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Civilization 6: Rise and Fall - Test

Eine Frage der Loyalität.

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Der neue Faktor Loyalität wertet Civ massiv auf und auch die anderen Neuerungen machen ein gutes Spiel noch viel besser.

Angeblich hat Alexander der Große geweint, als er sein Reich überblickte und sah, dass es nichts mehr zu erobern gab. Die Reaktion war die richtige, die Gründe die falschen. Er hätte weinen sollen, weil sein Reich nicht lange zu erhalten war. Eine unklare Machstruktur, schlechte Infrastruktur selbst für die Zeit, ein nur bedingter Konsens über eine gemeinsame kulturelle Ausrichtung, es gibt zig wissenschaftliche Abhandlungen, warum das Riesenreich dermaßen schnell zerfiel. Das Römische Reich dagegen, dass nur wenige Jahrhunderte später ähnliche Ausmaße erreichen sollte, hielt weit länger.

Weit weg von der Hauptstadt muss man der Bevölkerung schon was bieten, damit sie sich nicht vernachlässigt fühlen. (Civilization 6: Rise and Fall - Test)

Die Erklärung, die Civilization VI: Rise and Fall dafür liefert: Es ist zwar schön, mit einer Armee eine Stadt nach der anderen einzunehmen und zig neue entlang des Weges zu gründen, aber wenn ihr euch danach nicht um das so entstandene Reich kümmert, wird die Loyalität seiner Bewohner zur weit entfernten Hauptstadt nicht lange halten. Damit ist auch der wichtigste neue Wert in Civ genannt, Loyalität. Bürger sind loyal, wenn sie den Eindruck haben, Teil des Ganzen zu sein und nicht nur eine weit entfernte, abgesplitterte Region einen Kontinent nebenan, die an einen nie gesehenen Herrscher Tribut entrichten muss. Civ hat mit diesem Gedanken mehr als einmal gespielt, ihn aber nie konsequent verfolgt. Jetzt jedoch kommt er mit Macht und das dürfte vor allem Spieler erfreuen, die nicht unbedingt nur mit Armeen herumhantieren möchten - ich selbst zähle mich durchaus dazu, wenn ich nicht gerade einen 800 Jahre andauernden Atomkrieg gegen die Mongolen führe.

Loyalität entsteht eigentlich recht simpel. Baut Verkehrswege aus, investiert in kulturelle und wirtschaftliche Errungenschaften und sichert die Verteidigung gegen etwaige Störenfriede. Sorgt kurz gesagt dafür, dass die Leute zufrieden sind und einen direkten gesellschaftlichen und kulturellen Draht zum Zentrum eurer Macht haben. Expansion wird auch durchaus mit Werten und Punkten belohnt, aber wenn diese ohne Nachhaltigkeit voranschreitet, werden angrenzende Nationen leichtes Spiel haben. Manchmal reicht dann fast schon bloßes fragen, ob eine Stadt nicht lieber einem echten Land angehören möchte, das sich auch um sie kümmert. Rebellion und Unruhe werden zu einem Dauerzustand, wenn die Katze nur einmal mit einer Armee kam und sich danach nie wieder im Haus sehen ließ. Das Gute ist natürlich, dass das auch für eure Nachbarn gilt und ich habe mehr als eine Stadt, die sich für frei erklärte, entlang der Grenzen eingesackt. Das machte sie auch glücklich, denn neben einer kleinen Stadtwache schickte ich auch immer gleich noch ein paar Bautrupps mit, die ihnen zeigten, dass Rom sich kümmert (ich spiele seit 25 Jahren bevorzugt die Römer, sehe keinen Grund, das zu ändern).

Jeder der Gouverneure hat seine eigenen Stärken, die ihr gezielt einsetzen müsst. (Civilization 6: Rise and Fall - Test)

Ein weiteres Element, mit dem ihr direkter auf Probleme gerade mit der Loyalität reagieren könnt, sind nun Stadthalter, von denen ihr aber nicht viele habt, nämlich gerade mal sieben. Jeder hat bestimmte Stärken - Wissenschaft, Armeeführung, wirtschaftliche Verbesserungen - und ihr müsst euch gut überlegen, wo ihr sie einsetzt. Sie können eine große Stadt florieren lassen, oder eine unzufriedene am Rande zurück auf eure Seite ziehen. Ihr dürft sie auch jederzeit hin- und herschicken, was sie zum aktivsten neuen Element macht. Als Spielelement funktionieren sie gut und auch wenn ich nicht ganz einsehen will, warum ich nur sieben haben darf - Rom hatte ein paar mehr, glaube ich - sind sie ein willkommener aktiver Baustein.

Die Zeitalter schließlich sind eine Art Belohnung oder Strafe, je nachdem ob ihr ein ausgewogenes, in sich zufriedenes und wachsendes Imperium auf die Beine stellt, oder eine identitätsfreie Monokultur. Beim Zeitalterwechsel, bisher wenig mehr als ein Switch in den Grafiksets, wird nun zusammengerechnet, was ihr geleistet habt und da zählt eine Menge rein aber nicht die Anzahl vernichteter gegnerischer Einheit. Nur gewonnene und abgeschlossene Kriege bringen euch die Punkte, also seht zu, dass ihr es auch zu Ende bringt, wenn ihr einen startet. Wirtschaftliche und kulturelle Errungenschaften, Weltwunder natürlich und praktisch alles andere wird mit eingerechnet und mit meiner vergleichsweise friedlichen Expansion mit Infrastrukturausbau und gleichmäßiger Ressourcenverteilung segelte ich fast etwas zu bequem durch die goldenen Zeitalter, die mir weitere Boni gaben, um diese Erfolge auszubauen.

Gute Infrastruktur ist zwar nicht alles, aber ohne seid ihr nun doppelt arm dran. (Civilization 6: Rise and Fall - Test)

Mit einem testweise Alexandrinischen Reich - schnelle, oberflächliche Expansion, die auf immer mehr Truppen und wenig anderes setzte - fuhr ich dagegen deutlich schlechter und konnte mir die dunklen Zeitalter in Ruhe angucken. Die Loyalität sank und ich brauchte auch meine Truppen, um das alles überhaupt zusammenzuhalten und nicht alle Städte wieder zu verlieren. Wenigstens konnte ich die Kriegskasse mit Piraterie deutlich aufbessern, aber ja, es war schnell klar, dass bisher durchaus valide Mono-Strategien auf eines der Ziele hin - es läuft zum Beispiel nicht anders, wenn ihr im Galopp auf den Wissenschaftssieg hinstrebt und alles andere ignoriert - nun schwieriger sind.

All das macht Civilization VI zu dem in vielen Punkten bisher realistischsten Spiel der Serie, was den Aufbau und Erhalt von großen Reichen angeht. Ihr müsst alle Interessen und Nöte der Bevölkerung befriedigen und könnt nicht einfach erwarten, dass drei Städte auf einem fernen Kontinent für alle Tage treu bleiben. Die alten Taktiken der Militär-Expansionen werden dank dieser Systeme nicht unbedingt abgestraft und wer bisher immer so spielte, kann das auch weiterhin tun. Ihr müsst aber damit leben, von nachvollziehbaren Konsequenzen getroffen zu werden und es ist vor allem eine Belohnung für ausgewogene Spielstile, wie sie Civ schon lange nicht mehr in dieser Intensität gefördert hat. Es ist ein mit jeder Runde beeindruckenderer Umbruch im Kern des Spiels und er lässt dieses zu neuer Brillanz aufsteigen.

Die recht statisch motivierten Anführer ist ein Feature, das sich mittlerweile überholt anfühlt. (Civilization 6: Rise and Fall - Test)

Das heißt aber nicht, dass nun alles perfekt wäre. Eine der größten Baustellen von Civ war immer die KI und zumindest wurde sie generell verbessert. Es gab jede Runde nur noch ein oder zwei Momente, in denen gar nichts passte, seltsame, sinnlose Drohungen und Lockangebote inklusive. Aber im Zeitalter von Trump sind diese vielleicht weniger unrealistisch, als es den Anschein hat. Auf dem Schlachtfeld wird etwas rationaler gezogen, es hat sich schon etwas getan. Mit das größte Problem sind langsam aber sicher die comichaften Anführer und ihre per Definition festgezurrten Charakteristika. Die Mongolen sind kriegerisch, die Koreaner wissenschaftsbegeistert und so weiter, aber ich denke, dass dieses Element der so charakterisierten Nationen sich überlebt hat. Als Weltenbau-Sim ist Civ schon längst weit genug und hat auch genug Variablen, dass sich solche Dinge jede Runde neu ergeben sollten und die KI aus den Gegebenheiten heraus solche Charaktereigenschaften eines Herrschers ermitteln und pflegen sollte. Aber okay, ein Umbruch pro DLC ist wohl erst mal genug und Rise and Fall hat mit seiner Loyalität und den Zeitaltern hier schon viel zu bieten.

