Darksiders III - Test: Mehr Action für die Apokalypse
Rasende Wut!
Wenn der Chef mal wieder nervt, der Bus zu spät kommt, der Hund die Plattensammlung in ihre Einzelteile zerlegt hat und dann auch noch das Bier alle ist - alles an einem Tag - da kommt man schon mal in Situationen, in denen man sich wünscht als rachsüchtiger Reiter der Apokalypse über die völlig zerstörte Erde zu laufen und alles kurz und klein zu schlagen, was noch von ihr übrig ist. Die schlechte Nachricht: Darksiders III besänftigt nicht euren Chef und geht auch kein Bier kaufen. Die gute: Darksiders III wird auf wunderbare Art und Weise eurer endzeitlichen Zerstörungswut gerecht. Denn ihr schlüpft tatsächlich in die Haut der apokalyptischen Reiterin Wut, ausgestattet nicht nur mit High Heels und langer Mähne wie Doro Pesch in ihren besten Tagen, vor allem aber mit einer wundervollen Kettenpeitsche mit Widerhaken, die auch Castlevania-Protagonisten alle Ehre machen würde.
Wer mit der Darksiders-Reihe nicht so vertraut ist: Die Serie spielt auf einer apokalyptischen Welt, in der Engel und Dämonen einen Krieg austragen, in dessen Verlauf die Menschheit praktisch nebenbei fast völlig ausradiert wird. In den ersten beiden Teilen habt ihr die apokalyptischen Reiter Krieg und Tod verkörpert, jetzt ist Wut an der Reihe. Das Spiel verzichtet glücklicherweise in der deutschen Synchronisation darauf, die Protagonistin so zu nennen und belässt es bei dem weitaus passender klingenden englischen Namen Fury. Die Darksiders-Spiele sind Action-Adventures mit deutlichen Zelda-Anleihen, soll heißen: Ihr entdeckt immer wieder Gegenden, in die ihr aktuell noch nicht vordringen könnt, findet aber später Fähigkeiten, die euch genau das erlauben. Der zweite Darksiders-Teil war deutlich mehr Rollenspiel als sein Vorgänger. Diese Tradition wird von Darksiders III jetzt allerdings nicht fortgesetzt.
Stattdessen spielt es sich wie eine Mischung aus den ersten beiden Teilen. An Speicherpunkten, die euch gleichzeitig als Schnellreisefunktion dienen, könnt ihr die Seelen, die ihr euren Gegnern entreißt, an den Dämon Vulgrim verfüttern. So baut ihr eine der drei Grundwerte Gesundheit, Stärke oder Magie aus, erhöht auf diese Weise also entweder eure Hitpoints, euren physischen Schaden oder euren Magieschaden. Oder natürlich ihr nutzt die Seelen, um mit ihnen einkaufen, beispielsweise Items, die euch heilen, solche die euch vorübergehend mehr Schaden anrichten oder mehr Treffer aushalten lassen. Ihr müsst euch häufig zwischen langfristiger Charakterentwicklung und kurzfristiger Hilfe entscheiden, beispielsweise vor einem besonders schweren Kampf.
Das Spiel steht auf drei grundlegenden Säulen: Hüpfen, Puzzles und Kämpfe. Der Schwerpunkt liegt in Darksiders III diesmal aber klar auf dem Kampf, wobei die Puzzles nette Unterbrechungen sind, um ein bisschen runterzukommen, aber nicht allzu knifflig. Mal ein kleines Schalterrätsel hier, mal ein bisschen Gehüpfe da, aber meistens fliegen die Fetzen. Fury ist auf der Jagd nach den sieben Todsünden, die nach und nach zur Strecke gebracht werden müssen. Diese Todsünden sind gleichzeitig die großen Bosse des Spiels, wobei jede Sünde eine eigene Spielumgebung hat, die irgendwie zu ihr passt. Faulheit beispielsweise wird vom Spiel als riesiges Insekt dargestellt, das ganz ähnlich wie Jabba the Hutt auf einer eigens dafür vorgesehenen Plattform residiert, einfach weil er so faul ist, sich zu bewegen. In einer verlassenen U-Bahn-Station hat sich Faulheit einen eigenen Insektenstaat herangezüchtet, der nichts anderes tut als ihn zu füttern und zu verteidigen. Es macht unheimlich Spaß, in diesen Staat vorzudringen und die Welt letzten Endes von dieser Sünde zu befreien.
