Das bessere Final Fantasy: Suikoden könnte zurückkommen, aber wie sehr sollte uns das freuen?
Was hat Konami mit dem JRPG-Klassiker heute noch vor? Was ist überhaupt möglich?
Ich muss mich wirklich zusammenreißen hier. Noch vor drei Jahren wäre ich bei der Neuigkeit, dass Konami den Markenschutz für Suikoden verlängert, ungebremst ausgerastet. Vor Freude. Die Suikoden-Reihe war für mich immer das Nonplusultra in Sachen japanischem Rollenspiel. Heute … nun, ich weiß nicht so recht, wohin mit mir, wenn ich das so höre.
Aber vielleicht fangen wir vorne an: Für mich stand Suikoden (insbesondere die Teile eins, zwei und fünf) den ungleich bekannteren Final Fantasys immer nur in Sachen Produktionswerten nach. Während die ersten beiden Konami-RPGs 1995 respektive 1998 die Ästhetik der SNES-Ära nur marginal weiterbrachten, rollte Final Fantasy 7 alle technischen Tricks von Sonys 3D-Konsole im Kinoformat aus und wurde allein schon deshalb zum Event, über das sich alle den Mund zerrissen. Auch die, die sonst nichts mit JRPGs anfangen konnten.
Der Rest ist Geschichte: Suikodens Pixelart-Look sieht heute immer noch halbwegs zeitlos aus, während Final Fantasys grobschlächtige Polygonmodelle und vorgerenderte Hintergründe 2022 einfach zum Weggucken sind. Die Zeit hat uns Suikoden-Liebhabern also recht gegeben. Wobei die bescheidener aufgezogene Technik keineswegs der Grund dafür ist, dass die Suikoden-Spiele bis heute einen festen Platz in meinem Herzen haben (vor allem das auch von mir selbst seinerzeit sträflich unterschätzte Suikoden 5).
Wo Final Fantasy immer wieder ins Kitschig-esotherische abdriftet, bleibt Suikoden einfach wunderbar auf dem Boden und erzählt ein interpersonelles Drama über Krieg und Frieden, Freundschaft und Verrat. Ebenen, über die man eine direkte Bindung zu den Figuren und ihren Problemen aufbaut. Man versteht fast von selbst, wie es die Figuren quält, plötzlich alten Freunden und Verbündeten als Feinden gegenüberzustehen, nachdem das Land durch eine Intrige ins Chaos rutscht. Man bangt mit diesen Figuren, fürchtet um ihr Wohlergehen, obwohl auch die Art, wie dieses Buch geschrieben ist, sicher keinen genialen Roman ergäbe. Dennoch ist Suikoden mit all seinen feudalen Ränkespielen näher an einem Videospiel-Game-of-Thrones als jedes andere JRPG. Einige Charakterschicksale hier sind wirklich herzzerreißend.
Ebenfalls keine so kleine Leistung ist die große Menge an Charakteren, die man kennenlernen und für seine Armee rekrutieren kann, etwa, um im ersten Teil eine Befreiungsarmee aufzustellen, die der Tyrannei ein Ende gebietet. Nicht nur müsst ihr eure Kumpanen entdecken und für euch gewinnen, ihr müsst ihnen auch ein Zuhause hinstellen, wo der Aufbau der eigenen geheimen Festung ins Spiel kommt. Und simple Massenschlachten nach Stein-Schere-Papier-Muster sind zwar spielerisch nicht unbedingt gehaltvoll, aber blasen den Konflikt punktuell zu einem Drama geradezu historischen Ausmaßes auf. Das Abenteuer in Suikoden wirkt größer, weltumspannender, weil es nie nur um die Party ging, die sich um einen einsamen Teenager-Weltenretter versammelte, sondern Land und Leute immer im Blick behielt.
Womit wir wieder im Heute wären. Heute hält sich mein Jubel über die offenbare Rückkehr dieser Marke empfindlich in Grenzen. Das ursprüngliche Team hinter Suikoden ist längst nicht mehr bei Konami und fuhr mit seinem neuen JRPG-Projekt vor zwei Jahren satte dreieinhalb Millionen Euro auf Kickstarter ein – eine Summe, die Spiele auf der Crowdfunding-Plattform selten erreichen. Die Wiederbelebung der eigentlichen Marke durch Rechtehalter Konami wirkt nicht zuletzt deshalb wie eine direkte Reaktion darauf und stimmt vorsichtig. Wollte man zynisch sein, malte man sich ein Worst-Case-Szenario aus, in dem ein raubritterliches Mobile-Gacha-Suikoden für die 108 Helden in unterschiedlichsten Variationen mehrfach die Hand aufhält und uns ansonsten das spielerische absolute Minimum hinstellt.
Das, oder Konami ringt sich endlich zu einer Collection der alten Teile durch, was angesichts der umfassenden und lohnenden Castlevania- und Contra-Sammlungen, die über die Jahre erschienen, wohl das Glas-halbvoll-Szenario wäre, für das auch ich mich noch begeistern könnte. Je nachdem, wie viele und welche Spiele enthalten sind (und gute Güte, hätte ich Lust, mal wieder Suikoden 5 zu spielen, dessen 7-Punkte-Wertung ich bis heute bedaure, was ohne PS2 und entsprechenden TV mittlerweile leider nicht so einfach ist).
Was wir aber wohl ausschließen können, ist ein vollwertiges, neues Suikoden, einen echten sechsten Teil, der die Reihe gebührend fortsetzt. Zumindest nicht im Zuge dieses rechtlichen Konami-Schachzuges. Dann wiederum ist das mehr oder weniger genau das, was sich Rabbit and Bear Studios mit ihrem Crowdfunding-Erfolg auf die Fahnen geschrieben hat – abzüglich des traditionsreichen Namens natürlich.
Insofern ist Konamis Besinnung auf einen leider viel zu unbekannten Klassiker in seinem Markenportfolio am Ende vielleicht doch eine gute Sache: Mit ein bisschen Glück bekommen wir von ihnen eine schöne Erinnerung an triumphale Spiele, die der Mode der Zeit zum Opfer fielen, während die Köpfe hinter diesen Titeln mit Eiyuden Chronicles: Hundred Heroes die Werte Suikodens in die Zukunft tragen. Okay, vielleicht freue ich mich jetzt doch ein bisschen.