Dark - Test
Sie wussten, dass sie es tun wollten. Nur wussten sie nicht warum.
Ich habe vor mehr als nur einer Ewigkeit mal angefangen einen Roman zu schreiben, und zwar aus all den falschen Gründen. Ich hatte nicht wirklich eine Idee für die Story, nichts, von dem ich glaubte, dass die Welt es lesen sollte, ich wollte damit nicht mal reich werden. Einfach nur, um ein Buch zu schreiben. Bis mir auffiel, dass das wohl nicht klappen kann und 30 oder so grausige Seiten in die Tonne wanderten. Der Unterschied zwischen diesem Buch und der Geschichte von Dark ist, dass den Entwicklern von Realmforge Studios diese Erkenntnis nicht wirklich kam und sie ihr Spiel ohne Rücksicht auf Verluste oder totale Belanglosigkeit fertigstellten.
Es ist eine Vampir-Geschichte direkt aus den späten 90ern. Ein wenig Blade hier, ein bisschen The Masquerade da, hier ein wenig Emos und da ein Schuss Kannibalismus und Sadismus. Ein ganz netter Softi-Goth-Song als Bonus, schon ist der Flashback in diese Vampo-Ära fertig. Immer noch besser als Twilight nehme ich an, aber eben auch eine Geschichte, die so oder ähnlich oft und weit besser erzählt wurde, sogar in Videospielen. Die Geschichte von Dark existiert nur, weil jemand wahrscheinlich diese Storys mochte und auch was mit Vampiren machen wollte. Es entstand ein dramaturgischer Unfall, der in der uninteressantesten Wahl für den Spieler seit Langem endet. Jemanden, den man kaum kennt retten oder jemanden, den man noch weniger kennt, töten. Kann ich nicht einfach gehen und die machen das unter sich aus ...? Es könnte mir nach etwa acht 8 Stunden kaum egaler gewesen sein.
Eure Figur Eric Bane - nicht ganz Cypher Raige, aber man ist auf dem richtigen Weg - soll zunächst den Vampir finden, der ihn erschaffen hat, weil der Job nicht beendet wurde. Trinkt Eric nicht das Blut dieses Vampirs, wird er zu einer Art Zombie, einem Ghoul. Da er, Amnesie sei mal wieder dank, nicht weiß, wer ihn schuf, muss er als Alternative einen mächtigen Vampir finden und dessen altes Blut trinken, was wohl den gleichen Effekt hat. Wenn das jetzt wie eine Erzählung des Tutorials klingt, weil es doch recht wenig Substanz wäre, der hat recht. Nur, dass dieses Tutorial fast drei Viertel der Spielzeit ausmacht, bevor sich die eigentliche Handlung inklusive Nemesis wie eine Art Epilog aufdrängt. Die Grundidee dieser zweiten Story ist gar nicht mal schlecht, aber so antiklimaktisch verpufft der Effekt leider ziemlich wirkungslos. Fast schade drum, aber: zu spät, zu wenig.
Als Brettspiel vermutlich ein Hit
Kommen wir zum eigentlichen Spiel und das Thema des "Man will etwas machen, weil irgendwas muss man ja tun" und nicht, weil eine eigene Idee dahintersteckte, setzt sich fort. Ersetzt einfach "Vampire" durch "Stealth-Spiel". Dark ist ein reines Stealth-Spiel. Absolut rein. Unverfälscht. Und es funktioniert nach ganz festen Regeln. So fest, dass es fast ein Brettspiel sein könnte. Ich könnte es mir als solches gut vorstellen. Ein Spielbrett, Gänge und Räume zum Aufbauen, Regeln, nach denen man zieht, Sichtfelder, Angriffe unterschiedlicher Wirkung, Games Workshop hätte in den frühen 90ern was Großes draus gemacht.
Als Videospiel mir einer Handlung um mächtige Vampire dagegen dem Spieler ein paar Dinge zu erklären fällt jedoch schwerer. Videospieler sind es nicht gewohnt, dass Sachen einfach nicht gehen, weil es halt so ist. Dass Eric keine Pistole in die Hand nimmt, dass ihr kein einziges Mal im Spiel schießen werdet, und zwar ohne jede Erklärung, warum das so ist, damit kann ich sogar noch leben. Es macht inhaltlich keinen Sinn, aber ok, die Regeln sagen, dass er das nicht kann.