Versteht mich nicht falsch, ich habe überhaupt nichts gegen gelegentliche Faulheit, aber hier habe ich wirklich das Gefühl bekommen, eine Plage zu beseitigen und das System um sie herum gleich mit ihr. Im Kampf habt ihr ein Bewegungsrepertoire aus verschiedenen Kombos zur Verfügung, das sich deutlich anspruchsvoller anfühlt als in Darksiders I und II und mehr an japanische Kombo-Spiele wie Devil May Cry erinnert. Ihr müsst lernen, wie Gegner angreifen, diesen Attacken ausweichen und dann erfolgreich kontern. Das macht es nocht nicht gleich zu einem neuen Bayonetta, aber die Anleihen sind unübersehbar. Reines Buttonhämmern wird selbst in den niedrigeren Schwierigkeitsgraden nicht funktionieren - ihr müsst schon aufpassen, was ihr tut.
Jeder einzelne Kampf fühlt sich bedeutend an, weil jeder Gegner zur tödlichen Gefahr wird, sobald ihr allzu sorglos an das Spiel herangeht. Einige der Kämpfe sind so herausfordernd, dass ihr in den Controller beißen möchtet. Aber: Furys Peitsche fühlt sich unheimlich befriedigend an. Das liegt daran, dass sie wirklich allen Gegnern Lebensenergie abzieht, die sie trifft. Attackiert ihr also beispielsweise einen Gegner vor euch und Fury holt aus, um mit der Peitsche zuzuschlagen, kann sie damit möglicherweise einen Gegner treffen, der sich hinter euch befindet. Das mag sich wie eine Kleinigkeit lesen, ist aber unheimlich hilfreich dabei, euch das Gefühl zu vermitteln, dass ihr hier wirklich eine tödliche Waffe in der virtuellen Hand habt und nicht ein Stück Programmcode, das eben nur Schaden an jenem Gegner triggert, den ihr gerade anvisiert habt. Besonders ausrasten dürft ihr, nachdem sich durch das Besiegen von Gegnern ein Balken gefüllt hat, dann nämlich nimmt Fury per Knopfdruck ihre Chaosgestalt an, mit der sie besonders viel Schaden macht. Zerstörungswut: das Spiel.
Aber wie gesagt, auch Darksiders III besteht nicht nur aus Kampf. Die Zelda-Elemente sind auch hier wieder präsent. Immer wieder trefft ihr auf Teile der Level, zu denen ihr noch nicht reisen könnt, weil euch dafür eine spezielle Fähigkeit fehlt. So könnt ihr beispielsweise erst besonders dicke Spinnennetze zerstören, wenn ihr Furys Flammenform freigeschaltet habt. Damit könnt ihr auch gefahrlos durch Lava laufen, geratet ihr aber in Wasser, werden die Flammen gelöscht. Jede der Formen kommt mit eigenen Waffen und Fähigkeiten, wobei ihr jederzeit zwischen ihnen wechseln könnt. Neben der Flammenform entdeckt ihr im Verlauf des Spiels die Formen Kraft, Sturm und Stasis, jede schaltet neue Bereiche des Spiels für euch frei. Jede neue Waffe, die ihr bei der Entdeckung neuer Formen erhaltet, lässt sich gesondert mit Gegenständen aufrüsten, die ihr im Verlauf des Spiels findet, entweder einfach von Gegnern oder bisweilen auch in Vasen, die am Wegesrand stehen. Es lohnt sich also wirklich, die Spielwelt zu erkunden. Und im Fall der Vasen: Sie zu zerstören.
Trotz aller Metroidvania-Elemente fühlt sich Darksiders III in weiten Strecken aber gerade im Vergleich mit den Vorgängern relativ linear an. Klar gibt es immer wieder Abzweigungen, die euch möglicherweise an anderer Stelle wieder in bereits entdeckte Bereiche zurücksetzen. Ein Spieler, der das Kampfsystem aber perfekt beherrscht, könnte wohl relativ störungsfrei von einer Todsünde zur anderen rennen, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Ich sehe das weder als Plus- noch als Minuspunkt, Darksiders III fühlt sich einfach ein bisschen gestaucht an - dafür aber eben auch nicht gestreckt. Die Spielzeit liegt bei 14 bis 16 Stunden. Wer insbesondere Darksiders II mochte, könnte davon enttäuscht sein, aber irgendwie ist es auch erfrischend, dass Entwickler Gunfire Games mit jedem neuen Darksiders-Teil nicht nur den Protagonisten wechselt, sondern auch dem Spielprinzip neue Schwerpunkte gibt.
