Cyberpunk 2077 auf Stadia übertrumpft zum Teil die Xbox Series X - und hält auch sonst gut mit
Volle Cloud-Power voraus.
Cyberpunk 2077 - eines der ganz großen Spiele des Jahres 2020 und auch eines der umstrittensten, vor allem, weil die Erfahrung auf Last-Gen-Konsolen gelinde gesagt unterdurchschnittlich ist. Die Next-Gen-Geräte sind besser, aber es gibt noch einen weiteren Kandidaten, den man in Betracht ziehen sollte: Googles Streaming-Plattform Stadia. Je genauer wir uns die Stadia-Portierung ansahen, desto interessanter wurde sie, und tatsächlich gibt es Szenarien, in denen sie eine bessere Grafik als die Xbox-Series-X-Version des Spiels liefert.
Diese Schlussfolgerungen zu ziehen und die benötigten Daten zu bekommen, war problematisch. In der aktuellen Covid-Situation ist es eine kleine Herausforderung, sicherzustellen, dass wir Stadia optimal spielen können, wenn unsere Internetverbindung zu Hause nicht mitspielt. Die ganze Geschichte erfahrt ihr in dem unten eingebetteten Video, aber es genügt zu sagen, dass wir zu Mobilfunkmasten gefahren sind, ein tragbares Aufnahmesystem im Auto installiert haben und dann zufällig einen öffentlichen WiFi-Spot mit 200 MBit/s gefunden haben, um endlich eine stabile Verbindung mit hoher Bandbreite zu bekommen. Und wir wussten, dass die Verbindung gut war - dank der exzellenten Stadia-Enhanced-Erweiterung für den Chrome-Browser, die eine Reihe nützlicher Funktionen enthält, wie z.B. die Möglichkeit, die höchste Qualität des Streams zu erzwingen, Bandbreitenstatistiken zu überwachen und vieles, vieles mehr. Trotz einer herausfordernden Testumgebung wussten wir dank dieser Erweiterung, dass unsere Netzwerklatenz nur 14 ms betrug und dass es in einer 132-minütigen Aufnahmesitzung nur 140 gedroppte Frames gab, wobei 8,28 Gigabyte Daten pro Stunde verbraucht wurden. Stadia Enhanced bestätigte auch einen ordentlichen 4K-Videostream, der das optimale VP9-Kompressionssystem verwendet.
In Bezug auf die Portierung selbst denke ich, dass es hier eine wichtige Erkenntnis gibt. Während ihr das Konsolen-Erlebnis am besten auf einer Next-Gen-Maschine genießen könnt, ist die Quintessenz, dass ihr dabei immer noch eine optimierte Version eines Last-Gen-Konsolenspiels spielt - mit vielen visuellen Kompromissen. Cyberpunk 2077 auf Stadia ist ein anderes Kaliber: CD Projekt Red hat für die Portierung sogar einen eigenen Entwickler ins Boot geholt - QLOC -, der sich bereits um Dark Souls Remastered, Hellblade auf Switch und die PC-Versionen von Mortal Kombat 11 und Injustice 2 gekümmert hat. Das Ergebnis ist, gelinde gesagt, faszinierend.
Zunächst einmal gibt es, genau wie bei der Series X, einen Qualitäts- und einen Leistungsmodus, die auf 30 bzw. 60 Bilder pro Sekunde abzielen. Erwartungsgemäß ist die Auflösung in beiden Szenarien auf der Streaming-Plattform niedriger. Im Qualitätsmodus verringert sich das dynamische Auflösungsfenster von 1620p-1800p bei der Series X auf 1440p-1584p bei Stadia. Im Modus mit höherer Bildrate sinkt Microsofts 1080p-1620p-Bereich auf Stadia deutlich auf 810p-972p. Dieses Fenster scheint auf Stadia zu eng zu sein und vielleicht könnte die Auflösung in einigen Szenarien höher sein, aber keines unserer Testbilder konnte die wahrscheinliche Obergrenze von 1080p erreichen. Natürlich sieht der Modus mit der höheren Bildrate deutlich unschärfer aus - aber die Auflösung ist hier nicht die ganze Geschichte.
Der bei weitem größte Unterschied ist der Detailgrad, bei dem Series X und Stadia oft sehr unterschiedliche Ergebnisse bieten, wobei die Streaming-Plattform in einigen Szenarien mehr Details liefern kann (oft dramatisch), während die Series X in anderen mehr bieten kann. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Stadia auch einen größeren Textur-Cache hat, da einige zufällige Objekte in einigen Situationen eine höhere Qualität in Sachen Auflösung zu haben scheinen. Die Schattenqualität ist ähnlich durchwachsen: Auch hier scheint die Xbox Series X im Allgemeinen eine höhere Qualität der Schatten zu haben, aber weiter entfernte Schatten zeigen eine Verbesserung bei Stadia. Darüber hinaus ist die Auflösung der volumetrischen Beleuchtung auf der Series X deutlich eine oder zwei Stufen höher, was vor allem durch die sichtbaren, blockigen Voxel-Artefakte auffällt.
