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Cyberpunk: Von Blade Runner zur Human Revolution

Ein Blick auf die spielerische Seite des sanften Weltuntergangs

A Mind Forever Voyaging ist kein Cyberpunk im klassischen Sinne. Vielmehr ist es eine Erfahrungsreise des Weges in eine der dafür typischen Zukunftsvisionen. Der Plan, der in der Simulation getestet werden soll und dessen Ergebnis man zu sehen beziehungsweise zu lesen bekommt, beinhaltet viele Elemente amerikanischer Politik, die heute immer noch heiß diskutiert werden: Steuersenkungen, konservative Glaubenswerte in der Bildung, Deregulation von Märkten, Stärkung des Militärs und so weiter. Als wären die Jahre nie vergangen.

Selbst wenn man hier eigentlich nur auf wenige Rätsel im eigentlichem Sinne stößt und es schwer fällt, A Mind Forever Voyaging als echtes Spiel zu bezeichnen, gehört dieses Experiment zu den spannendsten des Genres, zumal es erstaunlicherweise – erschreckenderweise? – nicht viel von seiner Aktualität einbüßte.

Snatcher (1988)

Kojima mochte schon immer Cyberpunk und er hätte gerne noch viel länger an seinem Frühwerk gearbeitet. Aber Konami riss es ihm dann doch aus den Fingern. Warum auch nicht, die althergebrachte Geschichte mit starkem Blade-Runner-Einschlag trifft den Kern gut und war spielersch auch so schon ein gelungener Anfang für den umtriebigen Japaner.

Hochhäuser riesiger Stadtkomplexe einer nahen Zukunft am Horizont, harter Cybercop in diesen modernen Canyons und zuvor eine Bio-Katastrophe, die die Gesellschaft zerriss. Die Geschichte um künstliche Leben, die einfach die Plätze von echten Menschen übernehmen, zeigt trotz zahlreicher Anleihen an - schon damals - bestehende Werke inhaltliche Stärke und ein gutes Action-Adventure-Crossover war es auch noch. Der japanische Touch im klassischen Cyberpunk.

Dreamweb (1992)

Hier ist ein fantastisches Beispiel dafür, dass eine außergewöhnliche, packende Geschichte, die ganz klar mit Starbesetzung hätte verfilmt werden müssen, in einem kleinen, belanglosen Adventure mit arg rückständiger Technik verheizt werden kann. Dreamweb ist sicher kein Looker mit seiner sehr pixeligen Top-Down-Perspektive. Viele der Rätsel sind banal, dabei jedoch umständlich, manche schlicht unlogisch, viele Objekte haben keinen spielerischen oder sonstigen Sinn - außer das Inventar zuzumüllen - und trotzdem kann man mit Dreamweb, einmal eingestiegen, nicht aufhören.

Zum Einstieg half es, das Handbuch zu lesen, das zwar wenig zum Spiel selbst erzählte, dafür aber umso mehr Einblicke in die Psyche des Helden bot. Der Barkeeper, in dessen Rolle ihr schlüpft, arbeitet seine Lebenszeit in einer sehr Blade-Runnerigen Zukunft ab, die keine Anstalten macht, diese Inspirationsquelle zu verbergen.

In solcher Umgebung fällt es dem Antihelden schwer, seine Gedanken zusammenzuhalten und das Buch beschreibt tagebuchartig seinen scheinbaren Abstieg in den finsteren Wahnsinn. Oder doch nicht? Gibt es das mystische Traumnetz? Muss er wirklich sieben bestimmte Menschen töten, um eine Katastrophe zu verhindern? Wo beginnt der Traum, wo endet er? Eine gut aufgebaute und bis zum Schluss spannende Geschichte, die einem über die weniger gelungenen Aspekte von Dreamweb hinweghilft. Und wem das nicht reicht, der darf sich auf eine der ersten nicht zensierten Sexszenen freuen. Oder ein paar Pixel, die sich seltsam bewegen. Man muss bei Dreamweb machmal schon dazusagen, was man gerade sieht.

Bloodnet (1993)

Vermessenheit, dein Name ist Bloodnet. Microprose wollte damals den Cyberpunk mit Vampiren kreuzen, das alles in ein Action-Adventure-Rollenspiel mit offener Welt und offenem Cyberspace inklusive theoretisch endloser Variationen an Zufallsbegegnungen packen. "Konfus" traf es am Ende am besten. Die Story war weder sinnvoll noch durchsichtig, das Spieldesign stellte sich an jeder Ecke selbst ein Bein und schlußendlich war Bloodnet nur ein Beweis dafür, dass manchmal weniger einfach mehr ist.

Syndicate (1993) & Syndicate Wars (1996)

Das Jahr war aber nicht verloren. Molyneux' Bullfrog drehte die Geschichte um und endlich darf man selbst mal in der Rolle des bösen Megakonzerns aktiv werden. Vier Typen mit Miniguns unter dem Arm auszustatten und zugecybert bis unter die Schädeldecke auf die bemitleidenswerte Konkurrenz loszulassen, fühlte sich nie besser an als in Syndicate. Das Taktikspiel bot einen wunderbar düsteren Look, jede Menge zynischen Humor und gut designte Level in rauer Menge. Der Nachfolger dagegen hatte mit all den Problemen zu kämpfen, die man bekommt, wenn man 3D um jeden Preis zu einer Zeit will, als das mitunter noch alles andere als gut aussah. Einige der Tugenden des ersten Syndicate blitzten auch in Wars durch, viel war aber nicht mehr zu retten. Hoffen wird also auf Teil 3 in Kürze. Nach 17 Jahren ist da wohl alles möglich.

Shadowrun (1993)

Im Pen-&-Paper-Bereich ist Shadowrun DAS System, wenn es um die Materie geht. Nicht nur, dass 2050 fast alle Nationen als solche nicht mehr existieren, die Konzerne haben das sagen, Nu-Yen ist die etablierte Währung und auch die Magie kehrte auf die Welt zurück. Mit ihr zusammen Schamanen, Magier, Elfen, Orks und Drachen, letztere gerne in der Rolle allmächtiger Konzernlenker. Eine manchmal etwas verrückte, aber ausufernde Welt und ein idealer Kandidat für epische Computerspiele.

Das letzte von 2007 war leider von dem Standpunkt aus gesehen eine ziemliche Niete und auch als Multiplayer-Shooter hätten es schon mehr als vier Maps sein müssen, um zu begeistern. Spielt lieber den Half-Life-2-Mod Dystopia. Weit besser in jeder Hinsicht. Da kam das 1993er SNES-RPG dem Kern schon näher. Eure Figur wacht ohne Erinnerungen in der Leichenhalle auf und die halbe Welt will ihn dort permanent sehen. In diesem alles andere als einfachen Spiel sucht ihr natürlich nach den Erklärungen für diese Umstände. Eine sehr nah an der Welt gehaltene Interpretation, die zu den wenigen guten, von einem westlichen Team entwickelten Konsolen-RPGs der Zeit gehört. Die Mega-Drive-Version verwandelte die Optik, einige der RPG-Mechaniken und erzählt eine eigene Geschichte, sodass es sich durchaus lohnt, beide Versionen gespielt zu haben. Wer des Japanischen mächtig ist, darf sich auf die Suche nach der Mega-CD-Version machen, noch einmal ein eigenständiges Shadowrun-Abenteuer. Soll gut sein. Für Japaner. Und leider nur die.