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Champions of Anteria - Test

Eine große Portion verschenktes Potenzial

Einst noch mit Siedler-Label im Namen, fühlt sich das Spiel heute an wie der halbgare Versuch einer eierlegenden Gameplay-Wollmilchsau.

Hossa, ein neues Strategiespiel! Die gibt's für meinen Geschmack etwas zu selten, umso mehr hab' ich mich auf Champions of Anteria gefreut. Drei verschiedene Fantasy-Helden in Echtzeit-Kämpfen, die sich auf Knopfdruck unterbrechen lassen, um die Taktik anzupassen. Dazwischen Basisbau und neue Skills, Erobern neuer Ländereien - das hörte sich auf dem Papier zumindest nach einer ganz guten Mischung an.

All diese Elemente kommen Strategiespielern bekannt vor und es gibt herausragende Genrevertreter, bei denen sie gut funktioniert haben. Man denke nur an die Strategieebene im letzten XCOM oder die komplexen Kämpfe in Divinity: Original Sin. Eins gleich vorweg: Mit Titeln von diesem Format kann Champions of Anteria nicht mithalten, denn die einzelnen Spielelemente greifen kaum ineinander. Das mag nicht zuletzt an der bewegten Entstehungsgeschichte des Spiels liegen.

Per Druck auf die Shift-Taste könnt ihr Handlungsabfolgen festlegen. Weil sich die Gegner aber schnell weiterbewegen, ist das meistens nicht sinnvoll.

Angekündigt wurde Champions of Anteria von Blue Byte noch als Die Siedler: Königreiche von Anteria. Der Beta-Test zeigte dann wohl, dass Siedler-Fans keine große Lust auf Missionen im Diablo-Stil und oberflächliche Aufbau-Elemente mit Mikrotransaktionen hatten und so verschwand das Spiel zunächst wieder im Giftschrank - um wenig später erneut das Licht der Welt zu erblicken. Diesmal ganz ohne Sieder-Lizenz und unter dem Namen Champions of Anteria. Fragmente der altgedienten Strategiereihe finden sich im Spiel nur noch am Rande.

Im Wesentlichen ist Champions of Anteria nun so etwas wie ein strategischeres Diablo geworden. Je drei von fünf verschiedenen Helden steuert ihr durch verschiedene Missionen, die ihr selbst auf der Weltkarte anwählen könnt. Das Kampfsystem beschränkt sich dabei nicht aufs pure Draufhauen - viel mehr kennt das Spiel fünf verschiedene Elemente, von denen jeweils eines gegen ein anderes besonders wirksam ist. Jeder Gegner und jeder Champion ist einem dieser Elemente zugeordnet. Metall bewirkt beispielsweise besonders viel Schaden gegen Natur, Natur dafür gegen Blitz. Hört sich in der Theorie spannend an, erweist sich in der Praxis aber als mühselig. Attacken wirklich gut aufeinander abzustimmen, ist nämlich nicht ganz so einfach.

Der Aufbau des Dorfes: Sieht aus wie Siedler, hat aber nicht wirklich viel damit zu tun.

Wie eingangs erwähnt könnt ihr zwar das Echtzeit-Kampfgeschehen pausieren. Plant ihr in diesem Modus allerdings eine Attacke, führt die jeweilige Figur diese schon einmal da aus, wo sie stand, als ihr das Spiel pausiert habt. Bis dahin wird sie sich allerdings in den meisten Fällen schon vom Fleck bewegt haben. So entsteht Frust. Erschwerend hinzu kommt, dass das Spiel dazu neigt, bestimmte Aktionen manchmal gar nicht auszuführen. Die Frust-Spirale beginnt sich rasant zu drehen und erreicht ihren Höhepunkt, wenn man merkt, dass man gerade seinen letzten Trank aufgebraucht hat und jetzt eigentlich gleich freiwillig die Mission abbrechen könnte, um sich im Dorf neue Ausrüstung zu besorgen. Lebenszeit, ich seh' dir beim Davonlaufen zu.

Das Dorf ist übrigens der Teil des Spiels, der noch am meisten an die alten Siedler-Titel erinnert. Erobert ihr neue Ländereien mit euren Helden und baut ihr euer Dorf aus, gewinnt ihr Ansehen. So schaltet ihr wiederum neue Gebäude frei, mit denen ihr euer Dorf noch weiter ausbauen und neue Gegenstände freischalten könnt. Das war's dann aber auch schon - die aus der Siedler-Reihe bekannten Produktionsketten gibt es nicht, an Elemente wie Handel ist gar nicht zu denken. Euer einziges Ziel ist es, dass euer Dorf so viel wie möglich produziert. Kleinere Boni gibt es dabei, wenn ihr Gebäude an der richtigen Stelle platziert. So entsteht beispielsweise Metall am besten in der Nähe von Bergen.

Hier müsst ihr eine Kutsche (links unten im Bild) eskortieren. Im Endeffekt gilt es dennoch, lediglich Wellen von Gegnern zu besiegen.

Leider werden das schlampige Kampfsystem und die oberflächlichen Aufbaustrategieelemente zwischendurch auch nicht durch eine gute Story aufgefangen. Das Spiel erklärt euch zu Beginn nur kurz, dass eure Feinde böse und blutrünstig sind und dass ihr sie nun besser im ganzen Königreich Anteria ausradieren sollt. Tatsächlich hatte ich zu Beginn des Spiels mit einem Bug zu kämpfen, der dafür sorgte, dass Dialoge innerhalb der Missionen sofort übersprungen wurden. Und was soll ich sagen? Sie haben nicht gefehlt. Ich weiß das, weil sich der Fehler später von selbst behob und ich sehen konnte, was ich verpasst hatte.

Habt ihr das anfängliche Story-Geplänkel überstanden, werdet ihr entlassen und schlagt euch von einer Mission zur anderen. Manchmal müsst ihr einen Konvoi eskortieren, dann bestimmte Gegner ausschalten. Nach ein paar erfüllten Quests fühlen die sich aber leider immer wieder gleich an, denn sie laufen mehr oder weniger stets auf eines hinaus: Schlagt alle Gegner kaputt! Ein gutes Haar möchte ich an Champions of Anteria noch lassen: seine Aufmachung. Wenn ich den Figuren in meinem Dorf beim Wuseln zusehe, fühle ich mich doch fast wieder ein wenig an Die Siedler erinnert. Die Dialoge in den charmant gezeichneten Zwischensequenzen sind humorvoll, teils sogar ein wenig selbstironisch.

Auf dieser Karte wählt ihr, welche Mission ihr angehen wollt.

Champions of Anteria hätte noch viel Entwicklungszeit gebraucht. Dass die Mischung aus Basisbau und Taktikmissionen durchaus funktionieren kann, beweist XCOM mit Bravour. Hier allerdings greifen die Elemente nicht ineinander, der Basisbau ist trivial und spielt keine große Rolle, das Kampfsystem unausgereift und frustrierend, teilweise schlichtweg fehlerhaft. Champions of Anteria versucht, verschiedene Genres zu vermählen, scheitert aber schon beim Heiratsantrag. Die nette Präsentation reißt es ein wenig raus, das eigentliche Spiel geriet letzten Endes aber alles andere als packend.

Entwickler/Publisher: Blue Byte/Ubisoft - Erscheint für: PC - Preis: 29,99 Euro - Erscheint am: Erhältlich - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

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Markus Grundmann Avatar
Markus Grundmann: Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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