In Sachen Performance hat die Series X gegenüber Stadia die Nase vorn, aber in einigen Szenarien ist es viel enger, als ihr vielleicht denkt. Zunächst einmal zielen beide Versionen des Spiels mit ihren Qualitätsmodi auf 30fps ab - und im Großen und Ganzen erreichen sie das auch. Der Unterschied besteht darin, dass die Series X im Allgemeinen stabiler ist, mit konstanten 33ms Bildwiederholrate, etwas, das Stadia nicht ganz erreichen konnte. Die Bewegungsunschärfe kaschiert bis zu einem gewissen Grad das Stottern, aber obwohl sie anständig genug ist und sich gegenüber den schlechten Last-Gen-Version des Spiels deutlich verbessert zeigt, ist sie nicht ganz da, wo sie sein müsste. Die Latenz des Cloud-basierten Systems ist auch bei 30fps spürbar - aber das lässt sich einstellen. Standardmäßig läuft Stadia im höheren Framerate-Modus, der stattdessen 60fps anpeilt. Ja, es gibt ein Auflösungsdefizit, aber es gibt eine definitive, spürbare Verbesserung des Input-Lags, obwohl die tatsächliche Leistung meist im Bereich von 45-55fps liegt - langsamer als die Series X zum größten Teil, aber überraschend nah dran in einigen Szenarien.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stadia-Version von Cyberpunk 2077 mit einer niedrigeren Auflösung als die Xbox Series X läuft, obwohl ihr Qualitätsmodus eine höhere Pixelzahl als die PlayStation 5 liefert. Sonys Konsole ist immer noch die erste Adresse für ein konsistentes Erlebnis mit hoher Bildrate, aber die Stadia-Portierung hat ihre eigenen Vorteile. Sie schneidet im Vergleich zur Series-S-Version sehr gut ab und scheint in vielen Szenarien mehr Details liefern zu können als jede der Konsolen-Versionen - zumindest bis die maßgeschneiderten Next-Gen-Patches eintreffen. In der Zwischenzeit sieht Stadia gut aus, gerade weil ein Portierungshaus mit einiger Erfahrung die Codebasis genommen und eine maßgeschneiderte Wiedergabe des Spiels für das System geliefert hat, etwas, das die Next-Gen-Konsolen noch nicht haben.
Aber es geht um mehr als das - es geht um Verfügbarkeit und Zugänglichkeit. Im Moment können wir Cyberpunk 2077 nicht auf Last-Gen-Systemen empfehlen, während die Einstiegshürde für eine wirklich anständige Erfahrung auf dem PC für viele eine Herausforderung darstellen könnte - ein Gaming-PC mit einem Sechskern-/12-Thread-Prozessor und einer modernen GPU ist erforderlich und das ist nicht billig. Stadia ist nicht die perfekte Lösung, aber ihr müsst dafür keine neue Konsole kaufen, um es zu spielen, es funktioniert auch auf einem Laptop oder Telefon - ihr braucht nur eine gute Internetverbindung. Meine reicht nicht aus (obwohl sie scheinbar die Stadia-Spezifikationen übertrifft), aber andererseits streamt sie auch nicht GeForce Now oder sogar die xCloud mit geringerer Bandbreite ohne Probleme - es scheint Probleme mit dem ISP zu geben. In Anbetracht dessen vermute ich, dass die meisten Leute, die die Anforderungen der Stadia-Spezifikation erfüllen, ein absolut vernünftiges Erlebnis haben werden (obwohl Konflikte mit anderen Nutzern auf der gleichen Verbindung immer ein Problem sein werden).
Interessant ist auch, dass sowohl der Qualitäts- als auch der Performance-Modus in Cyberpunk 2077 verfügbar sind, egal ob man das Stadia Pro-Abo hat oder nicht. Das eigentliche 4K-Streaming ist nach wie vor dem Premium-Tier vorbehalten, aber der Qualitätsmodus rechnet für Nicht-Pro-Nutzer auf 1080p herunter - und das funktioniert. Allein das Vorhandensein eines Umschalters im Spiel ist schon ein Fortschritt: Ich war frustriert von Stadia-Ports wie Red Dead Redemption 2, die einen dazu zwangen, im High-Fidelity-Modus mit 30fps auf einem 4K-Bildschirm zu spielen, auch wenn man stattdessen lieber in 1080p mit einer höheren Framerate spielen würde. Hoffentlich werden In-Game-Optionen bei Stadia-Titeln in Zukunft zur Norm.
Im letzten Jahr haben wir uns Cyberpunk 2077 auf PS5- und Xbox-Series-Konsolen angeschaut und ich habe erwähnt, dass die Stadia-Version einen Blick wert ist. Mein kurzes Hands-on dort hat mich dazu veranlasst, für diesen Artikel viel tiefer zu gehen, und ich bin froh, dass ich das getan habe. Obwohl Cyberpunk 2077 in vielerlei Hinsicht umstritten ist, ist es ein Qualitätsspiel, aber die Hardware-Anforderungen, um ein gutes Erlebnis zu bekommen, sind eindeutig lästig. Hier bieten Cloud-Systeme wie Stadia einen klaren Vorteil - und obwohl nicht perfekt, ist die Qualität dieser Portierung definitiv sehr anständig.
Im Original von Richard Leadbetter, Technology Editor, Digital Foundry