Company of Heroes 2 - Test
Winter ist kalt, Panzer sind schwer und Company of Heroes bleibt Company of Heroes. In jeder Hinsicht.
Ich könnte es mir im Grunde mit diesem Test ziemlich einfach machen und euch schlicht sagen: Company of Heroes 2 fühlt sich an wie Company of Heroes. Das würde den Fans unter euch vermutlich auch schon ausreichen, um euch die Fortsetzung zuzulegen. Ganze sieben Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Teils glänzt auch Teil 2 wieder mit den Stärken, die schon das Original über Jahre - gar bis heute - zu einem der besten Strategiespiele überhaupt gemacht haben. Umso enttäuschender ist jedoch, dass einige der Schwachpunkte von damals die Zeit ebenfalls überdauert haben.
Alles in allem stellt Relics erneuter Ausflug in den Zweiten Weltkrieg bei Weitem keine Revolution dar. Es ist eine leichte Evolution in bestimmten Bereichen, während in anderen Abteilungen Stillstand herrscht. Im Kern werkelt aber noch immer das gleiche Spielprinzip, das schon Teil 1 zu einem gleichermaßen anspruchsvollen wie unterhaltsamen Strategiespiel gemacht hat.
Gute Strategien und flinke Finger
Das fängt bei der strategischen Komponente und beim Management jeder einzelner eurer Einheiten an. Hier geht es nicht darum, Truppen zu rekrutieren, ihnen ein Ziel zu geben und sich halbwegs entspannt zurückzulehnen. Das könnt ihr euch in Company of Heroes 2 schlichtweg nicht leisten. Hinter jeder Ecke könnte eine böse Überraschung lauern, auf die ihr blitzschnell reagieren müsst, wenn eure Truppen nicht ins Verderben laufen sollen.
Es kommt wie eh und je auf das Zusammenspiel der Einheiten an, die richtige Zusammenstellung und auf eure Kenntnis der jeweiligen Truppentypen. Das hat viel mit Mikromanagement zu tun. Denn praktisch jede Einheit verfügt noch über mindestens ein Extra beziehungsweise eine Spezialaktion, die mitunter darüber entscheidet, ob ein Kampf siegreich verläuft oder ob eure Mannen aufgerieben werden. Nehmen wir etwa die Scharfschützen, die sich gleichermaßen als Aufklärer betätigen können, indem sie eine Leuchtrakete in die Luft feuern, die dann an einem Mini-Fallschirm langsam gen Boden sinkt und dabei einen bestimmten Bereich kurzzeitig aufdeckt. Das ist nicht nur praktisch, um überhaupt zu wissen, was euch erwartet, sondern auch, um Ziele zu bestimmen. Und wenn dann eure imposanten Katjuscha-Raketenwerfer in mehreren Sekunden ganze Raketenschwärme auf ihr Ziel regnen lassen, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen.
"Im Kern werkelt aber noch immer das gleiche Spielprinzip, das schon Teil 1 zu einem gleichermaßen anspruchsvollen wie unterhaltsamen Strategiespiel gemacht hat."
Nun, mehr oder weniger zumindest, denn Gebäude lassen sich zwar in Schutt und Asche legen, aber auch nur, wenn sie dafür vorgesehen sind. Manche Ruinen sind aber quasi unzerstörbar, selbst wenn eure Katjuscha in einem blöden Winkel direkt davor steht und Rakete um Rakete in selbige jagt. Und genau so etwas verdeutlicht dann wiederum, dass ihr euch um eure Truppen kümmern müsst. Es reicht nicht, sie einfach irgendwo abzustellen und zu warten, was dann passiert. Sorgt dafür, dass sie Deckung haben, richtet die Panzerabwehrkanonen oder schweren Maschinengewehre so aus, dass ihre Schusslinie die Bereiche abdeckt, an denen ihr den Feind erwartet. Denn eine solche Verteidigung bringt euch wenig, wenn sie in die falsche Richtung schaut und der Gegner ihnen in den Rücken fällt. Mit den schweren MGs könnt ihr die Widersacher auch festnageln, wodurch sie am Boden kauern, sich nicht mehr wirklich fortbewegen und zu leichten Zielen werden. Passiert das euren Einheiten, hilft nur noch die Zerstörung der Stellung oder die Flucht in Richtung HQ - und erst, wenn sie dort angekommen sind, habt ihr sie wieder unter Kontrolle.
