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Point & Click: Die Adventure-Kolumne

Früher war alles schlechter

Das Problem vieler moderner Adventures ist, dass sie nicht genau so sind wie einige alte Adventures. Besonders die LucasArts-Klassiker, allen voran Monkey Island, haben sich in die Köpfe vieler Spieler und Spieletester als Idealbild des vollkommenen Adventures eingebrannt. Aber auch andere Urgesteine werden immer wieder herangenommen, um die abgedroschene Früher-war-alles-besser-Keule auszupacken: Die Spiele waren früher länger, die Witze lustiger und die Rätsel alle logisch. Und besser. Ist so.

So richtig will mich das aber nie überzeugen. Häufig spielt da in meinen Augen eine nostalgische Verklärung eine Rolle, die schlechte Erinnerungen an Spielerlebnisse aus der digitalen Bronzezeit einfach ausblendet. Das lästige Dauersterben bei Sierra-Titeln? Das war damals eben so. Labyrinthe in Zak McKracken? Die gehörten halt dazu. Und ganz ehrlich: Das Nonplusultra war das SCUMM-Interface mit seinen langen Mauswegen auch nicht.

Die Mär von der Spiellänge habe ich sowieso noch nie geglaubt. Da wird oft ins Feld geführt, dass man ja früher etliche Wochen an Spiel X gesessen hat, während Ankh an zwei Abenden durchgezockt war. Aber war Spiel X dann wirklich umfangreicher als Ankh, oder musste man es einfach nur einen Monat zur Seite legen, bis man von einem Arbeitskollegen hörte, der jemanden kannte, der wusste, wie ein besonders vertracktes Rätsel zu lösen war? Internet gab es ja schließlich noch nicht, und während Deck 13 den Schwierigkeitsgrad dem Spielfluss zuliebe auf moderater Stufe hält, konnte der Textparser von einst schon ganz schön unverzeihlich sein.

Wie sieht es mit anderen Aspekten aus? Heute stehen lange Laufwege und Pixelhunting ganz oben auf der Meckerliste - zu Recht, wie ich finde. 1990 waren aber pixelgroße Tesafilmstreifen und fehlende Doppelklickfunktion selbstverständlich. Wer damals als Schüler den ganzen Nachmittag mit Guybrush & Co. verbringen konnte, hat heute Beruf und Familie und will nicht endlos durch Pixellandschaften laufen.

Nicht falsch verstehen: Monkey Island war für seine Zeit brillant - auch ich habe das als bleibende Kindheitserinnerung abgespeichert. Man sollte nur nicht vergessen, dass diese Klassiker genauso wenig perfekt waren wie die modernen Kollegen. Gerade nach heutigen Maßstäben tritt da manche Macke zu Tage. Das Genre hat sich durchaus weiterentwickelt, man sieht es ihm nur nicht immer an.

Jan Schneider ist Webmaster von Adventure-Treff.de, der großen deutschen Website für Adventure-Spiele. Jeden Mittwoch (oder auch mal Donnerstag) macht er sich auf Eurogamer.de Gedanken über das Genre.

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