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Castlevania: Lords of Shadow - The Mirror of Fate

Oder: Müssen Spieletitel immer länger werden?

Es gibt tatsächlich Leute, die Lords of Shadow mit einer bemerkenswerten Leidenschaft hassen. Es gehörte sicher nicht zu meinen Lieblingsspielen 2010 und irgendwo auf Disc zwei verlor ich das Interesse, aber alles in allem konnte ich es als Reboot des klassischen Castlevania durchaus akzeptieren. Ein paar Anpassungen, um noch ein wenig genauer den Geist der Vorlage zu treffen, werden spätestens mit dem Nachfolger schon noch vorgenommen - weniger God of War Set-Piece-Einbahnstraße bitte, dafür mehr offene Gebiete -, der Rest kommt dann von selbst. Hoffentlich.

Als wollten sie im zweiten Gang beweisen, dass sie das ehemalige Konami-Zugpferd wirklich, wirklich sehr genau verstehen, steht Mercury Steams Mirror of Fate nun mehr in der Tradition der tollen GBA- und DS-Vorgänger von Circle of the Moon bis Order of Ecclesia. Es kommt in 2D daher, wenn auch in der auf dieser Plattform offenbar verpflichtenden polygonalen 3D-Grafik. Auf den ersten Blick ist der Wiedererkennungswert dennoch gegeben. Von den handgezeichneten 2D-Elementen, die auf dem unteren Bildschirm die Spezialangriffe im bekannten Pop-Gothic-Chic visualisieren, bis hin zur stolzierenden Lauf-Animation jedes der vier Belmonts, derer man sich im Laufe des Spiels annimmt: Dieses Spiel erkennt man schnell als Teil dieser speziellen Ahnenreihe.

Von Wurfaxt bis Weihwasser sind viele bekannte Werkzeuge mit dabei.

Die hat natürlich eine ziemlich bewegte Geschichte mit einer ganzen Reihe von Fehlschlägen und Orientierungslosigkeiten und in der ersten Stunde mit Mirror of Fate wähnt man es noch als bestenfalls belanglosen Serieneintrag, ist sich aber beinahe sicher, dass es noch schlimmer wird. Zum einen liegt das daran, dass es anfangs schwierig ist, sich mit den trägen Bewegungen anzufreunden, denn Simon Belmont ist ein regelrechter Klotz. Das mag 1986 im ersten Castlevania nicht anders gewesen sein, aber hier will anfangs einfach keine rechte Freude aufkommen, wenn man die mal sehr kleinen, mal verschwenderisch großen (aber trotzdem meist nur mit je einem Ein- und Ausgang versehenen) Gebiete durchquert.

Beweg' dich als wär' es 1986!

Nur langsam zieht sich Simon an Griffkanten hoch, die in der polygonalen Räumlichkeit nur wegen ihres Blinkens gut auszumachen sind - was man von den Kanten, von denen man abspringt, nicht sagen kann. Dazu kommt, dass es wie schon in Lords of Shadow ein God-of-War-artiges Kombo-System gibt und folglich jeder Werwolf, Zombie, Meermann oder sonstiger Castlevania-Stammgast mehrere Treffer verträgt. Milde gelangweilt geht es in etwa bis zum ersten Boss so weiter, wo sich dann aber zumindest einer dieser Punkte langsam in ehrliches Wohlgefallen auflöst: Das Kampfsystem macht auf einmal Spaß. Lernt man erst die Gegner und die individuellen Skills jedes Belmont kennen kennen, pariert man ihre Attacken mit perfektem Timing oder nutzt den Ausweich-Move elegant, um selbst in der Luft unblockbaren Angriffen zu entgehen. Es funktioniert ausgezeichnet, fügt sich nahtlos ins Szenario und beweist im Grunde, das arcadiger Zwei-Tasten-Kampf der God-of-War-Schule und Castlevania sehr wohl zusammenpassen.

Gerade die Endgegner testen durchaus euer Geschick, wenn ihr wie so oft per Rollbewegung die maximale Reichweite eures Kontrahenten taxiert, doch auch gewisse Standard-Feinde, wie zum Beispiel die Zauberbücher, die anwesende Monster buffen, lockern den Ablauf von Kampf zu Kampf auf und stellen euch vor unterschiedliche Herausforderungen. Der durchaus vorhandene Schwierigkeitsgrad wird zwar ein wenig durch die vielen Rücksetzpunkte und häufigen Gesundheitsspender sabotiert, trotzdem hat man hier durchaus die Sorte Spaß, die das Spiel nicht einfach nur herschenkt. Schade, dass einmal mehr stupide QTEs mit häufig folgendem Instant-Tod (und ebenso Instant-Neuversuch) mit von der Partie sind. Das hätte sich Mercury Steam sparen können.