Es ist alles eine Art Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Rollen fließend wechseln können. In einem Moment verfolgen eure Soldatengruppen noch einen feindlichen Trupp durch die Ruinen, nur um dann im nächsten Augenblick in einen feindlichen Panzer hineinzulaufen oder von den absolut tödlichen Mörsergeschossen empfindlich dezimiert zu werden. Unbesonnenes Vorgehen führt dazu, dass ihr hier nicht viel Erfolg haben werdet. Das ist auch Relics TrueSight-Technik zu verdanken, die für überwiegend realistische Sichtlinien sorgt, indem ihr wirklich nur das zu sehen bekommt, was sich im Blickwinkel eurer Truppen befindet. Alles andere wird vom Kriegsnebel bedeckt.
General Winter
Company of Heroes 2 verschlägt euch vornehmlich an die Ostfront und dementsprechend bekommt ihr es auch mit dem unbarmherzigen russischen Winter zu tun, der im Verlauf der Geschichte nicht nur den deutschen Streitkräften im Zweiten Weltkrieg das Genick brach. Es herrscht nicht in allen Kampagnen-Missionen tiefster Winter, aber wenn, dann hat das entscheidende Auswirkungen. Sind eure Soldaten nämlich ungeschützt, erfrieren sie nach einer gewissen, nicht allzu langen Zeitspanne. Ihr könnt das umgehen, indem ihr sie in Fahrzeuge oder Gebäude verfrachtet. Oder ihr setzt sie an ein Lagerfeuer, um sie wieder aufzuwärmen.
"Es herrscht nicht in allen Kampagnen-Missionen tiefster Winter, aber wenn, dann hat das entscheidende Auswirkungen."
Es ist gleichermaßen auch im Multiplayer-Modus des Spiels eine neue taktische Komponente, die ihr unbedingt beachten müsst. Tiefer Schnee verlangsamt eure Soldaten, auf etablierten Wegen ist es aber wahrscheinlicher, auf den Feind zu stoßen. Auch plötzlich auftretende Schneestürme schränken nicht nur die Mobilität, sondern auch die Sicht ein. Zugleich eröffnen sich euch durch zugefrorene Flüsse neue Wege für eure Truppen, die sich jedoch genauso gut als tödliche Falle entpuppen können. Hat euer Gegenspieler Minen oder Sprengsätze gelegt oder bearbeitet er das Eis mit Artillerie beziehungsweise Mörsern, zerbricht es und eure Soldaten finden womöglich ein eisiges, nasses Grab. Auf den Winter-Maps unterscheiden sich die Strategien der Spieler also deutlich von den anderen Schlachtfeldern.
Ansonsten gibt es im Multiplayer-Part wenig Veränderungen. Auf zwei Seiten kämpfen jeweils bis zu vier Spieler um die Kontrolle der Karte, indem sie die dafür nötigen Punkte einnehmen - ebenso gibt es dazwischen haufenweise Nachschub-Kontrollpunkte, die euch Munition oder Treibstoff bescheren. Ihr müsst allerdings dafür sorgen, dass eure eroberten Territorien miteinander verbunden bleiben, sonst profitiert ihr nicht vom verstärkten Nachschub. Aufgrund der Vielzahl an vorhandenen Kontrollpunkten erfordert das eine gewisse Flexibilität von euch, wenn sich der Feind etwa einen Punkt deutlich hinter der Frontlinie schnappt. Und ihr müsst zwingend darauf achtgeben, denn ohne ausreichend schnell gelieferten Nachschub produziert ihr womöglich nicht so viele neue Einheiten, wie ihr gerade bräuchtet. Es ist in diesen Partien entscheidend, nicht gleich zu stark ins Hintertreffen zu geraten, denn wenn der Feind schneller neue Truppen in die Schlacht schickt als ihr, wird es schwierig, das Blatt noch einmal zu wenden. Die für den Sieg entscheidenden Kontrollpunkte senken dabei alle paar Sekunden den Punktestand des feindlichen Teams - ähnlich wie bei Battlefield - und wenn einer der beiden bei Null angelangt, ist Feierabend.
Beim Spielen müsst ihr euch außerdem für einen Kommandanten entscheiden. Jeder von ihnen bringt unterschiedliche Perks mit sich, die ihr durch während einer Schlacht verdiente Kommandopunkte nach und nach freischaltet. Ob nun Aufklärungsflüge, Bomberangriffe, Flammenwerfer-Panzer, verstärkte Artillerie oder was auch immer. Ihr trefft die Wahl anhand dessen, was eurer Meinung nach mehr bringt. Weiterhin könnt ihr sogar die Fähigkeiten eines Kommandanten individuell anpassen oder neue freischalten. Gleiches gilt für die Zusammenstellung eurer Armee und ihre Lackierung, die sich ebenfalls verändern lässt.
"Es ist in diesen Partien entscheidend, nicht gleich zu stark ins Hintertreffen zu geraten, denn wenn der Feind schneller neue Truppen in die Schlacht schickt als ihr, wird es schwierig, das Blatt noch einmal zu wenden."
