Cross Edge
RPG sucht Zielgruppe
Es gab mal eine Zeit, lange bevor Final Fantasy VII alles veränderte, da wurden Rollenspiele noch von niedlich animierten, großäugigen 2D-Sprites bevölkert. Helden waren optimistische Draufgänger oder gleich stumme Avatare und die Fans konnten sich freuen, wenn pro Jahr mehr als zwei RPGs ihren Weg in den Westen fanden.
Heute ist das freilich anders: Rollenspiele protzen auf den großen Konsolen mit wuchtiger Grafik, epischen Plots und filmischer Inszenierung. Aber die kleinen Kulleraugensprites haben sich trotzdem ihre Nische erhalten: Fans der guten, alten Zeit werden heute von Firmen wie Gust und Nippon Ichi bedient. Disgaea, die Atelier-Serie oder Mana Khemia knüpfen inszenatorisch an vergangene Sprite-Zeiten an. Und jetzt findet in Cross Edge das Gipfeltreffen der 2D-Helden und Heldinnen statt.
Und die kommen aus aller Herren Länder. Eine mysteriöse Macht saugt Seelen in eine geheimnisvolle Traumwelt, um sie sich genussvoll einzuverleiben. Und in dieser Welt erwachen auf einmal auch York und Miko. Aus irgendeinem Grund wurden nicht nur die Seelen, sondern auch die Körper der beiden Teenager in die andere Welt versetzt. Und jetzt liegt es an York, Miko und May, einem kleinen Mädchen, das die beiden nach kurzer Zeit treffen, den Seelen-Klauern das Handwerk zu legen. Zum Glück sind sie dabei nicht alleine, sondern bekommen tatkräftige Hilfe von zahlreichen 2D-RPG-Veteranen.
Fans der ebenso einschlägigen wie bunten Nischen-Titel Made in Japan bekommen beim Line-Up der Figuren große Augen. Helden und Schurken aus Atelier Marie, Ar-Tonelico: Melody of Elemia, Disgaea – Hour of Darkness, Mana Khemia 2 und Spectral Souls geben sich die Klinke in die Hand und als spezielle Stargäste gibt sich auch der eine oder andere Handkanten-Held aus Capcoms Monster-Prügler Darkstalkers die Ehre. Und vielleicht sollte man der Vollständigkeit halber auch noch erwähnen, dass Entwicklerteam Compile Heart vor allem die jungen, weiblichen und gut gebauten Aushängeschilder der entsprechenden Titel für Cross Edge rekrutiert hat.
Denn Fanservice wird hier groß geschrieben. Nicht nur, dass ihr mit einer primär aus attraktiven Mädels zusammengesetzten Party ins Abenteuer zieht, ihr dürft die ganzen aparten Damen auch gleich noch in verschiedene Outfits stecken. Vom Cheerleader-Kostüm über die klassische Yukata, bis hin zu Gothic Lolita-Outfits, Schuluniformen und natürlich den obligatorischen Badeanzügen und Bikinis, reicht das Spektrum, praktisch jeder gängige Anime-Fetisch wird bedient. Diese Kostüme ändern für männliche und weibliche Charaktere die Kampfwerte, nur die Mädels bekommen beim Kostümwechsel zudem neue Portraits spendiert – da ist es recht offensichtlich, wo die Prioritäten der Entwickler saßen.
Tatsächlich wurden in Sprites und Charakterportraits eine Menge Arbeit gesteckt. Wie Eingangs bereits erwähnt, kommt Cross Edge in 2D daher. 2D im klassischen Stil wohlgemerkt, nicht im Zeichentrick-Look eines Wario Land: The Shake Dimension oder eines Guilty Gear. Die Sprites sind klein, gnubbelig und nicht allzu hoch aufgelöst, die Animationen sind hübsch, aber letzten Endes doch eher zweckmäßig. Und das ist okay, denn das ist der eigene Stil von Cross Edge und auch genau der Stil, den die Fans wollen.
Seinen Charme hat dieser Look allemal. Künstliches Meckern über den Low-Tech-Ansatz ist hier schlicht und ergreifend unangebracht. Technik, Auflösung und Darstellungsart setzen die Designer genauso bewusst als Stilmittel ein wie der Filmemacher, der seinen neuen Streifen mit besonders körnigem Filmmaterial oder in Schwarz-Weiß schießt. Natürlich wird der Look von Cross Edge den eingefleischten Fan von Effektmonstern Marke Call of Duty abwechselnd zu hysterischen Lachanfällen und ungläubigem Spott hinreißen. Aber Anhänger von üppigen High-Res-Vorzeigeobjekten sind halt auch nicht die Zielgruppe von Cross Edge. Das gilt nicht nur grafisch, sondern vor allem spielerisch.