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Dantes Inferno

Abstieg

Dante Alighieris La Divina Commedia, hierzulande schnöde übersetzt als die Göttliche Komödie bekannt, gehört zu den schönen Büchern, die man als Gelegenheitsintellektueller einfach im Schrank stehen haben muss. Direkt neben Shakespeares Complete Works, Miltons Paradise Lost und ein paar Sachen von Goethe. Und genau wie die hat man davon bestenfalls was in der Schule gelesen und sie danach als hübsche Staubfänger die meiste Zeit ihrer Existenz ignoriert.

Der Name Dante steht praktisch stellvertretend für das Werk an sich, was wohl auf die Ich-Perspektive des Dichters in den über 14.000 Versen zurückzuführen sein dürfte. Dante wird vom römischen Dichter Vergil zunächst durch die Kreise der Hölle geführt. Hier werden die Sünder der Welt für Ihre Frevel gestraft und jeder Kreis hält für jede der seit dem Film mit Brad Pitt allgemein geläufigen sieben Todsünden seine eigenen Qualen parat. In dem Gedicht geht aber nicht nur nach unten.

Sobald die beiden alle Kreise durchschritten haben, beginnt eine nicht weniger schwere Reise den Berg der Läuterung hinauf, an dem wiederum auf verschiedenen Ebenen für alle Sünden härteste Buße getan werden muss, um schließlich zurück ans Licht zu finden. Das wirklich einzigartige Werk strotzt vor Metaphern, Allegorien und ist geradezu durchtränkt von Mythologie, nicht nur christlicher. Sie dominiert allerdings, schließlich entstand der Krater der Hölle durch den Fall Luzifers. Und jetzt raten wir doch einfach schon mal im Voraus, wer als Endgegner in Electronic Arts kommendem Dantes Inferno der Herrscher von Level 9 sein dürfte...

Es ist sicher nicht das erste Mal, dass sich die Autoren bei einer Literaturadaption verheben, aber so drastisch wie hier dürfte es selten ausfallen. Zunächst einmal beweist man allerdings Zurückhaltung, beschränkt sich ausschließlich auf den Inferno-Teil der Komödie, was rein spieltechnisch nicht verkehrt sein dürfte. Wer will schon neun Level lang Abbitte leisten? Außerdem und genau betrachtet gibt es ja sogar in der göttlichen Komödie eine zu rettende Holde und zwei Typen auf Reise. Das schreit doch schon fast nach Game und CoOp.

Ihr werdet vielleicht ebenfalls überrascht sein, dass man nicht den billigen Weg wählte. Die Geschichte lautet nicht, dass ein Typ von Nebenan aus unserer Zeit in die Hölle fällt und sein Ding mit der Pumpgun macht.

Dante's Inferno - Trailer

Ihr schlüpft im Jahr Elfhundertirgendwas in die Rolle des Dichters Dante persönlich, mit Vergil an Eurer Seite und auf der Suche nach Beatrice, dem weiblichen und leider toten Ideal. Auch die anderen Handelnden wurden direkt dem Gedicht entlehnt, von den Schatten über die Dämonen bis zu Luzifer selbst.

Ein klein wenig Sorge bereitet ein Schwung neuer Figuren, bei denen man sich allerdings auch weit mehr Mühe gab als man es sonst gewohnt ist. Um Struktur und Glaubwürdigkeit zu wahren, wählten die Entwickler Personen aus Alighieris Familie und flochten sie in die Handlung ein. Offensichtlich ist die Reise durch die Hölle allein nicht mehr genug, sie verlangt Nebenhandlungen. Nun, warum nicht. Solange es sich stimmig in das Gesamte einfügt, ist hier dichterische Kreativität sicher nicht fehl am Platz.

An anderer Stelle konnte man sich sehr gut auf die textliche Vorlage verlassen. Dante beschreibt die Kreise der Hölle ausgesprochen plastisch und mit vielen Details, die er auch ihren verdammten Bewohnern und den dämonischen Tormentoren angedeihen ließ. Es dürfte eine wahre Fundgrube für jeden Designer gewesen sein, der sich gerne in die Abgründe der Seele und der Sünde wagt. Auf fünf Kreise der Sünden des Fleisches folgen vier weitere, die sich der Sünden gegen andere Menschen annehmen. Völlerei, Wolllust und Company, gefolgt von Mord und Verrat. Es könnte eine wahre Hölle werden und von dem, was bis jetzt zu sehen war, gibt man sich alle Mühe, diesem Ideal gerecht zu werden.

God of War in Hell

Einige erste Impressionen sprechen die Sprache eines Spiels, das seine Ziele hoch setzt und diese mit phantastischen Bildern optisch wirklich umsetzen könnte. Düstere Wände aus Leid, die unbezwingbaren Mauern der verdammten Stadt Dis, dunkle Farben, Monstren und Grafiken, die perfekt mit den sehr erwachsenen Motiven von Verdammung, Erlösung, Entscheidung und Verlust harmonieren.

Die einzige Kritik, die sich Dantes Inferno möglicherweise gefallen lassen muss, ist, dass alles zwar sehr düster und passend wirkt, nur leider noch ein wenig die Alleinstellungsmerkmale missen lässt. Wir besuchten Mordor und Minas Morgul auf der Leinwand, blickten bereits in verschiedene Höllen. Und das sich Dantes Inferno zu der Pixelinkarnation der wahren Hölle auf dunklen Flügeln aufschwingen kann, gehört zu den Dingen, die es beweisen muss.

Sollte die Adaption von Dantes Werk gelingen, stehen uns schreckliche Bilder bevor, nur an einem Punkt muss das Spiel auf jeden Fall von seinem Vorbild abweichen. Im Gedicht schreiten Dante und Vergil zwar durch schreckliches Terrain, dort tun sie allerdings nichts anderes als einen endlosen Disput über, im wahrsten Sinne des Wortes, Gott und die Welt zu führen. So etwas ließe sich eher schwer als Spiel verkaufen, also drückt man Dante kurzerhand die Sense vom Tod persönlich in die Hand – Pratchett, anyone?