Die Schrecken des Krieges
Mit der Singleplayer-Kampagne von Company of Heroes 2 werdet ihr mindestens zehn Stunden beschäftigt sein. Während ihr anfangs noch eher Stellungen haltet und „Erfolge" erzielt, indem ihr euch zurückzieht, wendet sich das Blatt irgendwann und die Rote Armee setzt zum umfangreichen Gegenangriff an. Relic hat hierbei versucht, anhand einiger Zwischensequenzen auch ein wenig die Schrecken des Krieges zu verdeutlichen. In der Kampagne erlebt ihr die Schlachten, die der ehemalige Offizier Lev Abramovich Isakovich geschlagen hat.
Ihr werdet Zeuge, wie ein deutscher Soldat, der sich ergeben will, eiskalt niedergeschossen wird, seht, wie die Sowjets ihre eigenen flüchtenden Soldaten mit einem MG niedermähen und wie Kameraden, die von einem deutschen Panzer verfolgt werden, durch eine Brückensprengung ihrem Schicksal überlassen werden. Die Auswirkungen? Davon ist abseits der kurzen Einspieler nichts zu merken. Die Zwischensequenzen bleiben somit eher oberflächlicher Natur, gehen nicht wirklich in die Tiefe. Gerade noch zersiebt ein Russe mit seinem MG seine eigenen Kameraden, im nächsten Moment wirft man euch aufs Schlachtfeld und ihr dürft ran, als ob nichts weiter passiert wäre. Und im Krieg haben sich noch weit schlimmere Sachen ereignet, doch davon lässt Relic die Finger. Bei der vorhandenen Herangehensweise vielleicht auch besser so.
Auch die Qualität der Kampagnen-Missionen schwankt ein wenig. Nichts davon ist wirklich schlecht, aber man wünscht sich insgesamt doch mehr Momente, die einem später noch in Erinnerung bleiben. Es sind allen voran die Einsätze, in denen ihr nicht ständig neue Einheiten heranschaffen könnt, die hier einen guten Job leisten. Etwa eine Mission, in der ihr mit schlecht ausgerüsteten Soldaten einen deutschen Tiger-Panzer erledigen sollt. Da die Jungs mit ihrer Standard-Bewaffnung auch gleich mit Steinen danach werfen könnten, gilt es, von den Deutschen selbst Anti-Panzer-Gewehre oder Panzerabwehrkanonen zu erobern und damit dem Stahlbiest zuzusetzen. Das Resultat ist ein mehr als befriedigendes Gefühl, sobald das gute Stück in Flammen aufgeht. Andernorts seid ihr mit einem Scharfschützen und ein paar wenigen Unterstützungseinheiten in Polen unterwegs. Das Gute an den Snipern ist, dass man ihnen befehlen kann, nicht automatisch das Feuer auf Gegner zu eröffnen. Mit der richtigen Ausführung schaltet ihr so ganze Trupps aus, ohne auch nur selbst einen einzigen Kratzer abzubekommen.
"Gerade noch zersiebt ein Russe mit seinem MG seine eigenen Kameraden, im nächsten Moment wirft man euch aufs Schlachtfeld und ihr dürft ran, als ob nichts weiter passiert wäre."
Das Sahnehäubchen
Kampagne, Multiplayer- und Skirmish-Matches werden durch den neuen Modus Theatre of War ergänzt. Der teilt sich wiederum in Koop- und Singleplayer-Herausforderungen sowie KI-Schlachten auf. Vom Start weg erhaltet ihr hier noch mal 18 weitere Aufträge - neun für die Sowjets, neun spielt ihr aufseiten der Wehrmacht.
Die Missionen selbst sind spannend und stellen euch stets vor neue Aufgaben. Ihr müsst beispielsweise im tiefsten Winter neun deutsche Fahrzeuge mit einer begrenzten Zahl an Truppen finden und zerstören, euch dabei von Lagerfeuer zu Lagerfeuer voran arbeiten und feindliches Gerät nutzen. Andernorts lautet euer Auftrag wiederum, euch durch eine Stadt zu arbeiten und innerhalb eines Zeitlimits von den Deutschen besetzte Gebäude in Schutt und Asche zu legen. Dabei leisten wiederum die Katjuschas wertvolle Dienste und jedes vernichtete Haus drückt das Zeitlimit wieder ein wenig nach oben. Oder aber ihr nehmt es in einer der KI-Schlachten mit einem vom Computer gesteuerten Mitstreiter mit einem KI-Gegenspieler auf, der im Gegensatz zu euch gleich stärkere Veteranen-Einheiten auf das Schlachtfeld schickt.