Und ihr könnt ja trotzdem noch auf Erkundungstour gehen. Dabei hilft euch übrigens die bereits ausführlich gelobte Peitsche. An dafür vorgesehenen Stellen könnt ihr mit ihr über Abgründe schwingen. Aber während sich Sprünge ansonsten im Spiel ganz gut abschätzen lassen, hat dieses Feature bei mir in der Praxis nicht ganz so gut funktioniert. Allzu oft erscheint zwar das Symbol dafür, dass sich Fury jetzt mit der Peitsche irgendwo festkrallen kann, drücke ich dann aber den dazugehörigen X-Button, peitscht sie in die Luft - und fällt anschließend senkrecht in den Abgrund darunter. Ihr startet dann zwar wieder direkt vor dem Abgrund, aber solche Abstürze kosten euch Lebensenergie - und wenn ihr genau wisst, dass euer Daumen auf dem Button war, ist das eben ein bisschen frustrierend. Ich vermute allerdings, dass das Problem in nicht allzu ferner Zukunft via Patch behoben wird.
Trotz der Linearität des Spiels habe ich mich darüber hinaus ab und zu doch ein wenig verloren gefühlt, was wohl daran liegt, dass das Spiel niemanden an die Hand nimmt. Es passiert leicht, dass ihr schon im Tutorial den ersten Heldentod sterbt, zudem gibt es keine Map, keine Questmarker. Ihr müsst euch praktisch zwangsläufig anhand der Umgebung orientieren. Letztlich kann es so ab und an vorkommen, dass ihr nur verzweifelt nach dem nächsten Checkpoint sucht. Ein schmaler Kompass sagt euch zwar, in welcher Richtung sich die nächste Todsünde befindet, weil ihr aber praktisch nie in Luftlinie irgendwo hinlaufen könnt, ist diese Anzeige meistens nahezu nutzlos. Allerdings wirken die Umgebungsgrafiken doch unterschiedlich genug, dass ihr gut einen Raum vom anderen unterschieden könnt.
Was nicht heißt, dass die Grafik besonders aufwändig ist. Der Grafikstil ist zwar nett anzusehen, die Postapokalypse angenehm farbenfroh, beim genauen Hinsehen fällt aber eben doch auf, dass einige Texturen recht niedrig aufgelöst sind und der Polygon-Count manchmal auch etwas höher sein könnte. Wenn man gerade von Red Dead Redemption II auf einer Xbox One X kommt, wirkt das ein bisschen veraltet, letzten Endes sieht es aber bei weitem nicht schlecht aus und sorgt dafür, dass Darksiders III selbst auf etwas älteren Rechnern mit allen Details sehr stabil läuft und nie unter die 30-Frames-Grenze fällt.
Insgesamt ist Darksiders III eine würdige Fortsetzung und ein tolles Action-Adventure mit starker Betonung auf den Action-Teil. Es macht eine Menge Spaß, mit einer Kettenpeitsche Horden von Dämonen zu zerschnetzlen, über ihre Köpfe zu springen und sie dann erneut zu attackieren, es fühlt sich wunderbar organisch und flüssig an. Der Charakterfortschritt bleibt spürbar, eine einmal gestärkte Waffe macht nicht nur im 0,1-Prozent-Bereich mehr Schaden, nein, ihr fühlt wirklich, dass sie jetzt besser ist. Lineares Gameplay, kleinere Platforming-Schwächen und etwas in die Jahre gekommene Grafik hin oder her - das hier ist ein toller Reiter-der-Apokalypse-Simulator. Wenn der Chef mal wieder nervt: Ihr wisst, was ihr zu tun habt.
Entwickler/Publisher: Gunfire Games/THQ Nordic - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: 59,99 Euro - Erscheint am: 27. November 2018 - Getestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein