun dazwischen ist, muss man halt sehen, was man draus macht. Toad darf nicht eigenhändig schieben, nur Babyschritte vorwärts, immer wieder die Kamera drehen und gucken, links runter und rechts, könnte ja ein Durchgang verborgen sein.

Die freie Kamera verschafft euch Übersicht in nahezu jeder Ecke. Sogar Heranzoomen ist möglich. Die Diamanten sind teils knifflig versteckt.

Das Spiel ist nicht hirnknotend schwierig wie andere Puzzler, frei von Zeitdruck, eher an ein junges Publikum adressiert. Abgesehen vom Ende des letzten der drei Rätselblöcke, wo man immer mehr Diamanten zum Freischalten der finalen Begegnungen braucht. Die Bosse: Hindernislaufen ohne Gewalt, sehr süß gestaltet, bunt und knallig, letztendlich nichts Besonderes und nur wenige.

Treasure Tracker hat trotzdem dieses Gen, das nur in ihrer mechanischen Aufbereitung vollkommen durchdachte Spiele besitzen. Nintendo wusste genau, wie weit die Ideen die Knobelei ohne Einknicken tragen können, und bürdete ihnen nicht mehr auf. Jeder Abschnitt hat etwas Neues, Eigenes, und auch wenn viele in drei Minuten gelöst sind, spielte ich sie allesamt mit Freude. Mal lässt sich an einer Vorrichtung eine Levelhälfte komplett auf den Kopf drehen, mal verschiebt man mit dem Finger auf dem Touchscreen Plattformen, um sich Durchgänge zu erarbeiten, mal von allem ein bisschen. Die Lorenfahrten aus der Ego-Perspektive haben fast etwas Pokemon-Snap-mäßiges.

Minispiele zwischendurch gibt es auch so einige.

Habt ihr noch Spielstände von Super Mario 3D World auf der Festplatte, schaltet das Spiel eine ganze Reihe Bonuslevel daraus frei. Die sind merkwürdig. Zwar wurden sie an Toads reduzierte Fertigkeiten angepasst, daher geht es eher um Geschick und Geduld beim Umgehen von Feinden. Aber es bleiben eben Jump-and-Run-Level, vergleichsweise ausladend entworfen, damit jeder Sprung sitzt.

Dass ich das nur schwer aus dem Kopf bekam, sieht man daran, wie oft ich Toad instinktiv hüpfen lassen wollte. Der Fungus ist genauso am Boden geblieben wie seine Fertigkeiten im geschlossenen Rätselkosmos voller Schalter, Wassergruben, Türme und POW!-Blöcke. Es sind heldenhafte Unternehmungen für den Kleinen, in einem für ihn herkulisch anmutenden Abenteuer, das weder das längste noch das schwierigste seiner Art ist. Aber ein herzliches, gut durchdachtes und sehr motivierendes, Münze für Münze, Diamant für Diamant, bis die Sterne zum Greifen nah sind.

8 / 10

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