Leider sagen die Regeln aber auch, dass er nicht über ein hüfthohes Hindernis hopsen kann - eine Couch zum Beispiel, sollte ja nun wirklich kein Akt sein ... - und da beginnt es langsam, ein wenig zu übersichtlich zu werden. Jeder Raum ist im Prinzip gleich. Ihr hockt in einer Ecke und beginnt dank Vampir-Detektiv-Sicht, den Raum zu analysieren. Ihr seht alle Wachen, später auch UV-Lichter und Fallen. Die Wachen wandern nach bestimmten Mustern, die Fallen decken einen bestimmten Radius ab, also sucht euch eine Reihenfolge, wie ihr die Jungs ausschaltet oder an ihnen vorbeikommt. Stealth-Game halt, nur sehr, sehr eng gefasst und dadurch sehr berechenbar. Es erinnert mehr an ein Puzzle-Spiel als ein Action-Adventure, nur, dass die Puzzles nach bereits kurzer Zeit immer einfacher zu durchschauen sind.
Es erinnert mehr an ein Puzzle-Spiel als ein Action-Adventure, nur, dass die Puzzles nach bereits kurzer Zeit immer einfacher zu durchschauen sind.
Selbst der Kampf ist kein Zufallsfaktor oder wirklich von eurem Geschick abhängig. Solange ihr es schafft, an einen Gegner heranzukommen, ohne dass er euch sieht, tötet ihr mit einem einzelnen Tastendruck sicher und auch lautlos. Sieht er euch und hat er zwei oder drei Freunde, die ihm beistehen, seid ihr in ein bis zwei Sekunden tot. Dauerfeuer erledigt in dieser Mythologie Vampire. Ist halt so, gehört zu den Regeln. Zu diesen gehört auch die auf den ersten Blick beeindruckende Zahl an per Erfahrungspunkten freischaltbaren Vampir-Fertigkeiten. Die Möglichkeit, Gegner zu verwirren, auf Distanz zu töten, schnell und lautlos zu laufen oder per Teleport zehn oder 15 Meter zurückzulegen, das muss doch das Spiel aufwirbeln und spannend machen. Oder? Sollte man meinen. Tut es aber nicht.
Die Fertigkeiten erweitern nicht das eher schlichte Grundprinzip des Stealth hier, sondern bauen lediglich die sowieso gegebene Möglichkeiten aus. Ihr entwickelt auf ihrer Basis keine neuen Strategien, das Grundprinzip des Wartens und Zuschlagen wird mitunter etwas beschleunigt, aber nie in eine neue Richtung geführt. Jeder Raum ist gleich. Groß, Wege links, Treppen rechts, Hindernisse und Blickschutz überall und wandernde Wachen. Hinhocken, warten und vorarbeiten. Das funktioniert klasse, aber es ist einfach nicht genug für ein Spiel dieses Umfangs. Nach dem ersten der vier langen Stages kommt kein wirklich neues Element mehr dazu. Es nutzt sich dramatisch ab, zumal der Schwierigkeitsgrad auch recht konstant hoch bleibt, ohne selbst anzuziehen, eher beginnt er, durch Gewöhnung abzufallen. Irgendwann könnt ihr es halt.
Leicht ist normal, Normal ist nervig
Die drei Schwierigkeitsgrade sind eh einschlechter Scherz. Easy heißt, dass ihr beliebig speichern dürft. Auf Mittel erhaltet ihr pro größerem Bereich zwei Speicher-"Gutscheine". Ihr entscheidet, wann ihr speichern wollt, ob eher in der Mitte eines Abschnitts oder doch eher zum Ende hin, eure Sache. Auf Hart gibt es dann noch weniger solcher Save-Möglichkeiten. Ich verstehe die Grundidee, aber das hier ist ein Spiel, in dem eine Sekunde reicht, um einen großen Raum zu ruinieren und immer wieder in eine zwanzigminütige Schleife reiner Fleißarbeit geschickt zu werden, bis ihr es endlich hinbekommt. Das ist schwieriger, aber nicht auf die gute Weise.
