Costume Quest
Trick or Treat?
Klassische Konsolen-Rollenspiele haben seit einiger Zeit ein Problem: Nahm man einem Rollenspiel zu 16-Bit-Zeiten dank der stark stilisierten Darstellung noch locker ab, dass man im Verlauf des Abenteuers eine ganze Welt bereiste, die eigentlich nur von maximal ein paar Dutzend Menschen bewohnt war, so wurde es mit der steigenden Grafikqualität immer schwieriger, diese Illusion aufrechtzuerhalten.
Was ist also zu tun? Nun, einerseits kann man natürlich ein gigantisches Budget aufbringen und versuchen, eine komplette Welt tatsächlich komplett zu bevölkern. Man kann aber auch den anderen Weg gehen und über neue Settings nachdenken.
Das taten vor allem die letzten beiden Persona-Episoden, indem sie die Spielwelt auf lediglich eine Stadt beschränkten. Und einen ähnlichen Weg geht jetzt Costume Quest, das neueste Spiel von Tim Schafers allseits geschätztem Studio Double Fine. Costume Quest ist ein richtig klassisches RPG, das sich spielerisch an großen 16-Bit-Titeln wie Chrono Trigger orientiert und ähnlich wie das Kultspiel Earthbound die Handlung in unserer modernen Welt ansiedelt.
Es ist Halloween und die Zwillinge Wren und Reynold können es gar nicht erwarten, in ihren Kostümen auf die Jagd nach Süßem zu gehen. Habt ihr euch für Bruder oder Schwester entschieden, passiert das unvermeidliche: Nicht nur die Kinder, sondern auch die fiesen Grubbins sind auf der Suche nach Süßem, da sie allerdings nicht allzu helle sind, halten sie euer Geschwister ebenfalls für eine besonders große, weiche Süßigkeit und sacken es kurzerhand ein.
Das lasst ihr euch nicht gefallen: Gemeinsam mit zwei Freunden, die ihr unterwegs trefft, sagt ihr den Grubbins den Kampf an. Aber was können kleine Kinder schon gegen große Monster ausrichten? Fantasie sei dank eine ganze Menge – und so werden in den rundenbasierten Kämpfen aus einem einfachen Kostüm mächtige Kampfroboter, flammende Kürbismonster, heilende Einhörner, flinke Ninjas und ...äh... Krabbenpommes. Ja, richtig gelesen.
Auf den ersten Blick erinnert Costume Quest ein wenig an Hotheads Penny-Arcade-Spiele: Download-RPGs mit spielerischen Wurzeln in den goldenen 16Bit-Zeiten und witziger Comic-Grafik. Doch schnell wird klar, dass Costume Quest locker eine Liga über den beiden Konkurrenz-Titeln spielt – Costume Quest fühlt sich von der ersten Minute einfach richtig und einfach gut an. Die Grafik ist rund, stimmig und stilistisch koheränt, die Steuerung extrem flüssig. Es macht einfach schon Spaß, nur mit den knuffigen Helden umherzulaufen oder im Roboterkostüm mal ordentlich Gas zu geben.
Die drei großen Gebiete, die ihr im Verlauf des Spiels erforscht, sind grafisch ausgesprochen hübsch gestaltet, man fühlt sich dort einfach wohl. Dazu tut die stimmige Soundkulisse ebenfalls das ihre: Ihr werdet nicht von dauer-gelooptem Hintergrundgedudel erschlagen, das Spiel erlaubt sich auch mal ruhige Szenen oder verlässt sich nur auf eine stimmungsvolle Geräuschkulisse. Auch auf Sprachausgabe wird verzichtet. Was anfangs noch etwas anachronistisch wirkt, stört schon nach kurzer Zeit nicht mehr. Schließlich wurde bei Chrono Trigger und Earthbound auch nicht gesprochen.
Angenehm modern sind dafür die Quests. Ein Questlog hält euch stets auf dem Laufenden, was gerade zu tun ist. Hier will ein Kind eine spezielle Sammelkarte, dort könnt ihr mit dem Mund nach Äpfeln fischen, eure gestrenge Rektorin macht euch erst den Weg frei, wenn ihr eine Zutat für ihre Kuchen-Tombola anschleppt und irgendwie muss es doch möglich sein, nach oben auf das Riesenrad zu kommen... Auch wenn sich manche Aufgaben in jedem Szenario wiederholen, ist doch stets genug Abwechslung geboten und stets ist etwas zu tun.
Bei einigen Aufgaben fühlt sich Costume Quest sogar ein wenig wie ein klassisches Adventure an: So manche Aufgabe könnt ihr nur lösen, wenn ihr andere Quests bereits abgeschlossen und entsprechende Gegenstände und Fähigkeiten erworben habt. Hier kommen wieder die Kostüme ins Spiel: Vieles davon ist nicht nur im Kampf, sondern auch sonst nützlich. So könnt ihr im schildbewährten Ritterkostüm sicher unter Wasserfällen durchlaufen, der Weltraumkrieger erleuchtet mit seinem Lichtschwert dunkle Gänge und der Ninja kann sich unbemerkt an grimmigen Monstern und strengen Wächtern vorbeischleichen.