Cargo! The Quest for Gravity
Reif für die Insel. Aber sowas von.
Habt ihr euer erstes Speedboot zusammen, schraubt ihr nur noch einen Rettungsring daran und schon hängt sich eine immer länger werdende Kette an Buddies an euer Gefährt, um sich von euch die Achterbahnfahrt ihres Lebens geben zu lassen. Bei diesen Spritztouren schießt der Fun-Zähler in enorme Höhen und irgendwann habt ihr genug davon gesammelt, um einen Eisberg, einen Dampfer oder eines der oben genannten Gebäude auf die Erde zurück zu holen.
Durch gewisse Aktionen wechselt ab und an die Jahreszeit. Eben erwähnter Gletscher ruft nach seiner Wasserung etwa den Winter auf den Plan, woraufhin ihr von der Schifffahrt auf einen vierrädrigen Fortbewegungsmodus umstellen solltet, dann Rennen fahrt und euch vor riesigen Pinguinen in acht nehmen müsst. Später geht es dann mit einem U-Boot unterhalb der Eisschollen weiter, bevor ihr nach der großen Schmelze beginnt, euch per improvisiertem Hubschrauber oder Flugzeug in die Lüfte zu schwingen.
Leider nimmt euch das Spiel regelmäßig eure Kreationen samt der teuer erkauften Bauteile einfach aus der Hand, wenn mal wieder ein Wechsel der Spielperiode ansteht, was ein bisschen frustrierend sein kann. Speichert eure Fahrzeug-Blaupausen regelmäßig, um nicht ständig von Null anfangen zu müssen.
Im Grunde gibt es trotz aller Verrücktheit sonst eigentlich nicht allzu viel zu tun auf dem Cargo-Archipel. Ihr sammelt hin und wieder Noten, um diese zu einer Melodie zusammenzufügen, zu der die Buddies tanzen – um Fun zu generieren, ohne reihenweise Stiefelabdrücke auf ihnen zu hinterlassen. Hin und wieder findet ihr ein wertvolles Bauteil oder verschönert die skurril-bunte Landschaft mit neuen, wiederum Buddy-spendenden Objekten aus der Umlaufbahn des Planeten. Es ist eher die Unvorhersehbarkeit der Aufgaben und das willkommene Chaos der Konstrukteursfunktion, die den Hauptanreiz von Cargo! ausmacht.
Ein seichtes, aber optisch sehr lustiges Auto-Rennen wird gefolgt von einer Orgelsequenz, in der ihr Buddies nach Art eines Musikspiels durch die Röhren des Instrumentes schießen müsst, um einen Vulkan wieder zum Ausbruch zu bringen. Kurz darauf treibt ihr auf einer Eisscholle umher und müsst die umstehenden Buddies davor bewahren, von herabfallenden Trümmern erschlagen zu werden. Auf Konventionen geben die Entwickler einen feuchten Kehricht und sie wollen, dass ihr es ihnen gleichtut.
Und wie ihr vielleicht schon ahnt, bin ich ihnen gerne durch diese Anarchie gefolgt. Mitunter schlagen die Kameraden aber etwas über die Stränge. Ein bisschen wirr, wird Cargo! denn dann doch ab und an. Ständig ploppen Einblendungen auf, die das Ende der Welt oder dergleichen in großen freundlichen Fonts verkünden - mitten im Bild. Andernorts philosophiert Flawkes mit monotoner Stimme kaum verständlich aus den Boxen heraus. Was das soll? Keine Ahnung. Spielrelevant ist es jedenfalls meistens nicht.
Zudem: Es gibt keine Karte oder Wegweiser und regelmäßig sind die Anweisungen, was überhaupt als nächstes zu tun ist, sehr vage oder im schlimmsten Fall komplett missverständlich. Hier wird eure Geduld ein wenig auf die Probe gestellt. Es erinnert ein bisschen an die alten Spiele aus Amiga- und C64-Zeiten, bei denen man nie so genau wusste, was zur Hölle das Spiel von einem wollte. Zum Glück ist es in Cargo! nicht sooo schlimm, eine Weile auf dem Schlauch zu stehen.
Meist bastelt man dann ein wenig ziellos im Editor umher, erfindet zufällig eine wahre Höllenmaschine von einem Land-Luft-Wasser-Dragster, freut sich, und zieht ein Dutzend Nackedeis wie eine Wäscheleine voller flatternder, jaulender und feiernder T-Shirts hinter sich her. Mit dem sechsstelligen Fun-Betrag, der sich daraus ergibt, kommt man dann meistens wie von selbst auf den Trichter, das Gebäude aus der Stratosphäre zu holen, das die nächste Spielperiode einleitet. Einige wünschen sich hier ab und an zumindest einen Richtungspfeil, andere dürften es als interessantes Rätsel betrachten, den geforderten Modus Operandi auszutüfteln. Ich fiel in meiner Testsitzung ziemlich genau zwischen diese beiden Kategorien.
Cargo! also – ein Spiel, das bewusst ohne rechte Richtung oder leitende Hand daherkommt. Noch dazu eines, in dem die Einzelmechanismen – besonders die Fortbewegung Flawkes, die Erkundung und Physik – in bester osteuropäischer Independent-Tradition etwas unterentwickelt und stellenweise einfach billig daherkommen. Man muss sich schon darauf einlassen (wollen). Tut man das aber, findet man einen Titel, der nur so sprüht vor einzigartiger Albernheit und ausgefallenen Designs.
Cargo! ist nicht allein um des Andersseins-Willens anders. Ein Gefühl, dass man bei The Void durchaus noch bekommen konnte. Im neuesten Werk beweist Ice Pick Lodge aber, dass das Team auch als Entertainer so seine Qualitäten hat. Freunde experimenteller oder schlicht bekloppter Spiele betrachten die mickrigen 20 Euro, die hier veranschlagt werden, als attraktive Einladung. Aber gebt's ruhig zu. Ich hatte euch doch schon bei "nackten Zwergen in den Hintern treten"!
Steam-User haben Cargo vielleicht bereits. Auf DVD erscheint der Titel heute - zum günstigen Preis von nur 20 Euro