Code Name: S.T.E.A.M. - Test
Heute im literarischen Steampunk-Quartett: Lincoln vs. Aliens.
Es gibt Spiele, deren Prämisse klingt so atemberaubend B-Movie-mäßig, dass ich sie unbedingt spielen muss. Code Name: S.T.E.A.M. zum Beispiel. Es geht darin um Abraham Lincoln, der seinen eigenen Tod vorgetäuscht hat, um eine Steampunk-Armee aus literarischen Figuren zu trainieren, die dann gegen eine Alien-Invasion kämpfen muss. Großartiger Trash. Umgesetzt wurde der Titel von Entwickler Intelligent Systems, bekannt durch die Fire-Emblem-Spiele. Auch Code Name: S.T.E.A.M. ist ein rundenbasiertes Strategiespiel, bei dem das Geschehen aber im Gegensatz zu Fire Emblem nicht aus der Draufsicht gezeigt wird. Stattdessen steuert ihr jede Figur direkt, seid also direkt im Kampfgeschehen.
Am Anfang jeder der linear aneinandergereihten Missionen dürft ihr euch vier verschiedene Figuren aussuchen, die dann ein bestimmtes Ziel erreichen müssen. In den meisten Fällen müssen sie dabei lediglich einen bestimmten Zielpunkt auf der Karte erreichen, hin und wieder gilt es aber auch, einen NPC zu eskortieren oder einen Bossgegner ums Leben zu bringen. Jede der Figuren spielt sich dabei gänzlich unterschiedlich. Während Henry Fleming, eine Figur aus dem Roman „Die rote Tapferkeitsmedaille" sich steuert wie ein durchschnittlicher Soldat, hat der ängstliche Löwe aus dem Zauberer von Oz die Fähigkeit, sich selbst auf Gegner zu schleudern und so beträchtlichen Schaden anzurichten. Entsprechend dieser Unterschiede kommt jeder Figur eine andere strategische Bedeutung zu, ganz ähnlich wie in einem Rollenspiel: Es gibt die Heiler, die, die den Schaden austeilen und die, die ihn besser einstecken können. Spieler können zudem jede der Figuren mit freischaltbaren Sekundärwaffen und Boiler genannten Dampftanks ausstatten, die weitere Spezialfähigkeiten verleihen, was dem Spiel zusätzlich strategische Tiefe verleiht.
Das Kampfsystem selbst ist eher bekannte, wenn auch bewährte Kost. Jede Figur hat eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten, die ihr für Bewegung und Angriff ausgeben könnt. Verbleiben am Ende der Runde noch Punkte, lässt sich die Figur in einen Wachmodus versetzen und greift dann jeden Feind an, der ihr zur nahe kommt. Das kann praktisch sein, um den Gegner zu überraschen - zu defensiv spielen sollte man in Code Name: S.T.E.A.M. allerdings nicht. Denn je mehr Zeit vergeht, desto höher steigt die Chance, dass neue Feinde auf der Karte erscheinen. Das Spiel bestraft Stellungskriege, es fordert schnelles Vorrücken. Bisweilen kann das frustrierend werden: Wer nicht todesmutig genug auf den Gegner zuläuft, lässt möglicherweise so viel Zeit vergehen, dass er schon wieder neue Feinde im Rücken hat. Die Folge ist eine eingekesselte Party auf verlorenem Posten.
Eine der Stärken des Spiels ist sein Leveldesign. Jede Karte ist anders als die vorangegangene. Nicht nur, weil sie anders aussieht, auch weil die Situation sich ständig ändert. Mal beginnt ein Level umringt von Feinden, ein anderes Mal ist es möglich, sich an die Gegner anzuschleichen. In einem Level starten die Steampunk-Helden über, im anderen unter den Gegnern, es gibt Geschütze und Fahrzeuge. Sogar einen Abraham-Lincoln-Kampfroboter haben die Entwickler integriert, zudem versteckte Abkürzungen und Bonus-Items, mit denen sich die Fähigkeiten der Figuren zwischen den Einsätzen noch weiter ausbauen lassen. Das sorgt für Abwechslung und motiviert dazu weiterzuspielen, zumal auf jeder Karte genügend Checkpoints verteilt sind. Ebenfalls schön präsentiert sich die Comic-Grafik, die zum Besten gehört, was es derzeit auf dem 3DS zu sehen gibt. Vor allem Freunde von Cel-Shading-Grafik kommen auf ihre Kosten.
Ja, Code Name: S.T.E.A.M. macht Spaß und manchmal fiel es mir wirklich schwer, den 3DS wieder wegzulegen, um die notwendigen Dinge des Alltags zu erledigen: etwas zu essen beispielsweise. Trotzdem ist das Spiel hin und wieder auch ein Ärgernis. Eine Übersichtskarte fehlt beispielsweise komplett. Vor allem auf komplexeren Karten geht so schon mal die Orientierung verloren - was ihr vom Spiel seht, hängt ausschließlich davon ab, was die Figuren auf der Karte sehen können. Das mögen manche realistisch nennen, ich empfand es dagegen eher als ärgerlich, von Gegnern angegriffen zu werden, die ich eine Runde zuvor noch nicht einmal sehen konnte. Einige Missionen werden so zu einer quälenden Abfolge von Versuch und Irrtum und das Erreichen des Ziels fühlt sich am Ende manchmal weniger wie ein Erfolg, sondern viel mehr wie schierer Zufall an.
Hinzu kommt der unstete Schwierigkeitsgrad - manch frühe Mission ist so anspruchsvoll, dass meine komplette Party mehrfach aufgerieben wurde, bevor ich irgendwann das Ziel erreichte, spätere Levels wirken dagegen teilweise wie Spaziergänge. Eine konstante Lernkurve wäre an dieser Stelle schön gewesen. Einen der größten Kritikpunkte haben die Entwickler übrigens inzwischen behoben: Entgegen der ersten Version müsst ihr jetzt nicht mehr jeder Feindbewegung in Echtzeit zusehen. Durch den aktuellen Patch lässt sich das Geschehen bequem vorspulen.
Um schwierige Stellen zu meistern, kann es helfen, ein wenig Zeit im Multiplayermodus zu verbringen, der sowohl lokal als auch online funktioniert. Auch hier könnt ihr euch Münzen verdienen, die sich dann in der Kampagne für neue Waffen ausgeben lassen. Die wiederum können im Kampf gegen die Aliens der entscheidende Vorteil sein. Zur Auswahl stehen im Mehrspielermodus verschiedene Modi: klassisches Deathmatch, ein etwas dröger Münzensammelwettbewerb sowie ein Duell im oben erwähnten Lincoln-Mech.
Code Name: S.T.E.A.M. hat mich beeindruckt und gleichzeitig verärgert. Ich mochte die hübsche Grafik, den übertrieben patriotischen Fanfaren-Soundtrack und das abgedrehte Steampunk-Setting mit Literaturfiguren. Das solide Kampfsystem geht schnell in Fleisch und Blut über, die Missionen sind abwechslungsreich. Aber bitte, Intelligent Systems, was dachtet ihr euch dabei, auf eine Übersichtskarte zu verzichten? Die Ego-Perspektive geht in Ordnung, sie aber zur alleinigen Orientierungsmöglichkeit zu erklären, macht das Spiel stellenweise schlicht unfair. Ein New 3DS oder zumindest ein Circle Pad Pro sind fast Pflicht. Ansonsten müsst ihr die Kamera nämlich über den Touchscreen steuern, was es nur noch schwieriger macht, den Überblick zu behalten. Ein wenig mehr Schliff bei der Schwierigkeitskurve hätte auch nicht geschadet. Viel Potenzial und durchaus Spaß sind vorhanden, die Umsetzung jedoch oft genug holprig.