Das Alone in the Dark-Remake, das alles wieder gut gemacht hätte
Kann man ja ruhig sagen. Wir werden es schließlich nie erfahren.
Vor einigen Wochen geschah etwas Schreckliches. Alone in the Dark: Illumination zerfetzte, was von dem einst guten Namen noch übrig war, und dürfte auf dem Weg zum schlechtesten Spiel des Jahres nicht mehr viel Konkurrenz bekommen. Es endete in einem beispiellosen Gefledder, in ringsum billige Assets erbrechendem Schund zwischen Koop-Shooter und Hui-Buh-Geisterbahn. Kein angeknackst-liebenswürdiges Ding wie das 2008 erschienene Reboot von Eden Games (fortan AitD abgekürzt), sondern bis ganz nach unten ins Fundament verpfuscht und kaputt.
Vor diesem Hintergrund schmerzt es geradezu, dass sich einige Jahre zuvor kurzzeitig etwas Wundervolles anbahnte. Die Arbeiten am AitD-Reboot waren gerade beendet. Im kleinen Rahmen gehaltene, via PSN, Steam und Xbox Live vertriebene Klassiker-Remakes wurden bei Entwicklern immer beliebter und häufiger. Etwas regte sich im französischen Studio. Die Idee, eine Neuauflage des ersten, 1992 erschienenen Alone in the Dark zu machen, lag schon länger in der Luft.
Es war eine Zeit zwischen zwei Projekten, in gewisser Weise eine Findungsphase nach der holprig verlaufenen Reboot-Entwicklung. Edens damaliger Cinematic- und Cutscene-Director Guillaume Colomb erinnert sich: "Bei AitD haben wir die Tools entwickelt, während bereits das Spiel entstand, was eine große Herausforderung darstellte. Zu dem Zeitpunkt, als wir die richtigen Tools hatten, schlossen wir das Projekt auch schon ab", sagt er. "Zu Beginn des Remakes befanden wir uns in einer besseren Position."
Ohne dass Markeninhaber Atari zunächst Kenntnis darüber hatte, überzeugte Colomb seinen Chef David Nadal, einen Probelauf für eine Demo einzuräumen, um sie dem Publisher vorzulegen. Er bekam ein fünf Mann starkes Team und einige Monate Zeit, in denen ein Ansatz entstand: das obere Stockwerk des Originalspiels, nachgebaut mit zeitgemäßer Technik. Mit deutlicher Nähe zu dessen Stimmung, fixen Kameraperspektiven und modernen Jump-Scares, im Verhältnis zueinander ähnlich wie das Resident-Evil-Remake zur Vorlage. "Nur ein kleines Team kann das schaffen, in dem jeder versteht, dass es nicht um die Arbeit des Einzelnen geht, sondern um das Projekt an sich", sagt Colomb. "Wir waren begeistert, dass wir uns tief in diesen Klassiker aus unserer Jugend graben durften."
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So, wie man eine jahrelang eingestaubte Kiste mit Kindheitserinnerungen auf dem Speicher neu für sich entdeckt, spazierte Hauptcharakter Edward Carnby den Dachboden entlang, über ihm das Donnern eines Gewitters, unter ihm das Knarzen der Dielen. Ein Klischee mit spaltbreit einfallendem Blitzlicht und plötzlich zuschlagender Tür, aufbereitet für eine Generation, die fürs Original zu jung war.
"Statt einfach zu kopieren, haben wir es geradezu seziert und über jede Szene nachgedacht, darüber, wieso sie funktionierte, welches Element sie speziell machte", sagt Colomb vom ersten Teil, den er zum Entwicklungsbeginn mit seinen fünf Leuten rauf und runter spielte. Wann immer ihnen etwas wichtig war, "etwas, das Teil der Seele des Spiels war", wurde es vermerkt. "Die Begeisterung war riesig, ein bisschen wie an einem Weihnachtsmorgen, wenn man als Kind die neuen Spielzeuge auspacken und damit endlich spielen darf."
Eines dieser Elemente ist die aus vorgegebenen Winkeln bestehende Kameraführung, wie sie Alone in the Dark zuletzt in Teil 4, The New Nightmare (2001), und Resident Evil in Zero (2002) einsetzte. Ein in den Neunzigern aus technischen Beschränkungen entstandenes Relikt, das aus der Not eine Tugend machte. Entwickler waren in der Lage, genauer zu steuern, was der Spieler an welcher Stelle sieht, ihn zu erschrecken, wenn er es ganz sicher nicht verpasst.