Grafisch schwankt das Spiel zwischen Treppenhaus-Tristesse und kunstfertig ausgestalteten Umgebungen

Wo der Kampf überzeugt, lässt die Erkundung und Fortbewegung jedoch über die gesamte Länge ein bisschen zu wünschen übrig. Mehrfach musste ich eine Kiste nur ein paar Meter nach links oder rechts verschieben, um weiterzukommen und auch wenn zum Beispiel mit der Hangel-Kette, mit der man sich von leuchtenden Ankerpunkten herab schwingt, viele der Räume deutlich unterhaltsamer zu durchqueren sind: Außerhalb der Kämpfe fühlen sich Simon und seine Verwandten nie so ganz wie der verlängerte Arm des Spielers an. In vollem Wissen darum vermied es Mercury Steam auch wohl, punktgenaue Springereien von euch zu verlangen.

Pfadfinder werden unterfordert

Schade auch, dass die hier prinzipiell angewandte Metroidvania-Formel nur auf die absolut notwendigsten Wege zusammengedampft wurde. Man kämpft und klettert so lange voran, bis man vor eine Wand läuft, und rennt dann durch das bereits durchforstete Gebiet zurück, um die Stelle zu finden, an der man zuvor wohl besser einen Marker auf der praktischen und übersichtlichen Karte gesetzt hätte. Auch hier gilt: Mit fortschreitender Spieldauer passt man sich dem an, nutzt eben genanntes Feature, und wenn die Teleporter ins Spiel kommen und die Wege deutlich verkürzen, stimmt einen das wieder milde. Zudem kann man beim Backtracking eine gewisse Befriedigung daraus ziehen, dass sich viele Gegner nun deutlich einfacher schlachten lassen.

Das ist allerdings nicht einem klassischen RPG-Level-System zuzuschreiben. Durch das Sammeln von Erfahrungspunkten steigt man lediglich in der Stufe auf, was wiederum immer haargenau einen neuen Move freischaltet. Sonst steigert man keine Werte, abgesehen von Gesundheit und Magie, für die man gewisse Schatztruhen finden muss. Auch wenn die frischen Fähigkeiten allesamt wirklich nützlich waren, ist dieses System doch ziemlich rudimentär - wenngleich funktional - ausgefallen und man man fragt sich, ob Mercury Steam eigentlich mehr vorhatte, dann aber doch nicht damit fertig geworden ist?

30 FPS wären trotzdem schön gewesen ...

Und die Technik? Nun, glänzte Lords of Shadow noch durch verschwenderisch ausgestaltete Szenarien und Screenshot-freundliche Panoramen, ist Mirror of Fate ein hässliches Entlein. Es gibt sie schon, die Momente, in denen dank 3D und architektonisch schöner Bauten Triple-A-Flair entsteht. Die meiste Zeit sorgt aber unangenehmes Ghosting - ein Nachziehen, eine Dopplung des Bildes - dafür, dass man das 3D lieber abschaltet. Und alles, was dann bleibt, ist ein PS2-Spiel in niedrigerer Auflösung und folglich starker Treppchenbildung an den Polygonkanten.

God of War 1 sah noch deutlich besser aus, und sobald die Kamera sehr weit aus dem Geschehen rausfährt, fehlt es den Figuren wegen der geringen Pixeldichte an Definition. In Nahaufnahmen wird dagegen offenkundig, wo gespart werden musste, um diese Grafik auf der Hardware zum Laufen zu bringen. Und selbst dann ist es häufig nicht ganz flüssig. Es ist durchaus anschaubar und wie gesagt blitzt immer mal wieder die gestalterische Finesse des Studios durch. Aber irgendwo ist diese Sorte 3D für mich immer ein fauler Kompromiss, den auch die kleinere Bildschirmdiagonale nicht aufwiegt. Vor dem Hintergrund ist auch der stilistische Wechsel, wenn das Spiel in die von Motion Comics inspirierten Cel-Shading-Zwischensequenzen verfällt, regelmäßig seltsam, ja, beinahe störend. Tatsächlich wäre es wohl die bessere Wahl gewesen, diesen durchaus guten, stilisierten Look der häufig klobigen, grau-braunen Düsternis vorzuziehen? Castlevania-Fans hätten die größere visuelle Nähe zur handgezeichneten Vergangenheit der Reihe sicher zu schätzen gewusst.

Was letzten Endes dennoch bleibt, ist ein über alle vier Charaktere recht passables Actionspiel mit leider zu seichter Erkundung, das die Fiktion des Reboots ganz ansprechend, wenngleich ein bisschen verwirrend mit der Historie der Reihe verknüpft. Wäre Mirror of Fate zwischen Portrait of Ruin und Order of Ecclesia herausgekommen, es würde sich heute wohl niemand mehr daran erinnern. Aber Ecclesia ist mittlerweile vier Jahre her und die Fans hungern nach einem klassischem Castlevania. Wagt einen Blick in diesen Spiegel. Er hat ein paar hässliche Sprünge, aber wer weiß? Vielleicht gefällt euch trotzdem, was ihr seht.

6 / 10

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