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Point & Click: Die Adventure-Kolumne

Bright Side of the Episoden-Konzept

Ich muss dann doch noch mal auf Episoden zurückkommen. Und Sam & Max. Dass beides in der Adventurewelt ein großes Thema ist, wurde zuletzt auf der Entwicklerkonferenz Quo Vadis deutlich, bei der u.a. deutsche Adventure-Entwickler zusammengekommen waren, um über die Zukunft des Genres zu diskutieren. Besonders lange hingen sie dabei an eben diesen Themen fest, nicht zuletzt, weil ein Brancheninsider im Publikum auf der GDC erfahren haben will, dass die Serie pro Folge zwei Millionen Dollar in die Kassen der Entwickler spült.

Ganz unabhängig davon, ob die Zahl, die mit Erstaunen und Ungläubigkeit aufgenommen wurde, nun stimmt oder nicht, bei einem waren sich alle einig: Sam & Max ist erfolgreich. Das zeigt, dass Comicadventure und Kassengift doch nicht dasselbe sind, zumal die Software, um die es hier geht, bisher nur online in Episoden vertrieben wird - nicht gerade Garanten für einen kommerziellen Hit.

Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig. Zum einen ist die Pressearbeit von Telltale vorbildlich, was zu einer ungeheuren Präsenz in den Medien führt. Selbst deutsche Printmagazine würdigen jede Episode mit einer vollen Seite samt 80er-Wertung, obwohl die nicht mal hierzulande im Laden stehen. Vergessen ist die Zeit, in der das Multimillionen-Dollar-Projekt Uru zum deutschen Release mit einer drittel Seite abgespeist wurde. Seinen Beitrag leistet da sicher auch die starke Lizenz. Die LucasArts-Inkarnation von 1993 scheint hinreichend viele Fans zu haben, damit in den meisten Spieleredaktionen mindestens ein Vertreter sitzt.

Ein Baustein des Erfolgs ist wohl auch der Produktionswert, der sich vermutlich in Grenzen hält. Season 1 ist schließlich nicht berühmt für seine Polygonflut oder Texturwunder. Pro Episode kam im Wesentlichen ein Schauplatz dazu, der auch in der Größe stets überschaubar war. Die Engine bringt durch die nebenher laufende Auswertung der CSI-Lizenz ein paar Extra-Dollar ins Haus. Gleichzeitig hat wohl der niedrige Preis viele Interessenten dazu bewegt, sofort bei der ganzen Staffel zuzuschlagen, anstatt erst mal abzuwarten.

Wichtigster Punkt für das kommerzielle Gelingen der Reihe ist aber deren Qualität. Zumindest will das die idealistische Ecke in meinem Herzen, die ich mir bewahrt habe, dem realistischen Rest von mir einreden. Nachdem ich jetzt auch Episode 6, Bright Side of the Moon, genießen durfte (ab 10. Mai offiziell erhältlich), kann ich sagen: Season 1 ist verdammt gut. Lange habe ich nicht mehr so viel beim Spielen gelacht, nicht bei Ankh, nicht bei Tony Tough. Die Teile spielen sich flüssig und die fehlenden Frustmomente wegen übertrieben komplexem Rätseldesign vermisse ich keine Sekunde. Sam & Max macht einfach Spaß, nicht mehr und nicht weniger.

Mich freut sehr, dass die Kalifornier mit ihrem Projekt auch Geld verdienen können. Season 2 ist da sicher nicht weit. Vielleicht gibt es ja sogar eine Ankündigung zur Games Convention? Fraglich bleibt für mich aber noch, wie schnell andere Adventure-Entwickler mit dem Episodenkonzept erfolgreich sein können. Der Weg ist zwar geebnet, aber ohne eine so starke Lizenz und die daraus resultierende Medienpräsenz wird es schwer. Den extrem kurzen Releasezyklus, den Telltale vorgelegt hat, muss erst mal einer nachmachen.

Soll es ins ernste Metier gehen, sind außerdem noch andere Fragen zu beantworten. Wie können interessante Charaktere glaubwürdig aufgebaut werden, wenn zwischen zwei Folgen ein Monat liegt oder mehr? Und wie kann Spannung aufrecht erhalten werden? Dass ich nicht jede Lizenz für geeignet halte, auf diese Weise zu funktionieren, ist schließlich kein Geheimnis.

Jan Schneider ist Webmaster von Adventure-Treff.de, der großen deutschen Website für Adventure-Spiele. Jeden Mittwoch macht er sich auf Eurogamer.de Gedanken über das Genre.

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