Civilization IV: Colonization
Altes Spiel in neuer Welt
In jeder Stadt dürft Ihr, entsprechende Baumaterialien vorausgesetzt, allerlei schicke Hütten hochziehen. Das Angebot reicht von besagten Kirchen über Lagerhäuser bis hin zu Rumbrennereien, Sägewerken und Schmieden, in denen die Schätze der neuen Welt veredelt werden. Aus Tabak entstehen Zigarren, aus Baumwolle wird Stoff, Erz führt zur Werkzeugen - und all das lässt sich teurer verkaufen als unbearbeitetes Gut. Angemerkt sei noch, dass es für jeden Bereich auch Spezialisten unter Euren Bürgern gibt, die deutlich effizienter arbeiten als ihre unausgebildeten Kollegen. Darüber hinaus können Pioniere das Gelände optimieren und Straßen bauen, die den Transport beschleunigen.
Kurz und gut: Was Handel und Produktion, die gesamte Wirtschaft, angeht, macht kaum einer Colonization etwas vor. Die einzelnen Abläufe sind simpel, in sich logisch und leicht nachzuvollziehen, die Anzahl der Rohstoffe und Produkte hält sich in Grenzen, und doch stellt Euch das Spiel stets vor immer andere, schwierige Aufgaben, die neue Lösungen erfordern. Ihr könnt fünfzig, hundert Partien beginnen und meistern, ohne jemals auf ein allgemeingültiges Patentrezept zu stoßen.
Leider nicht das Gleiche behaupten kann man von Diplomatie und Kampf. Erstere, ohnehin nie eine Stärke der Meierschen Spiele, erlaubt lediglich die üblichen, wenig feinsinnigen Optionen wie "Tauschen", "Verteidigungspakt schließen", "Krieg erklären" und - immerhin das ist neu - "Offene Grenzen". Letzteres bezieht sich darauf, dass jegliches Kolonialgebiet wie bei Civilization IV von so genannten Kulturgrenzen umrahmt wird und nur dann von fremden Einheiten passiert werden darf, wenn der jeweilige Besitzer zugestimmt hat.
Wie beim 94er-Original mit von der Partie sind des Weiteren die Gründerväter, die sich im Tausch gegen erarbeitete Punkte einer Nation anschließen und ihr bestimmte Vorteile einbringen, die aber selten diplomatischer Natur sind. Was in diesem Bereich schlichtweg fehlt, ist eine gewisse Tiefe, die Euch das Gefühl geben würde, mit echten Politikern und Ländern zu sprechen - und nicht mit einem Taschenrechner, der nach irgendeiner Formel die Vorteile gegen die Nachteile aufwiegt. Komplexe Abkommen und die dazu führenden Verhandlungen sucht Ihr jedenfalls einmal mehr vergeblich.
Während die schwächelnde Diplomatie ein erwarteter und deshalb nicht ganz so tragender Kritikpunkt ist, darf man die Gefechte als ernsthaft enttäuschend bezeichnen. Die zwei, drei Einheitentypen zu Land und Wasser sind kaum der Rede wert und da verwundert es nicht, dass die Kämpfe nicht einmal ein Minimum an Taktik erfordern. Die Masse allein macht's in der Regel und das ist schade, wenn der Krieg um die Unabhängigkeit das Ziel eines jeden Spiels darstellt.
Ohnehin kann ich schwer verstehen, dass Meier (sofern er mit der Entwicklung irgendwas zu tun hatte) bzw. sein Team in 14 Jahren nicht eine nennenswerte Idee für das neue Colonization hatten. Ja, es gibt Multiplayer. Ja, die Grafik ist ordentlich. Ja, man hat ein paar Veränderungen im Detail vorgenommen, wie die Einführung der Kulturgrenzen. Aber kann das alles sein? Darf das alles sein? Selbst wenn es als Remake zählt, selbst wenn es aus irgendwelchen Gründen unter dem Titel Civilization IV vermarktet wird, selbst wenn es lediglich 30 Euro kostet? Nein.
Grundlegende Änderungen am Spielprinzip sind natürlich gefährlich - doch was spräche etwa dagegen, eine fünfte Macht wie Portugal einzubauen, um mehr Abwechslung und Konkurrenz zu schaffen? Und bricht jemandem ein Zacken aus der Krone, wenn man etwas mehr Augenmerk auf Krieg und Diplomatie legt?
Trotzdem liebe ich die Neuauflage, weil und wie ich damals schon das Original geliebt habe. Der komplette Aufbau- und Wirtschaftspart ist wunderbar ausbalanciert und anspruchsvoll wie einst, der Umfang viel größer, als es auf den ersten Blick erscheint, das Flair von früher vorhanden und das Szenario weiterhin unverbraucht - was dem Titel natürlich in gewisser Hinsicht auch entgegenkommen mag. Dennoch: Für mich war Colonization immer Meiers bestes Werk. Und wenn ich die Wahl hätte, entweder das Original oder das Remake zu spielen, würde ich mich wahrscheinlich für das Remake entscheiden. Ein echtes Sequel wäre mir nach der langen Zeit allerdings noch lieber gewesen.
Civilization IV: Colonization steht ab Freitag für den PC in den Läden. Civ IV braucht Ihr nicht zum Spielen.