Spätestens nach dem Erfolg von Resident Evil 4 war das nicht mehr modern oder "cool" genug, und die statische Kamera verfiel in ein langjähriges Koma, ebenso der klassische, actionreduzierte Survival-Horror. "Wir wussten, dass die Kamerawinkel das Original so immersiv und besonders machten. Aber wir waren auch realistisch. Ein Remake konnte nur entstehen, wenn wir es schnell und günstig auf die Beine stellten. Eine feste Kamera erlaubte es uns, den Raum besser zu kontrollieren, den Aufbau, die Beleuchtung und all das", so der Entwickler.
"Wir sahen diese Beschränkungen nie als 'gestorbenes' Genre. Es ging uns mehr um dieses eine spezielle Spiel, seinen Geist und darum, wie wir all das beibehalten und trotzdem etwas Moderneres erschaffen können."
Deswegen konnte Carnby auf dem Speicher sowohl das Regal als auch die Kiste verschieben, um Durchgänge zu blockieren, wie in der Vorlage. Das Schaukelpferd sollte ebenso einen Auftritt haben wie der Dachboden eine mahnend-lehrreiche Wirkung. Ähnlich wie im Original war sein vorrangiger Zweck, dem Spieler anhand der Begegnung mit zwei Feinden zu zeigen, dass er jederzeit sterben kann. "Es startet genau hier", sagt Colomb, "und sollte dafür sorgen, dass man beim Betreten eines neuen Raumes um sein Leben fürchtet".
Einer von ihnen ist ein aus der Dachbodenluke schießender Mutant mit Latzhose. Da Eden Games die Demo auf eigene Faust produzierte und natürlich kein offiziell freigegebenes Budget hatte, recycelte man einen prominenten Gegnertyp aus dem AitD-Reboot. Er sollte in den ungünstigsten Momenten auftauchen und das tun, was solche Kerle in Horrorspielen am besten können: nerven bis zur Unbequemlichkeit. "Wir hatten so großartige Ideen", bedauert Colomb. "Wir wollten das Licht als Spielelement einarbeiten, und bei diesem ersten Feind hatten wir wirklich Spaß, damit zu spielen, um seinen Auftritt noch unheimlicher zu machen."
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Obwohl das Remake als Eden Games' Verbeugung vor einem Genre begründenden Klassiker gedacht war, sollte es nicht all den bekannten Ballast mit sich herumschleppen. "Es ging nicht allein um die Erkenntnis, welche Elemente 'funktioniert' haben, sondern auch darum, welche besonders waren. Würden sie heutzutage immer noch funktionieren? Was müssen wir tun, um sie zu modernisieren? Schaffen wir das überhaupt? Wie können wir zeitgemäßere Mechaniken beimengen, ohne dem Spiel die Seele zu nehmen?", erklärt der Entwickler.
"Wir mussten den schmalen Grat zwischen Remake, Hommage und Modernisierung finden. Wir mussten das Spiel wirklich verstehen, nicht nur die Spielmechaniken nachbauen, sondern die Motivation hinter ihnen begreifen und sie mit einem heutigen Blick umsetzen."
In einer frühen Szene etwa sollte Carnby eine Vase aufheben, im Menü drehen und auf dem Boden zertrümmern müssen, um den darin liegenden Schlüssel zu erhalten. "Wir hielten das für eine gute Art, dem Remake eine Schicht aus unerwarteten Mechaniken hinzuzufügen", sagt Colomb. "Einen Schlüssel in einer Schublade zu finden, um eine Tür aufsperren zu können, ist old-school und wir lieben das, doch wir dachten, wir müssten in der Hinsicht einfach mehr leisten."
Waren weitere Umgebungsrätsel dieser Art geplant?
"Leider konnten wir ja nur diese eine Etage bauen. Allerdings hatten wir Ideen, wie wir diese Mechaniken an unterschiedlichen Orten hätten variieren können."
Das Remake kam nie über diese paar Räume im obersten Geschoss des Anwesens hinaus. Atari hatte ab 2007 verstärkt Probleme, mehrfach wechselnde Geschäftsführung und Unternehmensausrichtung. Das AitD-Reboot enttäuschte trotz rasch gebrochener Millionenmarke. Colomb ist sich nicht mal sicher, ob die Kosten wieder eingespielt wurden. "Es ging aber auch um die Reviews. Wir hätten Besseres als die erreichte Durchschnittswertung gebraucht, damit Atari uns mehr Geld für Alone in the Dark gibt", klagt er. Nach nur wenigen Monaten stoppten die Arbeiten am Remake und Eden Games konzentrierte sich auf Test Drive Unlimited 2. "Es war einfach schlechtes Timing."
Trotzdem ist nicht alles aus der Zeit verloren. "Ein Teil des Teams arbeitete an einem Indie-Titel, bei dem wir diese Ideen verdoppelten. Also, all jenen, die traurig sind, dass das Remake nichts wurde, empfehle ich, White Night zu spielen."
Dagegen gibt es nichts einzuwenden, solange ihr bloß die Finger von Illumination lasst.