All diese Einsätze zeigen Geschehnisse des Jahres 1941 und Relic möchte das Ganze später durch weitere Download-Inhalte ergänzen. Aber auch so bekommt ihr abseits der Kampagne schon mal mehrere Stunden an zusätzlicher Solo- und Koop-Unterhaltung geboten, wodurch Relic hier insgesamt ein recht umfangreiches Paket schnürt, das ihr euch ins Haus holen könnt.
Alte Schwächen
Wie schon erwähnt, leidet Company of Heroes 2 aber nach wie vor unter einigen alten Schwächen, allen voran die manchmal ... sagen wir interessanten Interpretationen eurer Befehle durch eure Truppen. Zugegeben, als ein deutscher Truppentransporter mit dem Heck voraus in eine meiner Minen fuhr, musste ich noch lachen, aber als dann zum Beispiel einer meiner Panzer mit dem Heck in Richtung eines deutschen Panzer IV fuhr, verging mir das Lachen und ich musste schnell manuell nachhelfen, um Schlimmeres zu verhindern. Manchmal blockieren sich Fahrzeuge auch untereinander und eure Soldaten scheint es nicht zu kümmern, dass sie da gerade mitten durch eine feindliche MG-Schusslinie rennen, anstatt die sicherere Route zu nehmen. Solche Aussetzer schleichen sich immer mal wieder ein. Wohl dem, der ständig ein Auge auf seine Einheiten hat und eingreifen kann. Es ist aber eine Schande, dass Relic das nach all den Jahren noch immer nicht in den Griff bekommen hat.
Außerdem werdet ihr euch des Öfteren wünschen, ihr könntet etwas weiter rauszoomen, um mehr vom Schlachtfeld zu sehen. Das wäre gerade bei größeren Truppenansammlungen eine echte Erleichterung, zumal die Navigations- und Infoleiste am unten Bildschirmrand fast schon ein Drittel des Geschehens in Anspruch nimmt.
Beim Ranzoomen fällt wiederum auf, dass die Soldaten nicht unbedingt zu den schönsten der Videospiel-Geschichte zählen, aber nun gut, man spielt Company of Heroes 2 ja nun nicht, um sich das alles aus der Schulterperspektive anzuschauen. Umso detaillierter sind dafür die Fahrzeuge und Umgebungen ausgefallen und auch die Animationen können sich sehen lassen. Besonders nettes Detail: Gerätschaften und Soldaten hinterlassen realistische Spuren im Schnee.
In seiner Gänze ist Company of Heroes 2 jedenfalls ein wirklich toll aussehendes Spiel, sieht man mal von den Soldaten bei näherer Betrachtung und den Zwischensequenzen ab, die man wohl eher vor zehn Jahren hätte erwarten können. Auf dem Testrechner (Radeon HD 6850, AMD Phenom II X6 1090T 3,2 GHz, 8 GB RAM) lief das alles in höchsten Einstellungen - ohne AA - flüssig in 1680x1050. Lediglich bei mehreren Rauchquellen gleichzeitig auf dem Bildschirm brach die Performance etwas ein.
Viele, viele Jahre musste man auf eine Fortsetzung des RTS-Königs warten und nun ist sie da. Zugegeben, das alles fühlt sich nicht mehr ganz so frisch und neu an wie damals und Relic setzt hier auch mehr auf Evolution statt auf Revolution. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch Company of Heroes 2 ein ebenso taktisches wie anspruchsvolles und unterhaltsames Spiel ist wie sein Vorgänger. Das Wetter in Form des Winters ist eine tolle neue taktische Komponente, die in manchen Missionen und Multiplayer-Partien für gänzlich andere Spielabläufe sorgt und euch zum Umdenken zwingt. Die Story an sich ist dabei zu vernachlässigen, im Mittelpunkt stehen die eigentlichen Missionen, die mit der augenscheinlich angestrebten Präsentation der Schrecken des Krieges allerdings wenig zu tun haben. Auch Probleme mit der Wegfindung und die doch eher niedrig gehaltene maximale Zoomstufe sind zusätzliche Ärgernisse, die sich mit ein paar Updates sicherlich noch ausbessern ließen.
Company of Heroes 2 ist in seiner Gesamtheit jedenfalls eine würdige Fortsetzung und lässt sich bedenkenlos allen Strategiespielern empfehlen, die nach neuem Futter lechzen. Hier könnt ihr wenig falsch machen und werdet auch als Solo-Spieler weit über zehn Stunden lang unterhalten, dafür sorgen Kampagne und Theatre of War bestens. Und hinzu kommen noch die unzähligen Stunden im Multiplayer. Anders gesagt: Company of Heroes 2 ist ein mehr als umfangreiches Strategie-Paket und trotz kleinerer Mängel sicherlich eines der PC-Highlights des Jahres.