Eine Neuerung für das Endgame sind Notfallallianzen, wenn zum Beispiel eine Nation wild anfängt, kleinere Staaten zu übernehmen oder Atombomben einzusetzen. In solchen Fällen können sich alle anderen Nationen schnell gegen diese verbünden und den Wildgewordenen so zur Räson bringen. Oder auch nicht, je nachdem wie mächtig der Aggressor denn ist. Ich selbst hatte diesen Punkt nur einmal erreicht als ich etwas zu freizügig noch nicht ganz freie Städte in schneller Folge einsackte und nebenbei in wenigen Runden noch ein paar kleine Stadtstaaten okkupierte - eine davon mag die Heilige Stadt irgendeiner Religion gewesen sein, ich hab da nicht so genau hingeguckt... Das ging den anderen wohl etwas zu zügig und ich war plötzlich gut damit beschäftigt, Verteidigungstruppen aufzustellen und viele Verhandlungen zu führen, bis wieder Ruhe war. Dieses Ereignis zerrüttete auch mein bis dahin lange gepflegtes Allianzwesen. Je länger ihr Allianzen mit anderen Zivilisationen aufrechterhaltet, desto mehr Gewinne und Boni werfen sie ab und das von einem Moment auf den anderen wegbrechen zu sehen, ist wie Liebe. Man weiß erst, was man hatte, wenn sie nicht mehr da ist. Nicht die essenziellste Neuerung, aber eine, die gut in das restliche Konzept von Rise and Fall passt.

Mit am Belanglosesten für mich zumindest scheinen die acht neuen Zivilisationen. Schotten, Mongolen und Holländer - ist ja alles ganz nett, schön dass mein alter Erzfeind wieder mit an Bord ist. Nicht, dass ich im realen Leben etwas gegen Mongolen hätte, das ist rein auf Civ beschränkt. Apropos real, die Cree, die größte indigene Volkgruppe Nordamerikas, fand es nicht so gut, in einem Spiel zu landen, in dem man mit Expansion das Gebiet "barbarischer Stämme" übernimmt - keine Ahnung warum... Aber ja, ein paar neue Zivilisationen gehören dazu, sie sind da. Genauso wie ein paar neue Weltwunder, Einheiten, Bezirke und so weiter. Alles, was an Grundlagen eben in eine Civ-Erweiterung gehört.

Mehr Chancen auch für friedliche Zivilisationen - Rise and Fall krempelt ein par Grundkonzepte auf die beste Art um. (Civilization 6: Rise and Fall - Test)

Civilization VI: Rise and Fall geht ein paar wichtige Schritte, die sich auch zum Ende von Civ 5 hin langsam abzeichneten, führt diese aber viel konsequenter fort. Loyalität ist die beste Neuerung in der Serie seit langem, weil sie endlich das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Zivilisation berücksichtigt. Ein Schritt weg von dem, was in der Realität kaum mehr als ein Kartenhaus zu schneller Expansion wäre, hin zu einem nachhaltigen, gepflegten Gemeinwesen, das nötig ist, um über Jahrtausende alles zusammenzuhalten. Zu häufige und zu lange Kriege wandeln sich schnell von Expansionschancen zu Störfaktoren im Großen Ganzen und eure eigene Bevölkerung wird euch mit Loyalitätsentzug abstrafen, wenn ihr nur noch Truppen statt auch mal ein paar andere Stadterweiterungen baut. Für eine Weile macht man alles mit, aber hundert Jahre ohne eine U-Bahn, aber mit immer neuen Panzern bringen auch die geduldigsten Untertanen auf die Straße. Genauso mit anderen singulären Bestrebungen. Alles Geld für die Wissenschaft und ihr werdet merken, dass die Zufriedenheit einer hochgebildeten, aber sonst unterentwickelten Kultur sich in Grenzen hält.

Der Schritt, den Rise and Fall damit macht, ist der weg von planbaren, simplen Gewinnstrategien, die sich über die Jahre etabliert haben und mehr an abstrakte Brettspiele erinnern. Es geht hin zu sich lebendiger anfühlendem Management einer Kultur, die in ihrer Bevölkerung unterschiedlichste Interessen vereinen muss, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Sicher, das Excel-Sheet ist im Hintergrund immer noch da, die KI macht mitunter, was sie will, und was das ist, ist dann nicht immer nachvollziehbar. Aber das sind eher Details und Rise and Fall stellt einen großen Sprung für das eh schon ausgezeichnete Civilization 6 dar.


Entwickler/Publisher: Firaxis / 2K - Erscheint für: PC - Preis: ca. 30 Euro (Add-on) - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Deutsch, Englisch und andere - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: PC

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