Was praktisch fehlt, sind Kämpfe gegen andere Vampire
Die Settings helfen auch nicht. Ein Museum, ein Club und zwei Konzerngebäude sind so einfallslos, wie es nur wird. Mit Ausnahme ganz weniger Highlights, die auch spielerisch Sinn machen - das Highlight: ein dichter Indoor-Wald mit verwinkelten Laufstegen darüber - bedeutet das viele Lagerhallen, Büros oder ähnlich legendäre Lokalitäten. Sie erfüllen ihren Zweck, sie sind groß genug für Versteckspiele, aber das reicht noch nicht für ein inspiriertes Spielerlebnis. In den Locations stecken ein paar Anspielungen in Bezug auf die Story, aber erst habt ihr keine Chance es zu sehen und dann kommt es mit dem Holzhammer zurück. Ein geschickterer Aufbau einer interessanteren Geschichte und das hätte was werden können, so wirkt es nur wie eine ziemlich belanglose Ansammlung üblicher Klischees.
Gleiches gilt für die traurige Auswahl an Gegnern. Die drei Modelle für Menschen unterscheiden sich dadurch, wie schnell sie euch wahrnehmen und ob sie einen aussauge-sicheren Halsschutz tragen. Die beiden Sorten von Ghoulen lassen sich aufgrund der offenbar bewusst abgeschalteten KI die meiste Zeit ignorieren und dann ist da noch ein Typ im Mini-Mech-Anzug, den ihr zweimal wie jeden anderen Menschen angreifen müsst, statt nur einmal. Nicht die Sorte Abwechslung, auf die man sich jenseits der Sechs-Stunden-Marke freut. Was praktisch fehlt, sind Kämpfe gegen andere Vampire. Zwei Bossfights sind keine Fights, die anderen beiden die lahmsten Kämpfe seit langer Zeit und eigentlich will ich sie, insbesondere das Finale, kaum so nennen. Hier verschenkt Dark eine echte Chance, den gegen ähnliche Fertigkeiten anzutreten, wie Eric sie hat, wäre genau die Art von Auflockerung gewesen, die dem Spiel gut bekommen hätte. Aber wahrscheinlich war es zu schwer, so etwas in das enge Regel-Korsett zu quetschen, das sich das Spiel selbst auferlegte.
Die beste Idee hatte man, um die eigentlich nicht so detaillierte Grafik ein wenig zu verstecken. In einer Art Borderlands-Cel-Shading wird die Welt in einem leicht dunklen und hart gezeichneten Comic-Stil präsentiert und ehrlich gesagt sieht das wirklich nicht schlecht aus. Ok, die Gesichts-Animationen und die Gesten der Handelnden sind eher grobschlächtig, aber sonst ist Dark ein stellenweise sogar richtig hübsches Spiel. Immer wieder stechen witzige Details wie die ausgiebig beschrifteten und gut lesbaren Whiteboards in den Büros heraus und lassen erahnen, dass ein wenig Liebe in das Spiel floss und man mit den Mitteln, die die offensichtlich eingeschränkten Modelle boten, viel anzufangen wusste. Nach den ersten Präsentationen hatte ich hier Schlimmstes befürchtet, aber so kann sich das wirklich sehen lassen.
Leider ist ein netter Look nicht alles. Dark ist weit davon entfernt, ein wirklich schlechtes Spiel zu sein, nur leider gelingt es ihm nie, ein interessantes zu werden. Die Idee, ein Stealth-Spiel wirklich nur auf das Stealth herunterzubrechen und alle anderen Elemente zu verbannen, klingt weit spannender als sie sich spätestens nach zwei Stunden spielt. Die Elemente sind zu eingeschränkt und nach einer Weile ist jeder Raum gleich. Die immer gleichen Wachen mögen anders aufgestellt sein, die Möbel versetzt, aber es ist trotz der Vampir-Fertigkeiten immer der gleiche Ablauf. So etwas kann man durch eine gelungene Geschichte auffangen, aber die ist leider der schwächste Aspekt von Dark. Hier hatte man scheinbar zuerst die Idee für den Ablauf und dann dichtete man schnell eine banale und emotionslose Story um ein paar sehr - verzeiht, schlechtes Wortspiel im Anflug - blutleere Figuren dazu. Erst ganz zum Schluss konnte ich zumindest ein vages Interesse aufbringen, welches dann aber vom lahmen Finale schnell wieder erstickt wurde. Und so gehört Dark dann zu den Spielen, die mich während des Tests nicht leiden ließen, die ein oder zwei nette Momente boten, aber bei denen ich zum Schluss doch froh war, als dann der Abspann lief. Es war einfach keine sonderlich interessante Nacht.